In Teil 1 unserer Serie zur Burgenlandeinsatz des Bundesheeres 1921/22 aus Sicht des Alpenjägerregiments Nr. 9 ging es um die Alarmierung (siehe hier) und in Teil 2 um die Verlegung der Truppen an das niederösterreichisch-burgenländische sowie steirisch-burgenländische Grenzgebiet. Im dritten Teil berichteten wir über den Unfall von Pinggau und die Einsätze im November. Im vierten – und letzten – Teil geht es nun um den Einmarsch ins Burgenland und den erneuten Grenzschutz.

Unmittelbar nach den tragischen Ereignissen rund um den Unfall von Pinggau, begannen bereits die Vorbereitungen für den Einmarsch des Bundesheeres in das Burgenland. Der Einmarsch verlief in zwei Phasen, wobei zuerst der nördliche Teil des Burgenlandes befreit wurde (13. bis 17. November) und im Anschluss daran, der südliche Teil, an dem auch die 5. Brigade Steiermark beteiligt war.

Für die 5. Brigade begann der Einmarsch am 25. November 1921 um 10.00 Uhr. Aus dem Raum Neudau erreichte die Vormarschgruppe Oberst Medicus (Regimentskommandant AJR Nr. 9) nach ungefähr einer Stunde Stegersbach, wo sie von der Bevölkerung mit Begeisterung empfangen wurde. Mit dieser Gruppe marschierten auch Gendarmen ein, welche die zivile Verwaltung übernahmen.

Die Vormarschgruppe Oberst Medicus war wie folgt gegliedert: Dragonerhalbschwadron Nr. 5 – Pionierzug – 1 Kompanie AJR Nr. 9 – Garnisonsmusik – 1 Kompanie AJR Nr. 9 – MG Kompanie AJR Nr. 9 – Gebirgskanonenbatterie der Brigadeartillerieabteilung Nr. 5 – 1 ½ Kompanien AJR Nr. 9 – Gendarmerieabteilung – Train – Regimentskommando – ½ Kompanie AJR Nr. 9 als Nachhut.

Am darauffolgenden Tag erreichte die Gruppe den Raum Puszta-St. Michael, ohne auf Freischärler getroffen zu sein. Die Bewohner der jeweiligen Orte empfingen die Bundesheertruppen sehr freundlich. Es wurden Triumphbögen errichtet, welche den herzlichen Empfang der Zivilbevölkerung ausdrückten.

@Das Schützenregiment Graz Nr. 3
Der Einmarsch in das südliche Burgenland durch die Truppen des Bundesheeres.

Noch am 26. November befahl das 5. Brigadekommando aufgrund der widrigen Wetterverhältnisse, den Vormarsch am 27. November einzustellen. Die Gruppe Oberst Medicus hatte die erreichten Räume zu halten und dort zu übernachten.

Das Grazer Tagblatt berichtet über den freudigen Empfang der steirischen Truppen:

„Der Vormarsch der Brigade, der von Burgau aus vonstatten ging, ist bisher ohne Widerstand verlaufen. In den Ortschaften Stegersbach, St. Michael war der Empfang seitens der Bevölkerung sehr freudig.”

Am 28. November musste der gesamte Vormarsch erneut wegen starken Schneefalls eingestellt werden. Die ungepflasterten Straßen verwandelten sich in unüberwindbaren Morast, der die Lastkraftwagen in Schnee und Matsch versinken ließ und auch den Pferdefuhrwerken einen Vormarsch unmöglich machte. Um die Versorgung der Truppen nicht zu gefährden, befahlen die vorgesetzten Stellen diesen weiteren Rasttag.

Erst am 29. November besserte sich das Wetter und die Truppen setzten ihren Vormarsch fort. Das Endziel Güssing – Strem im Südburgenland wurde um 14.00 Uhr unter dem Jubel der ansässigen Bevölkerung erreicht.

Militärische Aktivitäten an der neuen Staatsgrenze
Nach Vollendung der Landnahme, begann erneut der Grenzschutz, diesmal an der neuen Staatsgrenze. Für die Truppe galt es nun, gemeinsam mit der Gendarmerie, die Pazifizierung des Burgenlandes durchzuführen. Es galt die Wälder zu durchstreifen, um mögliche Freischärler zu bekämpfen, aber auch die Zivilbevölkerung im Burgenland weitgehend zu entwaffnen. Darüber hinaus musste die Gruppe Medicus dafür sorgen, dass der Versorgungsweg von Burgau nach Güssing jederzeit schneefrei war, um den Nachschub problemlos zu den Truppen bringen zu können. Diejenigen Soldaten, die an keiner dieser angesprochenen Tätigkeiten mitwirkten, hatten in den Unterkünften Bereitschaftsdienst. Auch die militärische Ausbildung kam in jenen Tagen nicht zu kurz und es wurden Alarmübungen und Vollzähligkeitsappelle abgehalten.

Kein weihnachtliches Happy End für die USS New York

Am 23. Dezember 1921 fand an der neuen Staatsgrenze ein kurzer Schusswechsel zwischen den Soldaten des AJR Nr. 9 und Freischärlern statt. Eine ungarische Patrouille marschierte aus dem ungarischen Ort Nagysaroslak kommend auf Moschendorf zu und wurde von der Feldwache des Bundesheeres durch Schüsse vertrieben. Die Ungarn erwiderten auf dem Rückweg das Feuer und gaben ebenfalls mehrere Schüsse ab. Es handelte sich hierbei um die letzte Freischärleraktivität in welche Soldaten des AJR Nr. 9 involviert waren.

Normalisierung der Lage im Grenzgebiet
Die Lage im Burgenland normalisierte sich zunehmend, einerseits für die Soldaten des Bundesheeres, jedoch auch für die Zivilbevölkerung. Ein Zeichen hierfür war die Errichtung einer Eisenbahnlinie zwischen Fehring und Mogersdorf im Pendelverkehr Anfang des Monats Dezember. Auch eine Postbuslinie zwischen Güssing und Burgau wurde eingerichtet. Damit konnte nicht nur die zivile, sondern auch die militärische Versorgung besser gewährleistet werden.

Die Truppen der 5. Brigade hatten im Burgenlandeinsatz nicht nur die militärischen Vorstöße der Freischärler abgewiesen, sondern auch eine Unzahl von gemeinnützigen Arbeiten erfüllt, wie die Herrichtung von Straßen und die Instandsetzung von Brücken. Darüber hinaus wurden Telefon- und Telegrafenleitungen instandgesetzt und neu gebaut. So wurde die Straßenverbindung zwischen Burgau und Stegersbach vom Pionierzug des AJR Nr. 9 gemeinsam mit Teilen des Pionierbataillons Nr. 5 durchgeführt. Diese gemeinnützigen Arbeiten in Verbindung mit dem militärischen Grenzschutz zeigten das Bundesheer in einem sehr positiven Bild und wurden von der burgenländischen Bevölkerung sehr geschätzt.

Rückkehr aus dem Burgenland in die ständigen Garnison Strass
Bereits im Februar 1922 begann der Abbau der Bundesheerformationen im Burgenland und die Verbände kehrten schrittweise in ihre ständigen Garnisonen zurück, so auch das Schwesterregiment AJR Nr. 10, welches die Truppen des AJR Nr. 9 Anfang April wieder im Grenzschutzdienst ablösten.

Am 6. April 1922 erreicht die Burgenlandformationen aus Straß wieder ihre Heimatgarnison. Das Halbbataillon unter dem Kommando von Oberstleutnant Weiss wurde am Bahnhof von Spielfeld von Bataillonskommandant Oberst Wilhelm Wraschtil feierlich begrüßt. Nicht nur eine Ehrenkompanie des Strasser Bataillons, sondern auch Vertreter der lokalen Behörden waren anwesend. Natürlich durften auch die zu dieser Zeit politisch und gesellschaftlich einflussreichen Heimkehrverbände nicht fehlen.

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Die Truppen des Bundesheeres im südlichen Burgenland und der Grenzschutz an der neuen Staatsgrenze.

Nach dem Empfang geleitete die Heimkehrermusik die Soldaten in die Kaserne nach Straß. Das Neue Grazer Tagblatt beschreibt die Heimkehr in einem Bericht am 9. April 1922 folgendermaßen:

„Beim Kriegerdenkmal erwarteten das Halbbataillon der Gemeinderat, die Schulbehörden usw. Die Bewohnerschaft schmückte die Soldaten mit Veilchensträuschen. Bürgermeister Stift begrüßte im Namen der Gemeinde, gab seiner Freude darüber Ausdruck, daß die Wehrmänner von Straß sich den besonderen Dank der Burgenländer erworben haben und schloß mit einem Heil auf die Wehrmacht.”

Fazit
Damit endete der Burgenlandeinsatz für das AJR Nr. 9. Nach mehr als sieben Monaten im Grenzschutzdienst hat das Bundesheer bewiesen, dass es trotz aller Widrigkeiten erfolgreich die geforderte Leistung erbringen kann. Für das AJR Nr. 9 war der Burgenlandeinsatz mit den elf Toten von Pinggau jedoch teuer erkauft worden.

Der Autor bedankt sich auf diesem Weg bei Oberst Martin Senekowitsch sowie Oberst Jörg Aschenbrenner für die kameradschaftliche Überlassung von Materialien, welche die Erstellung dieser Artikelserie erleichterten.

Hier geht es zum ersten Teil unserer Serie, in dem es um die Alarmierung des Bundesheeres geht und hier zum zweiten Teil rund um die Verlegung der Truppen an das niederösterreichisch-burgenländische sowie steirisch-burgenländische Grenzgebiet. Im dritten Teil berichteten wir über den Unfall von Pinggau und die Einsätze im November.

Quelle@Garnison Strass, Das Schützenregiment Graz Nr. 3