Im Jahr 2014 soll der neue Tarnanzug des Jagdkommandos ausgeliefert werden. Die ersten Studien dazu starteten 2005, die Entwicklung läuft seit 2009. Was ist in der Zeit passiert? Und was muss ein gutes Tarnmuster eigentlich können?

Der Ernstfall mag in Mali stattfinden oder im Tschad oder an einem Ort, von dem man bis dato noch nie gehört hat; die Vorbereitung dafür beginnt aber auf jeden Fall am Franz-Josefs-Kai in Wien, im Büro von Franz Lang, Oberst des Intendanzdienstes, Leiter der Abteilung Persönliche Ausrüstung in der Sektion III des Bundesministeriums für Landesverteidigung. Lang sitzt in seinem Erdgeschossbüro und legt mit erkennbarem Stolz eine Palette von Prototypen vor, Stoffbahnen in verschiedenen Tarndrucken, Ergebnisse langjähriger Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Im kommenden Jahr wird („wenn alles gut geht”, so Lang) die neue Battle Dress des Jagdkommandos ausgeliefert; im Moment läuft die Ausschreibung für Produktion, Druck und Konfektion – bislang gibt es nur Mini-Editionen für Einsätze und Übungen.

Die Materie ist komplex, Franz Lang könnte stundenlang erklären, allein die Ausschreibungsunterlagen für den Einsatzhut umfassen 15 DIN-A4-Seiten mit detaillierten Angaben zu Fadendichte, Höchstzugkraft-Dehnung, Schweiß­echtheits-Toleranz und den standardisierten Messbedingungen für Spektral­photometer-Farbvergleiche. „Wir sind da sehr akribisch”, sagt Franz Lang, und das muss er auch sein. Schließlich geht es nicht um irgendein Muster; es geht um einen bedeutenden Schritt im österreichischen Heeresbekleidungswesen, um einen flexiblen, an die unterschiedlichsten Einsatzgebiete anpassungsfähigen Kampfanzug für die Spezialeinsatzkräfte des Bundesheers; und damit geht es letztlich um Leben und Tod. Wobei das eindeutiger klingt, als es ist. Es bleibt immer etwas abzuwägen, aufzurechnen, gegenüberzustellen. Lang: „Tarnung ist ja nicht gleich Tarnung, es kommt darauf an, was ich damit vorhabe und wie viel ich dafür ausgeben will. Ich kann den teuersten Rennwagen besorgen, aber wenn ich damit im schweren Gelände unterwegs bin, wird mir jedes Allradfahrzeug davonfahren. Ähnliches gilt für Kampfanzüge. Wenn es den idealen Tarndruck gäbe, würde ihn jede Armee der Welt verwenden.”

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Tarnen nach Bedarf. Verschiedene Versionen des neuen Tarndrucks im Vergleich mit dem Kampfanzug 03.

Vizeleutnant Thomas Lakatha, Ausbildner an der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule Langenlebarn, weiß um die Komplexität der Problemstellung, auch er sagt: „Es gibt keinen Stein der Weisen, keinen Tarnanzug, der für alle Streitkräfte optimal wäre. Tarnmuster sollen eine optische Homogenität zum Unter- und Hintergrund herstellen, aber was von einem Standpunkt optimal tarnt, kann aus anderer Perspektive schon wieder ganz einfach demaskiert werden, abhängig von Lichteinfall, Bewegung, Distanz oder Wetter. Außerdem reicht die farbliche Anpassung im optischen Bereich nicht aus, ich muss auch moderne Aufklärungssysteme im thermischen Bereich, im UV- und Infrarotbereich berücksichtigen.” Jede Entwicklung im Aufklärungsbereich zieht eine Anpassung in der Tarnung nach sich und umgekehrt: „Es gibt Muster, die durch die technische Weiterentwicklung obsolet geworden sind, etwa Tarnmuster mit sehr starken Hell-Dunkel-Kontrasten. Diese können unter bestimmten Bedingungen optisch sehr gut verschleiern, werden aber durch thermische Aufklärungsmaßnahmen sofort demaskiert, weil sich dunkle und helle Teile unterschiedlich stark erhitzen.”

Dass das Bundesheer mit dem einfarbigen Kampfanzug 03 im klassischen Steingrau-Oliv (RAL 7013) auch weiterhin sein Auslangen findet, muss tarntechnisch also kein Nachteil sein. Oberst Lang: „Der Anzug in RAL 7013 erzeugt in Verbindung mit einer Konturentarnung einen sehr guten Effekt, vor allem auch im nahen Infrarotbereich, der bei der Nachtsichtaufklärung eine Rolle spielt. Es muss nicht immer Tarndruck sein. Das ist eine Philosophiefrage. Es gibt dazu Hunderte Studien, und jeder hat recht, weil jeder andere Bedürfnisse und Möglichkeiten hat.”

Nun haben sich die Bedürfnisse des Bundesheers und seiner Sondereinsatzkräfte seit dem Jahr 1975, als die aktuelle Uniformfarbe eingeführt wurde, doch deutlich verändert. Vor allem die Häufung internationaler Einsätze in Nordafrika und im Nahen Osten hat Handlungsbedarf erzeugt. Lang: „Unsere Desert Camouflage wurde früher oft im freien Markt aus US-Beständen erworben. Das ergab allerdings das Problem, dass in gemeinsamen internationalen Einsätzen die nationale Kennzeichnung nicht mehr gewährleistet war. Deshalb gab der Generalstab im Jahr 2009 den Auftrag, ein unverwechselbares nationales Tarnmuster aufzubauen, das für verschiedene Einsatzarten und -ziele adaptiert werden kann.”

@Bundesheer
Gleich und doch nicht gleich? Diese drei Tarnmuster sind ein Beispiel dafür, wie durch unterschiedliche Färbung der einzelnen „Pattern“ (= digitales Muster oder Flecken) bei gleichbleibendem Tarnmuster unterschiedliche Tarnwirkung möglich ist. Von links nach rechts: Woodland, Urban Area, Desert.

Damit wackelt eine der wenigen Konstanten im österreichischen Heeresbekleidungswesen – der seit 1975 unveränderte RAL-Ton. Alle anderen Uniformteile waren über die Jahre einer bemerkenswert regen Veränderung unterworfen. Christoph Hatschek, Stellvertretender Direktor des Heeresgeschichtlichen Museums und Leiter der Abteilung Uniformen: „Im Unterschied zu dem praktisch jahrhundertelangen Bestand der charakteristischen perlgrauen beziehungsweise ,weißen’ Uniformierung der habsburgisch-kaiserlichen Armeen kam es seit der Neuaufstellung des Bundesheeres im Jahr 1955 zu einer wahren Formen- und Farbenvielfalt. In dem vergleichsweise kurzen Zeitraum von nur knapp 60 Jahren kam es insgesamt zur Einführung annähernd eines Dutzends verschiedener militärischer Adjustierungen” – darunter auch der legendäre Kampfanzug 57 mit fünffarbigem „Fleckerlteppich”-Tarn und weißem Innenstoff für die Wintertarnung, der die noch mit Krawatte zu tragende Uniform M 56 ablösen sollte, aber, nicht weniger legendär, aus Kostengründen nur im Einsatzfall gemäß § 2a Wehrgesetz, also im Grenzschutz oder bei größeren Manövern, getragen werden durfte.

Mit dem neuen SEK-Tarnanzug folgt das Bundesheer nunmehr dem internationalen Trend zum einsatzspezifisch variablen, in digitalem Pixelmuster gestalteten Tarndruck, der sich seit den späten Neunzigerjahren nach den Vorbildern des Canadian Disruptive Pattern (CADPAT) und der US-Marine Pattern (MARPAT) durchgesetzt hat. Die pixelartige Rasterung dieser Muster hat übrigens keinen Tarneffekt per se – sie erleichtert lediglich die design- und drucktechnische
Adaptierung an verschiedene Einsatz- und Geländetypen. „Unser Ziel war, internationale Standards zu erreichen, aber eine spezifisch österreichische Lösung zu finden”, erklärt Oberst Lang. Das Ergebnis beruht auf Studien, die schon in den Jahren 2005/2006 von der Heeresbekleidungsanstalt in Kooperation mit der HTL Spengergasse durchgeführt wurden und international verwendete Tarnmuster unter verschiedensten Bedingungen testeten.

Mit den Erkenntnissen aus dieser Untersuchung wurde weitere drei Jahre lang – im Wechselspiel zwischen Heeresbekleidungsanstalt, Ministerium und Truppe – an dem neuen Druck, aber auch an Schnitt und Material gearbeitet, stets auf dem schmalen Grat zwischen technischer Machbarkeit und betriebswirtschaftlicher Vernunft. Ja, stimmt, da sind Oberst Lang und seine Leute sehr akribisch. Und übrigens durchaus zufrieden mit dem, was sie da, unter Einhaltung aller Budgetnotwendigkeiten und sonstigen Vorgaben, geschaffen haben. Fast zärtlich streicht der oberste Ausrüster über die Prototypen auf seinem Schreibtisch. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Oder, besser noch, nicht.

Die Kunst der Camouflage – ein historischer Abriss
Die Geschichte der Camouflage beginnt im Ersten Weltkrieg. „Tarnmuster tauchen erst mit den modernen Kriegen und ihren neuen Waffengattungen auf”, erklärt Christoph Hatschek vom Heeresgeschichtlichen Museum: „Im Dreißigjährigen Krieg zog man ja noch wie ein Pfau in die Schlacht.” Die erste Camouflage-Einheit stand im Sold der französischen Armee im Ersten Weltkrieg: Die „Section de Camouflage” versorgte die Truppe ab 1915 unter der Leitung des Malers Lucien-Victor Guirand de Scévola mit handgemalten Tarnmustern und kulissenartigen Bauten (etwa künstlichen Bäumen oder Sträuchern). Die verwendeten Muster hatten in dieser Zeit noch eine erkennbare Bindung an die bildende Kunst und erinnerte durchaus an kubistische Malerei, was Pablo Picasso einst sogar zu dem Anspruch verleitete, selbst der Urheber der Camouflage zu sein.

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Quelle@Bundesheer, Bundesheer/Minich, Fotolia