Aus der Not eine Tugend gemacht: Die Briten improvisierten im Jahr 1940 verfügbare Pkw-Chassis der Standard Motor Company zum Beaverette Armoured Light Reconnaissance Car. Das schwere, schlecht gepanzerte und hoffnungslos untermotorisierte Fahrzeuge wurde zur Verteidigung der Flugplätze und Flugzeugfabriken Großbritanniens eingesetzt und spielte in vielen Verbänden bis zum Zulauf besserer Fahrzeuge eine wichtige Interimslösung.

Es war 1940 und der Pressemann erhielt eine typisch britische Antwort: „Wir sind im Endspiel und wir spielen zuhause.” Er hatte einen Landsmann nach dessen Meinung zu den Kriegsaussichten gefragt, nachdem Frankreich kapituliert hatte und Großbritannien nun alleine dastand. Natürlich war der Optimismus nicht völlig unberechtigt, war doch die Royal Navy abwehrbereit und die Royal Air Force ebenso. Aber bei den Landstreitkräften sah die Situation ganz anders aus: nach der Niederlage in Frankreich hatte zwar ein Großteil des Personals über Dünkirchen evakuiert werden können, das schwere Gerät war allerdings verloren gegangenen. Bis Nachschub-Lieferungen aus den USA eintrafen, mussten Museumsstücke herhalten oder innovative, massenproduktionsfähige Notlösungen wie beispielsweise die Sten-MP.

@War Office
Beaverette einer Einheit der polnischen Exilarmee.

Selbst bei den Panzerfahrzeuge wurde improvisiert und dabei ging es vor allem darum, gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: die Panzer- und Aufklärerverbände brauchten zu Trainingszwecken, das heißt bis zur Neuausstattung mit echten Kampffahrzeugen, zumindest improvisierte Panzerwagen. Auch Infanterie- und Panzerjägereinheiten brauchten zum effektiven Training so etwas wie „Panzerdarsteller”.

Zweitens musste man der von Invasionsängsten geplagten Bevölkerung suggerieren, dass Panzerfahrzeuge in ausreichender Zahl bereit stünden. So entstanden wehrtechnische Kuriosa, oft erdacht von Leuten, die bislang nicht als Konstrukteure von Panzern in Erscheinung getreten waren.

Eine der besseren Ideen hatte William Maxwell Aitken, ein Verleger und Politiker. Dieser, er besaß gleich zwei der auflagenstärksten Blätter des britischen Empire, war 1917 zum Lord Beaverbrook erhoben worden und inzwischen „Minister of Aircraft Production”. In der Funktion war er zweifelsohne während der sich anbahnenden „Battle of Britain” einer der wichtigsten Männer in Großbritannien. Er sah die Notwendigkeit, die Flugfelder und die Flugzeug- und Flugmotorenfabriken gegen Sabotage, Ausspähung, deutsche Fallschirmjäger und Tiefflieger zu schützen. Dazu musste ein Fahrzeug her und zwar gleich in ausreichender Stückzahl. Man meldete dem Minister, dass bei der Standard Motor Company 500 Pkw-Chassis herumstünden, nachdem die Produktion für den zivilen Markt kriegsbedingt eingestellt worden war.

Es entstand der Beaverette Armoured Light Reconnaissance Car. Die Bezeichnung ist beinahe Wort für Wort eine Übertreibung. Auf der Basis des „12 Saloon” (oder Flying Twelve) der Standard Motor Company entstand ein mit zwei Tonnen für einen Motor von nur 48 PS (aus dem „14 Saloon” oder „Flying Fourteen”) viel zu schweres Fahrzeug (Beaverette Mark I), das gerade eine Höchstgeschwindigkeit von 38 km/h erreichte. „Armoured” erscheint fragwürdig angesichts einer Panzerung von elf Millimeter Stahlblech minderer Qualität, das innen mit dreizölligen Eichenbohlen (rund 76 Millimeter) verstärkt war. Die Produktion dieser Behelfslösung oblag der Standard Motor Company Ltd. in Coventry.

@Archiv Seehase
Ein Beaverette Mk I: Die Fahrzeuge galten als schwerfällig und untermotorisiert.

Angeblich wurde der erste Beaverette an nur einem Tag entworfen und produziert. Der Kampfraum war oben und hinten offen, für die Bewaffnung (ein LMG) gab es einen Schlitz in der Frontpanzerung. Die Besatzung bestand aus drei Mann, oft waren aufgrund des beengten Platzangebots nur zwei Mann an Bord. Vordringlichste Aufgabe dieser Fahrzeuge war zunächst die Verteidigung der Flugplätze und Flugzeugfabriken Großbritanniens. Das Fahrzeug hatte allerdings einige schwerwiegende Konstruktionsfehler, so war die Sicht vom Fahrersitz aus sehr schlecht, außerdem war die Bremsanlage dem Zusatzgewicht in keiner Weise angemessen. Das führte zu einer ganzen Reihe von Unfällen. Einigen Dutzend Beaverettes Mk I folgte eine Order über 800 leicht verbesserte Fahrzeuge (Mk II): 340 sollten an das Ministry of Aircraft Production gehen, 460 an die Army.

Die Nachfolgeversion, der Mk II, hatte einen hinten geschlossenen Kampfraum. Einige Beaverettes waren mit Funkgeräten (dem No 11 Wireless Set beziehungsweise No 19 Wireless Set) ausgerüstet.

Deutschen Panzeraufklärern und den vorzüglichen (aber meist taktisch falsch eingesetzten) italienischen Panzerspähwagen wäre der Beaverette hoffnungslos unterlegen gewesen – er wurde deshalb auch fast nie außerhalb der britischen Inseln eingesetzt. Dem Fahrzeugmangel beim Reconnaissance Corps konnte der Beaverette aber schon Abhilfe schaffen, das zeigt folgendes Beispiel: die 53rd (Welsh) Infantry Division war eine hervorragende Division, die im Verlauf des Krieges eine große Rolle spielen sollte, etwa beim Kampf um den Reichswald im Februar 1945. Als ihr Aufklärerbataillon, eben das 53 Recce Battalion (später Regiment), aufgestellt wurde (im März 1941) verfügte es an Kampffahrzeugen nur über 49 Bren-Carrier und 30 Bedford-Ironsides (letztere waren als Panzerspähwagen noch untauglicher als die Beaverettes). Im Mai 1941 liefen dann sechs Beaverettes zu, im Oktober 1941 gab es dann endlich echte Panzerspähwagen (32 Humber Light Reconnaissance Cars).

Das sagenumwobene Maschinengewehr „Knorr-Bremse”

Bei den Panzereinheiten spielte der Beaverette als Interimslösung auch eine (kurzlebige) Rolle: im Juni 1940 waren sowohl die 12th Lancers als auch das 9th Royal Tank Regiment mit Beaverettes ausgerüstet.

Bis zur Einstellung der Produktion 1942 wurden rund 2.800 Beaverettes gebaut, meist als Interimslösung, das heißt, bis bessere Fahrzeuge zur Verfügung standen.

Der Beaverette spielte noch eine große Rolle bei der Home Guard, diente den neu aufgestellten Panzereinheiten als eine Art Panzerersatz und fungierte bei der Panzerabwehrausbil­dung der britischen Infanterie als Feinddarstellung. Zur Verteidigung der Stützpunkte der Royal Air Force wurden Beaverettes weiterhin in großer Zahl eingesetzt. Am 30. Mai 1943 beanspruchte die mit Beaverettes ausgestattete Armoured Car Flight der 2829 Field Squadron bei Torquay den Abschuss von sechs deutschen Flugzeugen. Das erscheint angesichts der schwachen Bewaffnung (erst jeweils nur ein offen lafettiertes MG der Typen Lewis oder Bren, manchmal eine Boys-Panzerbüchse, später ein MG im Drehturm, gelegentlich zwillingslafettierte MG) doch etwas skurril, die Quellen sind allerdings glaubwürdig – die Beaverettes in Torquay hatten immerhin die Zwillings-Vickers-K. Gegen Tiefflieger waren diese Zwillings-MGs recht wirksam. Man testete auch den Einbau eines kraftgetriebenen Drehturmes mit vier Browning-Maschinengewehren, zur Serienreife kam diese Modifikation jedoch nie.

@Preston Isaac
Die in vielen Teilbereichen überarbeitete Beaverette Mk III konnte die Anforderungen der Truppe deutlich besser erfüllen als die erste Version Mk I.

Eine äußerst dramatische Aktion spielte sich auf dem Flugplatz von West Malling, Kent, ab. Dort landeten am 16. April 1943 irrtümlich zwei deutsche FW 190 Jagdbomber, die bei schlechten Sichtverhältnissen die breite Themsemündung von Norden überflogen, für den Ärmelkanal gehalten und den britischen Flugplatz für einen französischen gehalten hatten. Als die erste Focke-Wulf aus Treibstoffmangel in einem Feld niederging, hatte der Flughafenkommandant, der die Heimkehr von Bombern der Royal Air Force erwartete, die Flugfeldbeleuchtung einschalten lassen. Daraufhin war eine weitere FW 190 gelandet, deren Pilot von einer Beaverette-Besatzung (bestehend aus dem Bordschützen A/C Sharlock und Fahrer A/C Williams) gefangengenommen worden war. Kurz darauf landete eine weitere FW 190, deren Pilot beim Ausrollen seinen Irrtum erkannte, Vollgas gab und wieder starten wollte. Der Beaverette verfolgte das Flugzeug und Bordschütze Sharlock schoss mit seinem Zwillings-MG die Maschine in Brand. Deren Pilot, der dabei Verbrennungen erlitt, wurde gefangengenommen.

Insgesamt wurden von den Beaverettes aller Baureihen wie erwähnt rund 2.800 Stück gefertigt, die britischen Streitkräfte waren nicht der exklusive Nutzer. Auch polnische Exiltruppen, die ab 1940 in Großbritannien stationiert waren, verfügten über einige Beaverettes (von 1941 bis 1943), die USAAF (United States Army Air Force) übernahm eine ganze Reihe von Flugplätzen von der Royal Air Force und erbte auf diesem Weg ebenfalls ein paar Beaverettes.

Auch die kanadischen Streitkräfte in Großbritannien waren eine Zeitlang mit Beaverettes ausgerüstet,  m April 1941 hatten die 1st und die 2nd Canadian Division jeweils zwei Fahrzeuge. Auch das 7th Canadian Reconnaissance Regiment übernahm im November 1941 Beaverettes. Die „Prinses Irene Brigade” der niederländischen Exiltruppen verfügte zudem über mindestens einen Beaverette. Lange nachdem die Beaverettes nicht mehr in der Rolle als Panzerwagen eingesetzt wurden, dienten viele noch bei der Royal Air Force auf diversen Flugfeldern als Schlepper oder in anderen Funktionen. Mindestens ein Beaverette wurde als Rettungsfahrzeug (zum schnellen Heranführen von in schwere Schutzanzüge gekleideten Feuerwehrleuten an brennende Flugzeuge) genutzt.

Einige Beaverettes sollen 1944 mit den Sicherungseinheiten des Royal Air Force Regiments nach Frankreich gelangt sein, die meisten waren zu dieser Zeit bei der RAF allerdings längst durch Humber LRC oder Morris LRC ersetzt worden. Ein paar Beaverettes gelangten aber auf diesem Weg zur niederländischen Armee: von großen Materialsammellagern der britischen Truppen in den Niederlanden wurden einige Beaverettes in den Bestand der niederländischen Armee (Bestand im Jahre 1951: elf Stück) übernommen. Diese Fahrzeuge gehörten schon zu den Baureihen Mk III und Mk IV. Zu einem Einsatz bei aktiven niederländischen Truppenteilen kam es allerdings nie.

Nach Aussagen von ehemaligen Wehrmachtsangehörigen hatten die britischen Besatzungstruppen in Norddeutschland in den unmittelbaren Nachkriegsjahren einige Beaverettes.

Die Version Mk III (auch „Beaverbug” genannt) verfügte neben dem Drehturm auch über eine bessere Panzerung, hatte allerdings wie die Vorgänger keinen Allradantrieb (und wog 2,6 Tonnen). Der Radstand war verkürzt und eine wesentlich bessere Bereifung angebracht. Im Laufe des Kriegs wurden die im Heeresbestand befindlichen Fahrzeuge allmählich durch bessere Fahrzeugtypen ersetzt, und so konnten 30 Beaverettes (zehn Mk III und 20 Mk IV) im Jänner 1943 in die Republik Irland geliefert werden. Die Fahrzeuge waren gebraucht und kamen aus britischen Heeresbeständen, zum Teil waren sie in reparaturbedürftigem Zustand.

Der Großteil der Fahrzeuge (nämlich 14 Stück) lief bei der 4 Armoured Squadron des Cavalry Corps. 1943 löste diese Einheit die mit Bren-Carriern ausgestattete Cavalry Corps Carrier Squadron ab. Die anderen Beaverettes liefen bei verschiedenen Cavalry Corps Motor Squadrons zu. Nachdem die 4 Armoured Squadron bei Kriegsende aufgelöst worden war, wurden die Beaverettes auf die anderen Armoured Squadrons verteilt.

@Matt McNamara
Beaverette Scout Car der irischen Armee.

Anfang der 1950er-Jahre wurden sie zu Mk IV Scout Cars umgebaut: zwei wurden 1951 umgebaut, die restlichen 29 Fahrzeuge im Jahre 1953. Der Turm und der obere Teil der Panzerwanne wurden entfernt. In dieser Konfiguration blieben sie bis 1965 (!) im Armeedienst, obwohl sie als langsam, unzuverlässig, unbequem und schwer zu fahren galten. In der chronisch unterfinanzierten irischen Armee neigte man dazu, Fahrzeuge so lange in Dienst zu behalten, bis sie aus technischen Gründen unbrauchbar wurden, taktisch waren sie zumeist längst überholt. Man hatte aber eben nichts anderes, wie der Inspekteur der irischen Kavallerie (gemeint ist die Panzeraufklärungstruppe) 1965 resignierend vermerkte. Mit dem Zulauf von damals modernen AML 60-7CS aus Frankreich wurden die Beaverettes an private Händler verkauft. Einen erwarb in den 1970er-Jahren Preston Isaac, der ihn restaurierte und in eine frühere Konfiguration (Mk III) zurückbaute, in der dieser Beaverette auch tatsächlich 1942 bei der 5th  Division eingesetzt war. Ein Beaverette steht in der Sammlung des Imperial War Museum in Duxford, ein weiterer (Registrierungsnummer ZD 3319) im Curragh Museum der irischen Streitkräfte in der Nähe von Dublin (die irischen Streitkräfte besitzen noch einen weiteren Beaverette). Das Leger-Museum im niederländischen Delft hat einen Beaverette, ebenso die Militärfahrzeugsammlung A.S.P.H.M. im elsässischen Le Wantzenau.

In Neuseeland entstand der Beaverette (NZ), ein ähnliches Fahrzeug, auf der Basis eines Ford-LKW-Chassis (Antriebsformel 4×2). 1941 wurden zwei Prototypen gefertigt, 1942 produzierten die Hutt Workshops 207 Serienfahrzeuge. Als Panzerung wurden Stahlplatten genommen, die aus den Rümpfen zweier havarierter Schiffe gewonnen wurden. Die Beaverettes (NZ) gehörten zum Bestand der „Light Armoured Fighting Vehicle Regiments“ (zwölf per Regiment). Als aus diesen LAFV-Regiments (tatsächlich schwache Aufklärerbataillone) im Spätjahr 1942 dann Armoured Regiments sowie Recce Regiments wurden, waren immerhin bei den Recce Regiments noch neun Beaverettes per Regiment im Bestand. Später verwendete die Royal New Zealand Air Force die Beaverettes (NZ) zur Flugfeldverteidigung.

Eine gewissen Einfluss hatten die (britischen) Beaverettes in den unmittelbaren Jahren auf die Entwicklung der britischen Segelfliegerei. Die meisten Segelflugclubs hatten mindestens einen Beaverette, die aus Armee- oder RAF-Beständen äußerst günstig erworben worden waren (dabei waren die Preise, die zunächst verlangt worden waren, alles andere als günstig: 100 Pfund für einen gebrauchten Beaverette). Sie wurden als Rückholfahrzeuge auf den Segelflugplätzen und zum Ausziehen der Schleppseile benutzt. Schrittmacher dieser Entwicklung waren die 27 Air Cadet Gliding Schools in Großbritannien, die die obsoleten Beaverettes zugeteilt bekamen. Zumeist waren die Panzeraufbauten zum größten Teil entfernt worden. Eine kuriose Pointe stellt die Tatsache dar, dass bei den Air Cadet Gliding Schools auch von Flugschulen der Wehrmacht erbeutete deutsche Segelflugmuster eingesetzt wurden, etwa das Grunau Baby II.

Der Carrier, Fire Support, Full Track M113A1 (FS)

1947 bot die britische Regierung Fahrzeugbesitzern, die aufgrund deutscher Luftangriffe ihre Autos verloren hatten, Beaverettes als Kompensation an. Einige machten von dem Angebot Gebrauch und bauten die obsoleten Panzerwagen zu Pkw um.

Einige technische Daten
Länge: 4,11 Meter (Mk I), 3,10 Meter (Mk III)
Breite: 1,60 Meter (Mk I), 1,73 Meter (Mk III)
Höhe: 1,52 Meter (Mk I), 2,16 Meter (Mk III)

Noch eine abschließende Bemerkung: in dem britischen Spielfilm „The Silver Fleet”, dessen Handlung im deutsch-besetzten Holland nach 1940 spielt, dienen Beaverettes (Mk I oder Mk II) als Darsteller deutscher Panzerwagen.

Quelle@Archiv Seehase, Matt McNamara, War Office, Preston Isaac