Der jahrelange Atomstreit mit dem Iran scheint kurz vor einer diplomatischen Lösung. Unser Autor Georg Mader hat sich die bislang abgesteckten Verhandlungseckpunkte angesehen und deren militärische Auswirkungen analysiert.

Viele Jahre hatten sich der Iran und der Westen nichts zu sagen. Zumindest nichts Freundliches. Insbesondere mit den USA tauschte Teheran regelmäßig Drohungen, immer wieder stand der schwelende Konflikt kurz vor einer militärischen Eskalation. Seit dem Amtsantritt des iranischen Präsidenten Hassan Rohani 2013 hat sich das Klima aber deutlich gebessert, im April kam es in Lausanne sogar zu einem Durchbruch im jahrelangen Atomstreit. Bei den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm haben sich die fünf UN-Vetomächte und Deutschland (5+1) mit dem Iran auf Eckpunkte für eine abschließende Vereinbarung ge­einigt, die nun bis Ende Juni im Detail ausformuliert werden sollen. Der Westen erwartet sich mehr Kontrolle über das iranische Atomprogramm, Teheran wünscht eine Lockerung oder Aufhebung der nach der Revolution 1979 verhängten und 2010 verschärften UN-/US- und EU-Sanktionen. Die Maßnahmen machen der ­iranischen Ölwirtschaft schwer zu schaffen und blockieren dringend benötige Devisen-Einnahmen.

Der eifrig twitternde und facebookende iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif zeigt sich optimistisch, bis Ende Juni eine endgültige Einigung zu erzielen: „Eine solche ist sehr wahrscheinlich, vorausgesetzt unsere Verhandlungspartner meinen es ernst.” Auch der russische Vize-Außenminister Sergej Rjabkow sieht eine Niederschrift „auf dem besten Weg. Im Vergleich zu April haben wir im Mai auf Expertenebene wichtige Schritte geschafft.” Jene Passagen, die dem Vernehmen nach bereits akkordiert sind, lehnen sich an das Lausanne-Arbeitspapier an. Was man darüber hinaus den Gesprächen entnehmen kann, klingt nach einer „Achterbahn” von positiven über skeptische bis hin zu ablehnenden Einschätzungen. Auch Rjabkow sieht – trotz allem Opptimismus – in den weiteren Gesprächen noch große Herausforderungen; insbesondere was die Militärische Dimension des iranischen Atomprogramms betrifft.

Dabei geht es etwa um kürzlich von Frankreichs Außenminister Laurent Fabius ins Spiel gebrachte neue oder weiterführende Inspektionen iranischer Nukleareinrichtungen, in ­denen die Atomenergiebehörde IAEO militärische Anlagen vermutet. Iranische Militärs und Revolutionsgarden wollen Inspektionen allerdings nicht zulassen, zu oft seien IAEO-Erkenntnisse bei US-Diensten gelandet. Aus demselben Grund möchte man auch keine Befragungen iranischer Nuklearwissenschaftler, der oberste geistliche Führer des Iran, Ajatollah Ali Khamenei, nannte diese Gespräche kürzlich „Verhöre”. Da wird weiterhin tiefes Misstrauen sichtbar, im Gespräch mit iranischen Entscheidungsträgern ist immer wieder auch von „Augenhöhe”, „Respekt” und „Erpressung” die Rede.

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Verhandlungspartner: EU-Außen­beauftragte Federica Mogherini und Irans Außenminister Mohammed Dschawad Sarif.

 Erschwerend kommt hinzu, dass der Iran den Fortbestand der verhassten Sanktionen als „rote Linie” definiert und mit Vertragsunterzeichnung deren vollinhaltliche Aufhebung erwartet. Das scheint aber schwierig, hat der US-Kongress doch jüngst Präsident Obama ein Gesetz abgetrotzt, welches dem Kongress 30 Tage Zeit zur Prüfung ­eines solchen Vertrages und ein Vetorecht einräumt. Zudem müssten UN-Sicherheitsrat und EU-Kommission zum selben Zeitpunkt eine Aufhebung beschließen. Bereits geklärt wurde unter den G5+1, wie die Sanktionen – auch ohne UN-Resolution – wieder in Kraft gesetzt werden könnten, sollte Teheran dereinst doch an nuklearen Gefechtsköpfen arbeiten. Das wäre der sogenannte „Breakout”, vor dem US-Senatoren als auch Israel immer warnen – den Luftwaffeneinsatz dagegen hat Jerusalem weiterhin als Möglichkeit auf dem Radar.

Erst im April übten 150 israelische Jets um Kreta gegen eine griechische Version des russischen S-300PMU-Luftabwehrsystems, das Moskau heuer an den Iran liefern möchte. Ungeklärt ist, was um das von den Revolutionsgarden betriebene Programm ballistischer Mittelstreckenraketen wie Shahab-III oder Seijil passiert, welches laut Teheran aktuell explizit „kein Verhandlungsgegenstand” ist. Aber wofür benötigt der Iran Raketen mit 2.500 Kilometer Reichweite, ohne ABC-Sprengköpfe zu besitzen? Die Treffergenauigkeit von Seijil mit konventionellem Kopf dürfte sich auf Flächenziele wie Häfen beschränken, ohne jene massiv zu zerstören.

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