Im Zuge der heimischen Helikopterbeschaffung sind in den Medien bisweilen die Kategorie-Bestimmungen durcheinandergeraten. Der von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner ausgewälte, knapp fünf Tonnen schwere AW169 von Leonardo (Militär Aktuell berichtete) wurde vielfach fälschlicherweise als „schwerer Mehrzweckhubschrauber” bezeichnet.

Auf einen wirklich schweren Mehrzweckhubschrauber hat es die deutsche Bundeswehr abgesehen, die sich als Nachfolger ihrer CH-53G einen Typen mit einer Transportkapazität von zehn Tonnen Innenlast oder mindestens 30 Soldaten mit je 115 Kilogramm oder zehn Tonnen Ladung als Außenlast und bis zu acht Tonnen Innenlast über eine Entfernung von 230 Kilometer wünscht. Und das mit einer Mindestreisegeschwindigkeit von 220 km/h, bei einem maximalen Abfluggewicht von mehr als 20 Tonnen, mit MG-Bewaffnung, Selbstschutz und vielem mehr.

@Georg Mader
Einer der beiden Kandidaten ist der CH-53K von Sikorsky.

Diese ambitionierten Anforderungen konnten nur zwei Hersteller und ihre deutschen Bewerbergemeinschaften erfüllen, jene um den Sikorsky CH-53K (dem letzten Spross der dreistrahligen „Super Jolly Green Giant”- beziehungsweise „Pave Low”-Familie aus den 1960er- und 1980er-Jahren) und um den jüngsten Boeing CH-47F mit Tandemrotor. Zwischen 44 und 60 Stück hätten bis 2030 in Laupheim und Holzdorf die seit 1972 von damals 112 Stück verbliebenen CH-53G/GA/GS und GE ersetzen sollen. Daraus wird nun allerdings nichts.

Das Beschaffungsamt der Bundeswehr (BAAINBw) hat nämlich gestern das Verfahren vorerst abgebrochen. Es sei erkannt worden, dass „eine Realisierung des Projektes im geplanten Finanzrahmen bei gleichzeitiger Erfüllung aller Forderungen unwahrscheinlich ist”, so die Begründung. Die vorgelegten Angebote seien als unwirtschaftlich bewertet worden, das Vergabeverfahren wurde daher „aufgehoben”, weshalb ein Vertragsabschluss im Jahr 2021 – wie ursprünglich geplant – nicht mehr erreichbar ist. Ziel ist es zwar weiterhin das bisherige Muster CH-53G zeitgerecht zu ersetzen. Das Projekt wird allerdings nun mit „veränderten Vorgaben” fortgesetzt, über das weitere Vorgehen soll bis Ende des Jahres entschieden werden.

@Georg Mader
Der andere Kandidat ist der Boeing CH-47F mit Tandemrotor.

Schwere Transporthubschrauber sind schon jetzt und werden auch in Zukunft für Einsätze des deutschen Militärs von zentraler Bedeutung sein. Das gilt für die Landes- und Bündnisverteidigung, aber auch Auslandseinsätze oder den Einsatz von Spezialkräften. So waren die GE-Modelle extra für den Einsatz in Afghanistan modifiziert worden. Erst im Februar 2019 wurde nach einiger Verzögerung die offizielle Ausschreibung für den schweren Transporthubschrauber der Luftwaffe durch das BAAINBw herausgegeben – Drehflügler-Legende Sergej Sikorsky hatte diese schon auf der ILA 2018 im Gespräch mit Militär Aktuell unmittelbar erwartet. Zuvor waren dafür allerdings keine Gelder im Haushalt 2019 eingestellt gewesen, erst im November wurden dann dafür doch noch 5,6 Milliarden Euro bis 2031 „reserviert”.

@Georg Mader
Militär Aktuell-Autor Georg Mader gemeinsam mit Sergej Sikorsky auf der ILA 2018.

Tatsächlicher Grund für die Verschiebung dürfte die für 2021 erwartete höchste Neuverschuldung Deutschlands seit Existenz der BRD sein. Zudem hätten sich beide Hersteller die Beteiligung deutscher Unternehmen (wie MTU-Engines, Rheinmetall, Autoflug, Hensoldt oder Liebherr) auch bezahlen lassen. Die Zusatzforderungen seitens der Bundeswehr-Beschaffer, wie langjährige Wartungsverträge mit Fixpreisen sowie diverse Nachweise (Details dazu in diesem Artikel) taten da wohl ihr Übriges.

Während die Partei Die Linke frohlockt, dass „teures militärisches Spielzeug nicht angeschafft wird, zumal Deutschland von keinem Staat bedroht wird”, kommen von Seiten der deutschen Grünen via Tobias Lindner staatsmännischere Worte: „Das Ende für den schweren Transporthubschrauber ist ein bitteres Zeichen für die Truppe. Es ist unklar, wie die Soldaten ihre Aufgaben ohne neue Hubschrauber erfüllen sollen. Die Einsatzbereitschaft wird sich weiter verschlechtern, der Weiterbetrieb von überalterten Systemen ist ansteigend zeitaufwändiger und sehr teuer. Das Ministerium ist völlig blauäugig an das Beschaffungsvorhaben herangegangen. Kramp-Karrenbauer hat keinen Plan-B, eine neue Ausschreibung alleine löst keine Probleme.” Und laut dem FDP-Obmann im Bundestags-Verteidigungssauschuss, Alexander Müller, „zeigt der Vergabe-Stopp für den dringend benötigten Hubschrauber erneut, dass die Prozesse des Verteidigungsministeriums generell überarbeitet werden müssen. Wenn wir unser Gerät ohne ‚rote Schleifchen’ bestellen, also entweder von der Stange oder in der Konfiguration, wie sie andere Nato-Partner abnehmen, dann erhielten wir unser Material schneller und günstiger.”

Quelle@Georg Mader, Boeing