Militär Aktuell ist es schon bei den letzten beiden Dubai-Airshows aufgefallen: Airbus hat sich – ebenso wie Leonardo mit der C-27J Spartan und Bombardier mit der Q400 – dem Trend geöffnet, Transportflugzeuge als Mehrrollen- und Marinepatrouillenflugzeuge (MPA) beziehungsweise für Überwachungs- und Aufklärungsmissionen (ISR) zu bewaffnen. Die Rede ist von offensiv bewaffnen, also nicht zur Selbstverteidigung. Offenbar hat der Rüstungskonzern seither das Konzept zur Abwandlung des Zweimot-Transporters C295 (ehemals ein Entwurf der später integrierten spanischen CASA), welches früher mit um die Maschine drapierten Waffen gezeigt wurde, nunmehr zur Flugtestphase gebracht.

Das suggerieren zumindest zwei in den diversen Fach-Foren kursierende Fotos des spanischen Fotografen-Kollegen Santi Blánquez, welche jüngst im Anflug auf die spanische Airbus-Werksbasis in Sevilla entstanden. Die Bilder dokumentieren Integrations- beziehungsweise Zulassungstests und deuten darauf hin, dass das laut Airbus gezeigte Interesse potenzieller Kunden – wenn nicht bereits fester Bestellungen – besonders aus dem Nahen Osten und Nordafrika ernsthaft ist. Sie zeigen eine, allgemein recht mitgenommene, C-295-Werksmaschine mit der vorübergehenden militärischen Registrierung EC-296. Laut Datenbank wurde dieselbe Flugzeugzelle zuvor verwendet, um die CC-295-Konfiguration für das kanadische FWSAR-Programm (Fixed-Wing Search and Rescue) zu testen. Auf den Bildern trägt die Maschine vier 250 Kilogramm-Bomben, die mit dem Mk.81 INS- beziehungsweise Mk.82 GPS-Lenk-Kit Teber des türkischen Herstellers Roketsan ausgestattet sind. Die Variante basiert auf dem firmeneigenen „Fully Integrated Tactical System (FITS)” – einem Missionssystem, welches verschiedene Sensoren und Waffen integriert und laut Airbus bereits in Dutzenden von Flugzeugen installiert wurde. Mehr als 180 Stück C-295 fliegen in 33 Luftwaffen und Regierungsbehörden auf der ganzen Welt.

@Santi Blánquez
Die Lenkbomben des türkischen Herstellers Roketsan sind an den Tragflächen des C295-Transporters klar erkennbar.

Von der C-295/FITS werden zwei Basisversionen angeboten: Die erste verfügt über eine leichtere Waffenanpassung, sozusagen ein „Roll-On/Roll-Off”-FITS. Dazu gehören ein Paar in den hinteren Seitentüren manuell bedienbare Rohrwaffen von Kaliber 12,7 mm bis zu – auf einer Seite – der BK-27 (der 27 mm Kanone des Eurofighters). Beide sind, wie bereits in Dubai zu hören, schon getestet und lieferbereit. Die zweite ist deutlich stärker bewaffnet und verwendet eine feste FITS-Installation. Beide beinhalten elektrooptische beziehungsweise IR-Sensoren in einem sogenannten „Gimbal” unterhalb der Nase sowie ein Überwachungsradar unterhalb des Rumpfes, welches im getesteten Flugzeug – erstmals zusammen mit den vier Unterflügel-Waffenstationen – zu sehen ist. Weitere Ausstattungsmerkmale sind diverse Kommunikations- und Selbstschutz-Kits.

@Georg Mader
Die Maschine kann auch mit Rohrwaffen ausgestattet werden.

Gemäß Miguel Morales (Leiter des ISR-Marketings/Luft bei Airbus Defence & Space) und angesichts des bereits gemeinsamen Auftritts in Dubai mit der türkischen Staatsfirma Roketsan, dürften nun – neben den gesichteten Teber-Bomben – bis zu 16 leichte von deren lasergelenkten und eigentlich für Kampfhubschrauber entwickelte L-Umtas Luft-Boden-Raketen oder Behälter für lasergelenkte 2,75-Zoll Raketen Cirit zur Integration anstehen. Aber auch die in Spanien hergestellte und ungelenkte CAT-70-Rakete Expal, die in Behältern der brasilianischen Firma Equipaer transportiert wird. Der Einsatz von nicht US-amerikanischer Waffentechnik ist offenbar eine bewusste Entscheidung, mit der angesichts der potentiellen Interessenten mögliche Export-Einschränkungen vermieden werden sollen, welche durch die ITAR-Richtlinien (International Traffic in Arms Regulations) der USA stets „im Raum stehen” und die den Transfer von Verteidigungs- und militärischen Technologien und Diensten einschränken könnten. Gemäß Miguel Morales hat man „von potenziellen Kunden Anfragen gehört, die einige dieser Waffen wollen. Und wir waren daran interessiert, mit zwei der Anbieter zusammenzuarbeiten, was uns die Arbeit erleichtert”.

Airbus als Systemintegrator zu haben, scheint den potenziellen Kunden ein zusätzliches Maß an Vertrauen zu geben, dass der Erstausrüster die Flugzeuge und Subsysteme als Gesamtpaket zertifizieren kann. Mehrfach wurden die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) als potenzieller Kunde für bewaffnete C295 genannt, und auf der Dubai Airshow 2017 wurde ein Vertrag über gut 200 Millionen Euro für fünf C295 angekündigt. Aber bislang gab es keine Beweise dafür, dass diese Flugzeuge in der bewaffneten Konfiguration bereits bereitgestellt wurden. Eines wurde jedoch mit einem Sensor-Gimbal unter der Nase gesehen und es ist zu erwähnen, dass die VAE bereits Kunde sowohl der L-Umtas-Rakete als auch der lasergelenkten Cirit ist. Diese wurden in die AT-802U beziehungsweise Archangel-Leichtangriffsflugzeuge von Iomax integriert, welche in den Spezialkräften der VAE dienen und die auch über der libyschen Front aufgetaucht sind.

@Georg Mader
Mk.82 GPS-Lenk-Kit Teber des türkischen Herstellers Roketsan.

Alle diese bewaffneten Transporter sind leistungsfähige Plattformen mit viel Potenzial für leichte Angriffs- sowie ISR-Missionen in weniger heiß umkämpften Umgebungen und sind in der Lage, mehrere Missionsarten in einem einzigen Einsatz auszuführen und zu bündeln. Zu den Hauptvorteilen zählen die Fähigkeit, Missionen von bis zu zehn Stunden zu fliegen (abhängig von der Waffenlast und der Anzahl der Besatzungsmitglieder) und das Potenzial, eine Vielzahl verschiedener Waffen und Sensoren relativ leicht zu integrieren. Darüber hinaus kann es in der „Roll-On/Roll-Off”-Konfiguration auch für konventionelle Transport- und Fallschirmjäger-Missionen schnell angepasst werden. Für einen Nutzer, der eine Nah-Luftunterstützung und/oder Flugzeuge zur Unterstützung von Spezialoperationen sowie für Operationen zur Aufstandsbekämpfung (COIN) sucht, könnten diese Kombination ideal sein. In und über einem feindlichen beziehungsweise integriert verteidigten Luftraum haben sie ob ihrer Geschwindigkeit und Radarsignatur aber weiter nichts verloren.

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Quelle@Santi Blánquez, Georg Mader
Der Autor ist einer der renommiertesten österreichischen Luftfahrtjournalisten, Korrespondent des britischen Jane’s Defence und schreibt seit vielen Jahren für Militär Aktuell.