Oberstleutnant Harald Kink ist Referent für Militärstrategische Einsatzplanung und in Österreich der Ansprechpartner für EU Battlegroups. Hier beantwortet er aktuelle Fragen zum Thema EU-Eingreiftruppe und Battlegroups.

Herr Oberstleutnant, was kann man sich unter der EU-Eingreiftruppe vorstellen? Wie wird sie zusammengestellt und eingesetzt sein und wer hat das Kommando?
Eine schnelle EU-Eingreiftruppe ist an sich nichts wirklich Neues. Sie basiert letztlich auf dem „EU Military Rapid Response Concept” aus dem Jahr 2003, welches seither mehrfach adaptiert wurde. Der angekündigte Rahmen von 5.000 Einsatzkräften wird modulartig ausgefüllt sein und sowohl Land-, als auch Luft- sowie Seestreitkräfte abbilden. Diese Module können dann im Anlassfall bedarfsgerecht abgerufen und somit an die konkrete Mission angepasst werden. Der Kern der Eingreiftruppe wird jedoch von den Landstreitkräften zu bilden sein. Der Personalrahmen lässt die Einbettung von zumindest einer Brigade, also einem militärischen Großverband mit mehr als 1.500 Soldaten, zu. Diese wird hauptsächlich durch die sogenannte „Lead Nation” zu stellen sein, jenem Mitgliedstaat der EU, der sich dazu bereit erklärt hat und daher auch vor Ort das Kommando führt. In der Regel wird diese Aufgabe durch ein Land übernommen, welches auch über entsprechend dimensionierte Streitkräfte verfügt, beispielsweise Deutschland oder Italien. Der Aspekt der militärischen Führung auf EU-Ebene wird in den kommenden Monaten und Jahren noch konkret auszuplanen und zu formulieren sein, eines zeichnet sich jedoch bereits ab: Der Schulterschluss mit der NATO und damit den USA bleibt alternativlos, jedoch müssen die Mitgliedstaaten der EU stärker in die Verantwortung genommen werden.

@Bundesheer/Kink
Oberstleutnant Harald Kink ist Referent für Militärstrategische Einsatzplanung.

Wie unterscheidet sich die EU-Eingreiftruppe von den bisherigen EU-Battlegroups?
Der augenscheinlichste Unterschied liegt in der Größe des Personalrahmens, welcher aus militärischer Sicht im Anlassfall auch wesentlich mehr Aussicht auf Erfolg bietet. Bisher gab es zwei separate EU-Battlegroups mit jeweils rund 1.500 Einsatzkräften und einer Stand-by-Phase von sechs bis zwölf Monaten. Die zuvor dargestellte Konzeption der künftigen Eingreiftruppe vereint die Dimensionen Land, Luft und See unter einem Kommando und ermöglicht daher den sogenannten „Kampf der verbundenen Waffen” auf entsprechendem Niveau. Wesentlich bemerkenswerter erscheint jedoch der Prozess der Bewusstseinsbildung zu sein, der bei der politischen Führung erfolgt ist. Der „strategische Kompass” der EU, welcher bereits vor dem Krieg in der Ukraine erstellt und kürzlich beschlossen wurde, stellt die aktuelle verschriftlichte Basis für die künftige Eingreiftruppe dar. Die kommenden Herausforderungen sind dort klar angesprochen und die Notwendigkeit des eigenen Handelns ist deutlich umrissen. Diese Erkenntnis und die politische Ambition, dass allenfalls auch militärische Mittel erforderlich sein werden, um im Interessenbereich der EU für Sicherheit und Stabilität zu sorgen, stellt vermutlich den größten Unterschied zu den bisherigen Battlegroups dar.

Russische Armee kämpft mit enormen Problemen

An welchen Einsätzen beziehungswese wie überhaupt kann sich Österreich im Rahmen einer EU-Streitkraft beteiligen, ohne in einen Konflikt mit seiner Neutralität zu kommen? Auch an sogenannten „robusten Einsätzen”?
Die Bandbreite möglicher Einsätze reicht von humanitärer Hilfe beispielsweise bei Naturkatastrophen über Evakuierungsoperationen bis hin zur Friedensschaffung in einem sogenannten „robusten Szenario”. Darunter versteht man die Begegnung konventioneller Streitkräfte in einem Konflikt, bei dem keine Nuklearwaffen, aber Mittel wie Panzer, Artillerie oder Kampfflugzeuge sowie Kampfhubschrauber zum Einsatz kommen. Der Einsatzraum ist grundsätzlich außerhalb des Gebietes der EU und derzeit bis hin zu einem Radius von 6.000 Kilometern von Brüssel aus gemessen. Österreich hat sich schon mehrmals an der Bereitstellung von Kräften für eindeutig robuste Szenarien beteiligt, zuletzt mit einer Panzergrenadierkompanie bei der EU-Battlegroup im zweiten Halbjahr 2018. In Bezug auf unsere Neutralität ist aber die Art des Einsatzes weniger ausschlaggebend als das Mandat, aufgrund dessen dieser Einsatz erfolgt. Hier wird prinzipiell eine Resolution der Vereinten Nationen die Basis bilden – und dafür gibt es in Österreich eine jahrzehntelange Tradition.

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