Die auf Bremsanlagen spezialisierte deutsche Firma „Knorr-Bremse” hatte nichts damit zu tun, trotzdem erlangte ein unter dem Firmennamen bekanntes leichtes Maschinengewehr in Skandinavien und Deutschland einen gewissen Ruhm. Es kam trotz gravierender technischer Defizite sogar bei der SS zum Einsatz.

„Wir brauchen Waffen”, sagte weiland der schwedische Verteidigungsminister Per Edvin Sköld. Damit lag er richtig, denn das nordische Land hatte viele Infanteriewaffen (und nicht nur die) an das durch die Sowjetunion überfallene Nachbarland Finnland geliefert. Schweden hatte in den letzten Vorkriegsjahren seine reguläre Armee von vier auf sechs Divisionen verstärkt und man diskutierte nervtötend lange über die Aufstellung einer Heimwehr. Die deutsche Besetzung Dänemarks und Norwegens beschleunigte die Diskussion und am 29. Mai 1940 wurde die Heimwehr (Hemvärnet auf Schwedisch) durch Parlamentsbeschluss ins Leben gerufen.

Das bedeutete: Für 100.000 Mann mussten nun Waffen her. Der Bedarf der Heimwehr lag allein bei den leichten Maschinengewehren bei 8.000 Stück. Die Monatsproduktion beim staatlichen  Rüstungsbetrieb „Carl Gustafs Stads Gevärsfaktori” betrug allerdings nur rund 400 Stück des sehr brauchbaren, aber fertigungsaufwendigen Kulsprutegevär m/37. Bis Anfang Oktober 1940 hatte man 1.726 Exemplare dieser Lizenzversion des Browning Automatic Rifle (BAR) gefertigt und es lagen noch Aufträge für 4.984 weitere vor. Bei gleichbleibendem Tempo wäre der Betrieb also noch mindestens ein Jahr ausgelastet – und die Heimwehr hätte immer noch nicht genug Waffen. 1939 hatte man noch 5.000 LMG des tschechischen Typs ZB-26 erworben. Diese in Schweden als Kulsprutegevär m/39 eingeführte Waffe war sehr gut, brachte aber den Nachteil mit sich, dass sie Munition im Kaliber 8 x 57 verschoss.

Aber da gab es ja noch die Firma Svenska Automat Vapen, geleitet von Major Torsten Lindfors. Und dieser Offizier war Mitentwickler einer ziemlich obskuren Waffe. Selten stehen bei einer Militärwaffe tatsächliche Bedeutung und die um sie rankenden Mythen in einem so großen Missverhältnis wie bei dem leichten Maschinengewehr „Knorr-Bremse”. Unter diesem Namen taucht der Waffentyp in der Literatur häufig auf, obwohl er nicht einmal bei dieser auf Bremsanlagen spezialisierten deutschen Firma gefertigt wurde.

Am 22. November 1933 erhielt eine Gruppe von Ingenieuren ein schwedisches Patent für ein LH 33 genanntes leichtes Maschinengewehr. Einer dieser Ingenieure war der schon erwähnte Artillerieoffizier Lindfors, ein anderer hieß Ivar Joseph Stack, ebenfalls von der Artillerie. Dem schwedischen Patent folgten noch etliche weitere in anderen Staaten. Die meisten wurden gehalten von Ivar Joseph Stack, Vartavagen 18, Stockholm, und Axel Torsten Lindfors, Grevturegatan 5, ebenfalls Stockholm. Nur beim amerikanischen und dem kanadischen Patent taucht als Patenthalter ein Hans Lauf, ebenfalls wohnhaft in Stockholm.

@Archiv Seehase
Norwegische Exiltruppen in Schweden mit leichtem Granatwerfer und leichtem Maschinengewehr „Knorr-Bremse”.

Nun war Hans Lauf einer der Direktoren der Magdeburger Werkzeugmaschinenfabrik AG. Er war aber nicht nur Kaufmann, sondern auch talentierter Erfinder, der schon mehrere Patente hielt. Im Jahre 1923 kaufte er die in argen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindliche Schweizerische Werkzeugmaschinenfabrik Oerlikon bei Zürich. Lauf schickte seinen Angestellten Emil Georg Bührle als Prokurist zu Oerlikon. Bührle war von 1914 bis 1919 Kavallerieoffizier gewesen und hatte dann bei der Magdeburger Werkzeugmaschinenfabrik ein Auskommen gefunden. 1924 kaufte das Unternehmen auf Bührles Anraten die nahegelegene insolvente Maschinenfabrik Seebach hinzu und erlangte damit die Patente für eine 20-Millimeter-Kanone.

Hiermit begann der Aufstieg von Oerlikon zum Rüstungsbetrieb von Weltrang. Vorerst aber war der Betrieb ein Ableger des deutschen Unternehmens. Und Lauf schloss im selben Jahr ein diskretes Übereinkommen mit dem Reichswehrministerium, das seine Waffenentwicklungen im Ausland finanzierte. Nach Schweizer Dokumenten lagerte Lauf die Waffenentwicklung in den Seebacher Betrieb aus. Hier entstand um 1929 oder 1930 wohl ein LH 30 genannter MG-Prototyp. Zu dieser Zeit hatte Bührle schon mit der Hilfe seines zahlungskräftigen Schwiegervaters Aktien des von ihm geleiteten Unternehmens gekauft. Eine Notiz von General Georg Thomas, Stabschef des Heereswaffenamtes im Reichswehrministerium vom Dezember 1930 besagt, dass Lauf seine Verpflichtungen hinsichtlich einer Waffenentwicklung erfüllt habe.

Der nahm 1933 Kontakt zu dem beim schwedischen Patentamt angestellten Ivar Stack auf, sei es, weil Oerlikon unter dem immer selbständiger agierenden Bührle zu unbequem wurde, sei es, weil Lauf in Schweden bessere Bedingungen (= Geheimhaltung) erhoffte. Das LH 33 wurde jedenfalls patentiert und der agile Lindfors versuchte, die im schwedischen Armeekaliber 6,5 x 55 gehaltene Waffe im Ausland zu verkaufen. In Großbritannien wurde die in aufwendiger Handarbeit gefertigte Waffe als „Lindfors Gun” bekannt. Ärgerlicherweise zeigte die schwedische Armee kein Interesse. Man besaß nämlich bereits ein leichtes MG.

1921 hatte man sich auf Empfehlung des Inspekteurs der Infanterie für die Anschaffung des amerikanischen LMG vom Typ Browning Automatic Rifle entschieden. Die ersten 500 Stück bezog man direkt aus den Vereinigten Staaten, dann produzierte die Carl Gustafs Stads Gevärsfaktori noch 7.271 weitere, die mit einem Pistolengriff ausgestattet waren. In der schwedischen Armee wurde die Waffe als Kg m/21 geführt (Kg steht für Kulsprutegevär). 1935 kaufte das schwedische Beschaffungsamt KATF 40 leichte Maschinengewehre Colt-Browning fm/35 bei der Fabrique Nationale d’Armes de Guerre (FN) im belgischen Herstal. Das war eine Weiterentwicklung des BAR mit Laufwechseleinrichtung. Die Waffe wurde als Kg m/37 bei der schwedischen Armee eingeführt und auch in Schweden gefertigt.

Rolls Royce Armoured Car nach wie vor im Dienst

Beide Waffentypen waren qualitativ gut. Wenn auch die schwedischen Ableger des erprobten BAR für ein LMG etwas schwer und auch aufwendig zu fertigen waren, es gab in den 1930er-Jahren keinen überzeugenden Grund, sie abzulösen. An einem weiteren leichten Maschinengewehr bestand also im nordischen Königreich kein Interesse. Auch die Norweger sahen von einer Einführung des LH 33 ab. Angeblich demonstrierte Hans Lauf selbst die Waffe vor hochrangigen Persönlichkeiten, darunter auch dem norwegischen König Håkon VII., es kam trotzdem zu keinem Geschäftsabschluss.

In Deutschland allerdings begann man sich für die Waffenentwicklungen des Hans Lauf zu interessieren. 1935 kündigte man den Versailler Vertrag auf und begann mit dem Aufbau der Wehrmacht, was eine Unmenge an Infanteriewaffen erforderte. Im selben Jahr wurde die Magdeburger Werkzeugmaschinenfabrik an die Junkers Flugzeug- und Motorwerke verkauft. Hans Lauf ging nach Berlin-Lichtenberg, um eine führende Position bei der Knorr-Bremse AG einzunehmen. Eine auf seinen früheren Entwicklungen LH 30 und LH 33 basierende Weiterentwicklung, das LH 35, wurde mit der Firma Knorr-Bremse als Antragsteller patentiert. 1936 modifizierte Lauf das LMG. Die Wehrmacht prüfte die nun offiziell als MG 35/36 bezeichnete Waffe, entschied sich aber ohne großes Zögern für das weit überlegene MG 34.

Eine der Gründe war die recht niedrige Kadenz des MG 35/36, nur 480 Schuss pro Minute, und das nur theoretisch, denn das MG 35/36 hatte Magazinzuführung. Warum 1939 ein Auftrag an die Waffenfabrik Steyr zur Produktion von 500 Exemplaren des MG 35/36 in deutschen Standardkaliber 8 x 57 ging, ist nicht ganz klar. Offenbar umging Lauf die negative Einschätzung seiner Entwicklung durch das Heereswaffenamt, indem er die Zuständigen bei der SS dazu brachte, eine Stückzahl zur Bewaffnung verschiedener Formationen der SS zu ordern. Trotz der von Wendelin Przykalla, einem Angestellten Laufs bei Knorr-Bremse, vorgenommenen Verbesserungen an der Waffe blieb diese gegenüber dem MG 34 technisch unterlegen. Ausgerüstet mit dem MG 35/36 waren diverse Einheiten der SS, Bilddokumente belegen den Einsatz bei der SS-Division „Totenkopf”. Bis Anfang 1940 hatten auch die Dienststellen der Wehrmacht keinerlei Unterstützung bei der Ausrüstung dieser Division geleistet, was für eine Einführung der MG 35/36 spricht. In einem der Einsatzräume der „Totenkopf”-Division des Jahres 1941 (Lettland) gab es vor wenigen Jahren einen Bodenfund in der Form eines MG 35/36.

@Archiv SeehaseAlle im Deutschen Reich gefertigten Waffen hatten das deutsche Armeekaliber, dass es Maschinengewehre MG 35/36 in 6,5 x 55 mit SS-Stempeln gäbe, ist ein Mythos. In Wirklichkeit handelt es sich dabei um in Schweden gefertigte Waffen. Eine gewisse Zahl von denen trägt den Stempel „SS”, das ist aber der Abnahmestempel von Hauptmann Sten Waldemar Stenmo, Inspektor des schwedischen Zeugamtes vom 1. Oktober 1942 bis zum 31. März 1946. In Schweden wurden nämlich auch auf dem LH 33 basierende LMG gefertigt.

In der Tat hatte Torsten Lindfors dem Zeugamt ein mit LH 40 bezeichnetes leichtes Maschinengewehr schmackhaft gemacht. Entweder war das eine Weiterentwicklung des erfolglosen LH 33, oder der gewiefte Lindfors hatte sich einfach eine neue Bezeichnung ausgedacht, um die Waffe moderner erscheinen zu lassen, als sie wirklich war. Das neue Maschinengewehr war leichter zu fertigen als das Kg m/37. Das war angesichts des Waffenmangels schon ein Argument. Außerdem fertigte die Carl Gustafs Stads Gevärsfaktori im Monat mehr Gewehrläufe (in hoher Qualität), als sie bei der eigenen Produktion an Gewehren und Maschinengewehren benötigte.

Am 21. Juni 1940 gründete eine Reihe schwedischer Industrieller die Aktiengesellschaft „Emge”. Mit dabei war Torsten Lindfors, nun Major. Nur eine Woche später erhielt Emge den Auftrag, von Jänner bis Mai 1941 pro Monat 500 Maschinengewehre des Typs LH 40 zu liefern, also 2.500 Stück insgesamt. Weniger (die Waffe war schließlich unerprobt) ging nicht, denn Emge musste ja eigens eine Produktionslinie aufbauen. Pro Waffe zahlte der Staat 1.002 Kronen und 24 Öre. Emge wurde kurze Zeit später in „Industri AB Svenska Automatvapen” (SAV) umbenannt. Heute ist nicht mehr viel über die Firma bekannt, es ist nicht einmal klar, wo produziert wurde.

Im Dezember 1940 sollten Feldversuche mit dem nun offiziell Kulsprutegevär m/40 genannten LMG stattfinden, rund ein Dutzend handgefertigte Kg m/40 sollten dafür von SAV bereitgestellt werden. Bis Ende Jänner 1941 wollte man 300 massengefertigte LMG produziert haben. Dann, Ende Jänner 1941, gingen die Vergleichstests beim Infanterieregiment 35 zwischen dem Kg m/40 und dem Kg m/37 los, nur zwei Wochen später unterbrach man die Tests. Die Kg m/40 schlugen sich so schlecht, dass man 100 Stück an SAV zur Überarbeitung zurückschickte. Weitere Versuche ergaben gravierende Schwächen beim Kg m/40, man entschied, lieber das bewährte Kg m/37 mit Hochdruck weiterzuproduzieren.

Zusätzlichen Ärger gab es, als das Zeugamt herausfand, das SAV eigentlich gar nicht selbst produzierte, sondern alle Teile bei Subunternehmen fertigen ließ, um sie in den eigenen Werkstätten zusammenzubauen. Trotzdem gab es im Herbst 1941 einen weiteren Auftrag über 125 Exemplare. Am 1. Jänner 1942 waren 2.111 von insgesamt 2.615 georderten Waffen ausgeliefert. Es erfolgte noch ein Nachfolgeauftrag über 2.300 Stück, im September 1943 hatte die schwedische Armee alle 4.925 bestellten LMG und sogar noch eines dazu (irgendwer musste sich verzählt haben). Bei den sie bedienenden Soldaten waren die LMGs äußerst unbeliebt, die Magazine waren nicht mit denen der Browning-Typen austauschbar, und beim Schießen traten große Vibrationen auf. Der Soldatenjargon nannte das Kg m/40 „galoppierendes Bettgestell”: galopperande järnsängen auf Schwedisch.

Die Waffen gingen vorzugsweise an die Heimwehr und hätten vermutlich alle ein Dasein als Arsenalbestand und Feldübungsärgernis gefristet, wenn da nicht die dänischen und norwegischen Exiltruppen in Schweden gewesen wären. Die Dänische Brigade begann 1944 ihr Training in Schweden, mit dabei einige Kg m/40. Die Dänen waren so unzufrieden, dass sie die Waffen schnell zurückgaben und Kg m/37 erhielten. Die norwegische Exilregierung erwarb sogar eine ganze Fertigungsserie von 480 Stück Kg m/40. Das reichte fast zur Ausrüstung der „Rikspoliti” genanten divisionsstarken Exiltruppe in Schweden, 15 LMGs vom Typ Kg m/37 glichen den Fehlbestand aus. Die – abgesehen von den defizitären LMGs Kg m/40 – vorzüglich ausgerüsteten Norweger blieben aber zunächst „Trainingsweltmeister”. Denn ein von schwedischer Seite geplantes militärisches Eingreifen zugunsten der Alliierten blieb aus. Es gab schwedischerseits tatsächlich Pläne, militärisch in Norwegen und Dänemark einzugreifen, wenn der Sieg der Westalliierten zu lange auf sich warten ließe. Die Operationen sollten Mitte bis Ende Mai 1945 anlaufen, in enger Kooperation mit den westlichen Alliierten. Von Schonen sollten zum Beispiel schwedische (und exil-dänische) Truppen in enger Kooperation mit amerikanischen Luftstreitkräften nach Seeland übergesetzt werden, „Operation Rädda Danmark”. Daraus wurde aber nichts.

Das Alpenjägerregiment Nr. 9 im Burgenlandeinsatz 1921/22

Einen Teil der norwegischen Exiltruppen verlegte man aber mit logistischer Unterstützung durch die Amerikaner doch nach Lappland, wo die Kg m/40 zum Einsatz kamen – ab Jänner 1945. So kam das Maschinengewehr nun doch nach Norwegen. Nach dem Krieg gingen die Waffen der norwegischen Exiltruppen (bis auf eine paar Stücke für Sammlungen) zurück nach Schweden, wo man auch die LMGs vom Typ Kulsprutegevär m/39 auf 6,5 x 55 umrohrte. Jetzt hatte man also genug Waffen.

Die LMGs vom Typ Knorr-Bremse, pardon, Kulsprutegevär m/40 waren beim schwedischen Heer nur Ausnahmeerscheinungen. Nur einige wenige fanden den Weg von den Heimwehreinheiten in die Museen. Das sah bei den nordischen Browning-Brüdern ganz anders aus. Das Kulsprutegevär m/21 wurde noch bis 1949 gefertigt und einige Exemplare wurden noch bis in die 1970er-Jahre bei Artillerieeinheiten des schwedischen Heeres verwendet. Das Kulsprutegevär m/37 wurde erst ab 1980 in der schwedischen Armee durch das FN MAG abgelöst. Bei der Heimwehr taten einige noch bis in die 1990er-Jahre ihren Dienst.