Die deutsche Bundesregierung hat angesichts des russischen Angriffskrieges auf die Ukrainenach der kürzlich erfolgten Zustimmung zur Lieferung von Leopard 2-Kampfpanzer an Kiew – nun auch grünes Licht für die Ausfuhr von insgesamt 187 älteren Leopard 1-Panzer aus dem Firmenbestand von Rheinmetall (88 Fahrzeuge) und der Flensburger Fahrzeugbau Gesellschaft (FFG, 99 Fahrzeuge) gegeben.

Allerdings handelt es sich dabei im Moment „nur” um eine offizielle Ankündigung. Fragen beispielsweise zur Finanzierung der Instandsetzung der Fahrzeuge wie auch zur essentiellen Munitionsversorgung mit 105-Millimeter-Granaten sind noch nicht abschließend geklärt. Unklar ist zudem, ob am Ende nicht viele der ab 2003 ausgeschiedenen Fahrzeuge aus den 1970er- und 1980er-Jahren lediglich als Ersatzteillager genutzt werden können. Ein Teil der Panzer – angeblich 29 Stück – werde laut deutschen Medien und NYT angeblich bereits im Sommer geliefert, der Großteil jedoch erst 2024.

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Für die militärische Abwehr der von der Ukraine erwarteten russischen Frühjahrsoffensive kommen somit beide Modelle (unter Einrechnung von Überholung, Transport und Ausbildung) wahrscheinlich zu spät. Zudem hat Rheinmetall CEO Armin Pappberger vor einigen Wochen erklärt, dass man die geschätzt 100 Millionen Euro für die Instandsetzung der 88 Leopard 1 rein firmenseitig nicht aufbringen könne – oder wolle?

@Belgian Army Land Component
Mit den nun von Deutschland freigegebenen Leopard 1-Panzern könnte die Ukraine ihre Panzerflotte deutlich aufstocken – allerdings ist mit einer Überstellung mehrheitlich wohl erst im Jahr 2024 zu rechnen.

Angelpunkt Munition
Die zuvor bereits erwähnte Munition für die 105-Millimeter-Glattrohrkanone des Leopard 1 scheint aktuell die größte Hürde darzustellen. In der Ukraine wird sie nicht hergestellt, ein möglicher Lieferant wäre aber die Schweiz. Dabei stellt allerdings Berns strikte Neutralitätspolitik – wie schon bei der 35-Millimeter-Munition für den Flak-Panzer Gepard – ein Hindernis dar, obwohl diesbezüglich neulich das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) Bewegung erkennen ließ. Auch Brasilien stellt die benötigte Munition her (und hat auch Bestände für den Gepard), die dortige Regierung hat eine Lieferung wegen ihrer engen BRIC-Beziehungen zu Russland aber abgelehnt. Daran hat auch ein Besuch des deutschen Bundeskanzlers Olaf Scholf vor wenigen Tagen nichts geändert. In der Zwischenzeit erklärte der neue deutsche Verteidigungsminister Boris Pastorius, dass man sich mit Katar über eine mögliche Rückübernahme der vor der Fußball-WM an das Emirat gelieferten Gepard-Flakpanzer (wohl samt Grundausstattung an Munition) unterhalte und die Fahrzeuge stattdessen in die Ukraine gehen könnten.

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Gehen auch alte österreichische Sk105A-2 Kürassier an die Ukraine?
Mit Blick auf die Lieferung weiterer Leopard 1-Panzer haben Redakteure von Army Recognition am 6. Februar auch beim belgischen Waffenhändler Freddy Versluys angerufen. Dessen Firma OIP Land-Systems (zuvor Sabiex International S.A.) hat in einer großen Halle in der wallonischen Stadt Tournai die wahrscheinlich größte private Panzersammlung Europas eingelagert – darunter auch viele Leopard 1 und M113 Schützenpanzer, die Versluys via Verkauf an Großbritannien bereits in Richtung Ukraine abgegeben hat.

@Georg Mader
In Österreich erfreuten sich die Kürassier-Panzer früher großer Beliebtheit – ab 2012 wurde die Flotte allerdings stillgelegt und verkauft.

In der gleichen Halle stehen auch 112 Stück ex-österreichische SK-105A-2 Kürassier Jagdpanzer, manche noch mit KFOR-Beschriftung. Ab 2012 unter Verteidigungsminister Norbert Darabos – damals wurden zwei Drittel des schweren Geräts des Bundesheeres verschrottet oder verkauft – funktionstüchtig ausgeschieden, gingen sie 2013 an Sabiex. Im Jahr darauf hat die belgische Duma Engineering Group von General Dynamics European Land Systems dann auch alle Produktions- und Unterstützungsleistungen dafür (für Betreiber wie beispielsweise Marokko oder Tunesien) übertragen erhalten. Das ganze Gespräch ist hier nachzulesen.

@OIP
Noch stehen sie in Reih und Glied – möglicherweise könnten die früheren österreichischen Kürassier-Panzer aber schon bald aus Belgien in die Ukraine übersiedeln.

Die Rache des Journalisten ist das Archiv
… sagte einst ORF-Anchorman Robert Hochner. Standard-Bundesheer-Redakteur Conrad Seidl schrieb am 24. November 2011 rund um den damals geplanten Kürassier-Verkauf: „Einige der Panzer dürften übrigens an zivile Unternehmen verkauft werden, die die Panzertürme ausbauen und aus den Wannen mitsamt den guterhaltenen Motoren Brückenlegegerät und Kräne bauen können: Schwerter zu Pflugscharen …” Und Bundespräsident Alexander van der Bellen gab erst neulich in Kiew zu Wort: „Wir in Österreich müssen gestehen, unsere Armee nach zehn Jahren finanzieller Aushungerung so vernachlässigt zu haben, dass ich nicht wüsste, welche Waffen wir liefern könnten. Allerdings werden wir nichts unternehmen, um andere bei Waffenlieferungen zu behindern.” Da sieht nach Luft für noch leidenschaftliche Debatten aus, auch wenn reißerische Texte wie „Waffen für Kiew: Jetzt landen 112 österreichische Panzer in der Ukraine” von der Boulevardplattform Expresse vorderhand völlig substanzlos sind. „Noch”, wie Versluys diesbezüglich meinte.

Quelle@WTD-41-Trier, OIP, Belgian Army Land Component, Georg Mader