Soldaten des Jagdkommandos trainieren gemeinsam mit Pioniertauchern des Bundesheeres und der Bundeswehr am zugefrorenen Turracher See den frostigen Ernstfall.

@HBF/Pusch
Übungs-Ablauf: Am Beginn des Einsatzes steht die Einweisung. Anschließend …

Mitte Jänner zeigt sich der Turracher See an der Landesgrenze zwischen Kärnten und der Steiermark von seiner unangenehmeren Seite. Die Temperaturen liegen hier auf 1.763 Metern Seehöhe irgendwo weit unter null, der Wind pfeift über die zugefrorene Wasseroberfläche, stürmisch treibt er feine Schneekristalle vor sich her. Mittendrin in dieser unwirtlichen Kulisse machen 20 Jagdkommando-Soldaten und Pioniertaucher des Bundesheeres und der Bundeswehr das, was in dieser Situation wohl jeder machen würde: eistauchen. Ungeachtet von Wind und Wetter lernen sie in einem vom Jagdkommando abgehaltenen zweiwöchigen Kurs, wie man unter Wasser Verunglückte findet und rettet. Wie man mithilfe von Bergeballons Lasten nach oben taucht und wie man sich bei den eisigen Bedingungen verhält.

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… tauchen zwei Soldaten in das eiskalte Wasser ein.

„Die größte Herausforderung bei diesen Tauchgängen sind die Kälte, die extreme Seehöhe und die daraus resultierenden physiologischen Auswirkungen auf den Körper”, erklärt Oberstleutnant Michael Novotny, der als Hauptlehroffizier für die Tauchausbildung im Bundesheer verantwortlich ist. Eine weitere Herausforderung liegt in den geringen Sichtweiten unter Wasser. Schon aus zehn Metern Entfernung ist das kleine, ins Eis geschnittene Ein- und Ausstiegsloch – und damit die einzige Verbindung zur Außenwelt – mit freiem Auge nicht mehr sichtbar. Um den Weg zurück an die Oberfläche zu finden, orientieren sich die Taucher an einer vertikal nach unten verlaufenden Grundleine. Entfernen sie sich von dieser, spulen sie eine daran befestigte Sicherung ab, die ihnen den Weg zurück zu ihrem Ausgangspunkt weist. Um im Ernstfall leichter geortet werden zu können, tragen sie unter ihrem Anzug ein Lawinen-Verschütteten-Suchgerät (LVS).

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Einer der beiden Taucher verliert kurz nach dieser Aufnahme unter Wasser die Orientierung …

„Trotz all dieser Maßnahmen ist höchste Vorsicht geboten”, sagt Oberstleutnant
Novotny, „das Gefahrenpotenzial beim Eistauchen ist deutlich höher als sonst beim Tauchen.” Anschaulich wird das wenige Minuten später in einem Übungsszenario, bei dem zwei Soldaten einen Erkundungs-Tauchgang durchführen, um den defekten Wasser-Ansaugstutzen einer Beschneiungsanlage zu überprüfen. Vor dem Sprung in den See kontrolliert ein Sicherheitsoffizier, ob alles sitzt und passt. Sind alle Bedienelemente der Tauchausrüstung funktionsfähig und erreichbar? Ist das LVS-Gerät eingeschaltet? Nach wenigen Minuten kommt einer der Soldaten zurück an die Oberfläche. „Ein Vereiser”, ruft er. Der Automat seines Tauchpartners lässt unkontrolliert Luft ab, die Verbindung zueinander wurde verloren.

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… und die Rettungskette kommt in Gang. Wenig später wird der Taucher gerettet.

Die militärische Rettungskette kommt in Gang. Während sich ein Rettungstaucher für seinen Einsatz bereit macht, geht ein Soldat auf dem Eis mit seinem Lawinensuchgerät dem Positionssignal des verunglückten Kameraden nach und zeigt die Suchrichtung. Der Rettungstaucher verschwindet im Wasser. In diesem Fall wird auf die Grundleine verzichtet, er wird über eine Direktleine gesichert, die ihm auch als Kommunikationskanal dient. Drei Mal ziehen bedeutet: Leine einholen. Und genau das machen die Soldaten am Rande des Eislochs nun auch, Meter für Meter holen sie den verunglückten Taucher aus der Tiefe und ziehen ihn mithilfe einer Leiter aus dem Wasser. Auf einer Trage wird er anschließend in ein beheiztes Zelt gebracht, der Sanitäts-Unteroffizier checkt die Vitalfunktionen. Im Ernstfall würden dann – das Übungsszenario endet an dieser Stelle – weitere Maßnahmen in die Wege geleitet. Etwa die Gabe von Sauerstoff oder der rasche Transport mittels Hubschrauber in ein Unfallkrankenhaus.

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„Wir üben derartige Szenarien, damit im Anlassfall jeder Handgriff sitzt”, erklärt Oberstleutnant Michael Novotny.

Um für alle Einsatzeventualitäten gewappnet zu sein, muss jeder der 40 Kampfschwimmer des Jagdkommandos den Eistauchkurs zumindest einmal absolvieren. Laut Oberstleutnant Novotny schadet auch eine mehrmalige Teilnahme nicht: „Es ist wichtig, die Abläufe regelmäßig zu wiederholen, um sie auch in Stresssituationen zu beherrschen.” Bei der Ausbildung seiner Taucher kooperiert das Bundesheer auch mit anderen Streitkräften – mit den Pioniertauchern der Bundeswehr und den Kampfschwimmern der deutschen Marine besteht seit Jahren ein reger Austausch. Lose Kontakte gibt es auch zu Kroatien, Polen und Italien, neuerdings auch zu den USA. „Mit den US Special Forces befinden wir uns aktuell in Gesprächen, um hoffentlich mit Ende 2018 eine Ausbildungs-Kooperation auf die Beine zu stellen”, sagt Novotny.

Der zweiwöchige Kurs am Turracher See dient dem Üben, aber auch dem Erproben neuer Technik wie modernen Heizwesten, die unter dem Tauchanzug getragen und von den Soldaten auf ihre Praxistauglichkeit geprüft werden. „Damit würde sich unsere Durchhaltefähigkeit nochmals erhöhen”, sagt Novotny. Bewährt sich die Weste, könnte sie in Zukunft Teil der ohnehin modernen Ausrüstung der Spezialeinheit werden. Erst kürzlich wurden neue elektronische Kreislauftauchgeräte angeschafft, mit denen weitaus komplexere Tauchgänge bis zu 100 Meter Tiefe und mehreren Stunden möglich sind. „Nur wenn wir immer am aktuellen Stand sind, können wir die an uns gestellten Aufgaben auch erfüllen”, sagt der Offizier. „Es gilt bestehende Grenzen zu überwinden.” Möglich wird das durch moderne Ausrüstung, aber auch durch eine gute Ausbildung, die hier in den Nockbergen modernsten Ansprüchen genügt. Dem eisigen Wind zum Trotz wird das Eistauchen auch weiterhin ein Fixpunkt im Jagdkommando-Kalender sein.

Quelle@HBF/Pusch, Jagdkommando