Neben dem H-145M von Airbus Helicopters gilt der Bell 429 als weiterer Kandidat für die Nachfolge der Alouette III des Bundesheeres. Militär Aktuell-Autor Georg Mader hat mit Duncan van de Velde, Geschäftsführer von Bell-Helicopters für Europa und Russland, über die Vorteile und das Leistungsspektrum der Bell 429 gesprochen. Aber auch über rot-weißt-rote Firmenpartner und eine mögliche Endfertigung der Hubschrauber bei Heli-Austria in Bad Vöslau.

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Duncan van de Velde, Geschäftsführer von Bell-Helicopters für Europa und Russland.

Herr Van de Velde, beginnen wir mit einer allgemeinen Frage: Natürlich ist dies nicht das erste Mal, dass eines Eurer Muster an einer militärischen Beschaffung teilnimmt. In Bezug auf die Auswahl für Österreich, aber auch generell im Spektrum leichter Mehrzweckhubschrauber, gibt es eigentlich nur zivil entworfene Designs. Macht es einen großen Unterschied für Ihr Unternehmen, wenn es sich um militärisch ausgerüstete und bewaffnungsfähige Typen handelt?
Im vergangenen Monat feierte Bell seinen 85. Geburtstag und während all dieser Jahre haben wir immer revolutionäre Lösungen gefunden. Aktuell entfallen etwa 60 Prozent unseres Geschäfts auf das militärische Segment und wir haben über 50 Jahre Erfahrung in der Lieferung und Unterstützung von Hubschraubern mit militärischer Ausrüstung. Erinnern Sie sich an den ersten echten Kampfhubschrauber? Das war der Bell AH-1 Cobra für das US-Heer – soviel zur DNA einer militarisierten Lösung in unserem Unternehmen. Was unser Modell Bell 429 betrifft, so handelt es sich dabei um einen bewährten Mehrzweckhubschrauber, der jedes System in die Lufttüchtigkeitsanforderungen integrieren kann, um die Sicherheit österreichischer Soldaten und Bürger in Gegenwart oder Zukunft zu erhöhen. Dies unterliegt natürlich immer der Genehmigung der US-Regierung, denn für militarisierte Flugzeuge beziehungsweise Hubschrauber, die sich nicht in einer vollständig zivilen Konfiguration befinden, sind gesonderte Genehmigungen erforderlich. Zudem ist der Bell 429 sehr vielseitig und kann schnell neu konfiguriert werden, um für die nächste, ganz andere Mission bereit zu sein.

Bitte erzählen Sie uns mehr über die Bell 429 auf dem Weltmarkt, mit Schwerpunkt auf staatliche Betreiber, wie zum Beispiel der slowakischen Polizei oder den neuen Vertrag mit den australischen Spezialeinheiten (Militär Aktuell berichtete).
Heute fliegen mehr als 350 Bell 429 auf der Welt und viele dieser Hubschrauber werden in sogenannten Parapublic-, Militär-, HEMS und SAR-Missionen betrieben, vor allem in großen Höhen – also Umgebungen, die für bergiges Gelände wie Österreich relevant sind. In Europa kommen Bell 429 Hubschrauber für SAR-Einsätze von Air Zermatt in den Schweizer Alpen über Heliand in Andorra bis hin zu Air Transport Europe in der Hohen Tatra zum Einsatz. In ihrem Nachbarland macht der staatliche slowakische Regierungsflugdienst mit diesem Hubschrauber Unterstützung für die Polizei, Brandbekämpfung, Katastrophenschutz und Bergrettung. Dieser Kunde ist von der Leistung und Zuverlässigkeit des Hubschraubers begeistert, insbesondere für seine speziellen Missionsarten, einschließlich des Absetzens und Aufnehmens von taktischen Spezialeinheiten oder der Grenzpatrouille. Oder nennen wir die türkische Bundespolizei mit ihrer Flotte von 15 Bell 429 und einer eben gemeldeten Betriebsverfügbarkeitsrate von 95 Prozent. Oder die schwedische Bundespolizei, sie betreibt neun Stück. Und wie Sie richtig erwähnt haben, wurde kürzlich auch Babcock, einer der weltweit größten und erfahrensten Hubschrauberbetreiber, mit unserem Modell 429 für das Projekt „Land 2097” ausgewählt, um die Spezialeinheiten der australischen Verteidigungsstreitkräfte zu unterstützen. In Summe nutzen derzeit Betreiber in 22 Nationen einschließlich der USA den 429 für Missionen ähnlich jenen, welche die österreichischen Streitkräfte fordern beziehungsweise abfragen.

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Bell 429 sind heute bei zahlreichen Behördenkunden weltweit im Einsatz, seit 2017 gehören die Maschinen auch zur Militärflotte des Oman.

In unseren Tageszeitungen wurde kürzlich der Bell 429 simpel als der billigste unter den Konkurrenten bezeichnet, aber oft werden „nackte” Anschaffungskosten, direkte Wartungs- und Betriebskosten sowie die gesamten Lebenszykluskosten verwechselt und fälschlicherweise verglichen. Könnten Sie für uns dahingehend ein wenig Licht ins Dunkel bringen?
Gern. Die Meldungen bezogen sich auf die Zahlen der Luftfahrt-Ratingagentur Conklin & Dedecker, eine externe Quelle, die eigentlich den Standard in der Industrie setzt, wie Gesamtbetriebskosten eines Hubschraubers beziehungsweise Lebenszykluskosten zu berechnen sind. Die niedrigeren Lebenszykluskostendaten unseres Produkts im Vergleich zur Konkurrenz zeigen, dass zu den – aber auch zwischen den anderen – genannten Mustern ein erheblicher Kostenunterschied besteht. Wir sind der Ansicht, dass dies nicht ignoriert werden sollte und angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Situation, mit der wir alle derzeit konfrontiert sind, sollte das ein entscheidender Faktor sein. Diese Hubschrauber werden höchstwahrscheinlich 40 Jahre lang für die österreichische Regierung fliegen, daher muss der Aspekt der Lebensdauer-Gesamtkosten besonders beachtet werden. Es ist entscheidend, den gesamten Lebenszyklus eines Hubschraubers zu bewerten, und nicht nur seine Anschaffungskosten. Dazu möchte ich noch etwas ergänzen …

Bitte.
Für die gegenwärtige türkis-grüne Koalition haben Umweltfragen erhöhte Priorität – und hier ist ein Faktor, dass der Bell 429 rund 17 Prozent weniger Treibstoff verbraucht als die in den Medien als Favorit kolportierte Type. Übrigens: Zu den geringsten Lebenszykluskosten trägt bei, dass der Bell 429 der erste kommerzielle Hubschrauber ist, der nach der sogenannten „Maintenance Steering Group 3” zertifiziert wurde, eine Methode zur Verbesserung der Wartungseffizienz durch Eliminierung redundanter und ineffektiver Wartungsaufgaben. Diese und andere Bemühungen bleiben in der Fachwelt nicht unbemerkt, in der „Aviation International News Product Support Umfrage” wurden wir wieder zum Nummer eins Drehflügler-Hersteller gekürt, das „Vertical Magazine” zeichnete unseren außergewöhnlichen Kundenservice aus.

Wenn sie in Österreich auch nicht im Vordergrund steht, aber wie lange würde eine vollständige Militarisierung eines Bell 429 dauern? Und wo würde das passieren?
Bell selbst bietet keine vollständig militarisierte Lösung für die 429 an, arbeitet jedoch wie bei anderen Modellen mit Dritten zusammen. Wir müssen ja sicherstellen, dass wir die Missionsanforderungen des Kunden erfüllen. Basierend auf den Erfahrungen mit anderen Plattformen schätzen wir, dass dieser Prozess weniger als 24 Monate dauern wird. Falls Bell für diese Beschaffung ausgewählt wird und ein vollständiges militarisiertes Upgrade gefordert wird, würde die Qualifizierung und Lufttüchtigkeit der Spezialausrüstung in den USA erfolgen. Die Installation der militarisierten Systeme würde aber in Österreich erfolgen, im Einklang mit behördlichen Genehmigungen für die von den österreichischen Streitkräften ausgewählte oder beschaffte Ausrüstung. Unser Team ist bereit, das österreichische Verteidigungsministerium damit aber auch im viel unmittelbareren Bedarf bei Brandbekämpfung, Such- und Rettungseinsätzen sowie beim Truppentransport zu unterstützen. Das Wassertank-System unter der 429 kann beispielsweise – anders als mit einem „Bucket-Tank” als Hängelast – auch in der Nacht Feuer bekämpfen und ein solcher Tank ist auf mittleren Hubschraubern mit Räderfahrwerk nicht installierbar.

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Ein Blick ins Cockpit der Bell 429.

Dies bringt uns zu Ihren ausgewählten österreichischen Partnern: Wie werden diese in das beabsichtigte Government-to-Government-Geschäft integriert und durch die US-Behörden bestätigt?
Vom ersten Tag unserer Präsenz hier stand vom Auswahlausschuss des österreichischen Verteidigungsministeriums die Frage im Mittelpunkt: „Was ist Ihr lokaler Anteil und wie können Sie Österreich einen Mehrwert bringen?” Somit haben wir umgehend eine detaillierte Bewertung mehrerer Unternehmen durchgeführt.

Und wen hat Bell ausgewählt?
Air Ambulance Technologies (AAT), welche die medizinischen Geräte und den medizinischen Innenraum für die Hubschrauber bereitstellen wird. Das Besondere an unserer Beziehung zu AAT ist, dass wir eine Lizenzvereinbarung geschlossen haben, in der wir unser geistiges Eigentum an AAT übertragen konnten, um ein medizinisches Interieur zu entwickeln. AAT wird nun in der Lage sein, eigene Medevac-Ausrüstunglösungen zu entwickeln und zu vermarkten, die auch außerhalb Österreichs global weiter exportiert werden können. Das zweite Unternehmen ist die AMST-Systemtechnik GmbH, die den kompletten Simulator für die Ausbildung der Piloten stellt – wir waren sehr beeindruckt von ihren technischen Fähigkeiten und ihrem Fachwissen. Last, but not least, besteht unsere größte Partnerschaft mit der Heli-Austria GmbH. Wenn wir ausgewählt werden, werden die für Österreich bestimmten „429er” in den Anlagen von Heli-Austria endausgerüstet und fertiggestellt.

Die Endmontage würde also in Österreich erfolgen?
Genau. Der Arbeitsumfang würde den finalen Zusammenbau des Hubschraubers sowie die Installation von Anpassungsausrüstung und Spezialpaketen umfassen, welche von den österreichischen Streitkräften ausgewählt werden. Das nötige technische Wissen zur Durchführung der Arbeiten wird von uns an Heli-Austria übertragen, damit diese – ich erwähnte die vermutlich lange Nutzungsdauer in Österreich – künftige Aufwertungen und Modernisierungen installieren und langfristige Reparaturen sowie Überholungen an Hauptüberholungskomponenten durchführen können. Dies wäre überhaupt das erste Mal, dass ein Serien-Hubschrauber in Österreich fertiggestellt würde, kein Mitbewerber bietet das. Dieses weitreichende Angebot an industrieller Beteiligung von Bell und der US-Regierung wird gerade durch die österreichische Regierung ausgewertet. Es würde der österreichischen Gesellschaft finanziell zugutekommen, indem die für den Kauf der Hubschrauber verwendeten Mittel wieder in die Wirtschaft gepumpt würden.

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In der Slowakei werden Bell 429 zur Unterstützung der Polizei, zur Brandbekämpfung, im Katastrophenschutz und für Bergrettungsdienste eingesetzt.

Sie sind also davon überzeugt, dass eine solche Endausrüstung und -montage in Österreich bei Heli-Austria zertifiziert werden kann?
Ja, die Heli-Austria GmbH ist seit langem ein treuer Bell-Kunde. Das ist eine professionelle und erfahrene Organisation, die über alle anrechenbaren Zertifikate (Anm.: AOC, CAMO, Part-145, ATO & Design Organization) und Kenntnisse verfügt, um die Pflicht zur Fertigstellung von Flugzeugen zu erfüllen. Die Hubschrauberzellen beziehungsweise -kits würden mit einem Lufttüchtigkeitszeugnis aus unserer Bell-Fabrik in Kanada ankommen, in Bad Vöslau – also nahe Wiens – würde man die Hubschrauber zusammenbauen, Serviceflüge durchführen und dann die Anpassung sowie die spezielle Ausrüstung installieren. Die US-Regierung und Bell werden mit Heli-Austria zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass das Team ordnungsgemäß geschult wird und über alle neuen Zertifizierungen verfügt, die für die Lieferung eines fertigen Produkts an die österreichische Regierung erforderlich sind.

Was halten Sie von dem von der österreichischen Regierung geplanten Ankauf der Hubschrauber in Form eines Government-to-Government-Geschäfts?
Wir selbst haben aber schon eine längere Geschichte in der Zusammenarbeit mit der US-Regierung bei der Beschaffung auf Basis von Government-to-Government. Erst kürzlich hat die Tschechische Republik Bell-Hubschrauber nach demselben Verfahren gekauft (Anm.: acht UH-1Y und vier AH-1Z-Kampfhubschrauber). Das war ein großer Erfolg aller Beteiligten – unsere Europa-Zentrale in Prag ist ja auch „nebenan”. Der zugrundeliegende sogenannte Foreign Military Sales (FMS) Prozess ist weltweit gut bekannt und hat einen hervorragenden Ruf für eine offene und transparente Abwicklung, welche auch mögliche Compliance-Probleme beseitigt. Abschließend: Bell kann ein vertrauenswürdiger Partner für die österreichische Regierung sein, indem via US-Regierung ein offener und transparenter Prozess bereitgestellt und ein Angebot mit den niedrigsten Lebenszykluskosten und hohen lokalen Inhalte bereitgestellt wird, welches die österreichische Wirtschaft in den kommenden schwierigen Jahren messbar unterstützen wird.

Hier geht es zu weiteren Meldungen rund um Hubschrauber-Hersteller Bell.

Quelle@Bell-Helicopters
Der Autor ist einer der renommiertesten österreichischen Luftfahrtjournalisten, Korrespondent des britischen Jane’s Defence und schreibt seit vielen Jahren für Militär Aktuell.