Verteidigungsministerin Klaudia Tanner über den laufenden Covid-Einsatz des Bundesheeres, den für Ende Juni angekündigten „Luftentscheid” und die Kritik an der späten Miliz-Einberufung.

@Sebastian Freiler
Verteidigungsministerin Klaudia Tanner im Gespräch mit Militär Aktuell-Chefredakteur Jürgen Zacharias.

Frau Minister, von der ABC-Abwehr im Kosovo bis hin zur Miliz an der Grenze – seit Monaten steht das Bundesheer im sogenannten Covid-19-Einsatz. Wie würden Sie den Einsatz bislang im Schulnotensystem bewerten?
Ich bin unglaublich stolz auf das Bundesheer und darauf, was die österreichischen Soldatinnen, Soldaten und Zivilbediensteten seit Monaten leisten. Die Vielfalt der Einsätze zeigt einmal mehr, dass die Anforderungen an Streitkräfte und damit auch an das Bundesheer immer größer werden und dass wir es auch in Zukunft mit Einsätzen zu tun bekommen werden, die aufgrund ihres überraschenden Eintretens nicht von langer Hand geplant werden können. Bezieht man all diese Aspekte in die Benotung ein, dann muss unter dem Strich ein „Sehr gut” herauskommen.

Ein „Sehr gut” ohne Abstriche?
Ja, denn man darf die Bedingungen nicht außer Acht lassen. Wir mussten auf die Situation rasch reagieren und neben dem Covid-Einsatz auch alle unsere anderen Aufgaben bis hin zu den Auslandseinsätzen professionell weiterführen. Dazu hatten und haben wir gleichzeitig bis zu 4.000 Soldatinnen und Soldaten im Einsatz und wir haben zahlreiche Unterstützungsleistungen abgedeckt, mit denen wir so noch nie konfrontiert waren.

@Sebastian Freiler
Den Einsatz des Bundesheeres in der Corona-Krise bewertet Ministerin Tanner zufriedenstellend: „Bezieht man alle Aspekte in die Benotung ein, dann muss unter dem Strich ein ,Sehr gut’ herauskommen.“

Haben Sie trotzdem da und dort einen Nachholbedarf ausgemacht, wo man in einer ähnlichen Situation schneller, besser oder anders reagieren könnte?
Wir werden ohne Zweifel aus dem gesamten Einsatz viel lernen können, was uns bei ähnlichen Problematiken in Zukunft helfen wird; gerade auch was die historische Teilaufbietung der Miliz und den Aufschubpräsenzdienst betrifft und wie diese noch besser gestaltet werden können. Ganz sicher werden wir auf die erkannten Notwendigkeiten im Bereich der Ausrüstung reagieren. Da gibt es Aufholbedarf und es wird unsere Aufgabe sein, dafür in Zukunft einzutreten.

Sie sprechen von der persönlichen Ausrüstung der Soldaten …
Ja, aber auch vom Transportbereich. Wir haben heuer ein historisch hohes Budget mit einer Steigerung von knapp zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr und können daher erstmals seit Langem auch wieder aus dem laufenden Budget Investitionen tätigen. Dabei sind 17,5 Millionen Euro für die Miliz vorgesehen, darüber hinaus wird es aber natürlich auch die eine oder andere Sonderfinanzierung etwa im Bereich der Miliz, der Mobilität oder auch der aktiven und passiven Luftraumüberwachung geben müssen.

Ein im Zuge des Covid-Einsatzes vielfach geäußerter Kritikpunkt war die lange Einberufungszeit der Miliz. Warum hat es zwei Monate gedauert, bis die Soldaten im Einsatz waren?
Weil wir uns dafür entschieden haben, zunächst den Aufschubpräsenzdienst für jene Grundwehrdiener zu verordnen, die im März bereits abgerüstet hätten und diese dann von der Miliz ablösen zu lassen. Dadurch konnten sich die Wirtschaft und unsere Milizsoldaten in Ruhe auf den Einsatz vorbereiten. Der Balanceakt zwischen der Notwendigkeit des Einsatzes und den Anforderungen der Wirtschaft hat damit aus meiner Sicht gut
funktioniert.

„diE aktuelle situation zeigt, dass wir uns noch mehr um
die autarkie unserer kasernen
kümmern müssen, um im krisenfall handlungsfähig zu bleiben!“

Im Bedarfsfall hätte die Miliz aber auch schneller zum Einsatz gebracht werden können?
Ja, ohne Zweifel. Unsere Milizsoldaten sind gut ausgebildet und unsere Einsatzorganisation ist gut vorbereitet. Ein deutlich schnellerer Einsatz wäre ohne Weiteres realisierbar gewesen, wenn die Notwendigkeit dafür bestanden hätte.

Im Risikobild der Ende 2019 veröffentlichten „Sicherheitspolitischen Jahresvorschau“ ihres Ministeriums ist neben der Gefahr eines systemischen Terrorangriffs und eines Blackouts auch die Gefahr einer Pandemie prominent abgebildet. Welche Learnings können aus der aktuellen Situation gezogen werden, um die Resilienz Österreichs für all diese Bereiche zu verbessern?
Kasernen sind ein Wirtschaftsfaktor für die jeweilige Region, aber auch ein Sicherheitsfaktor, und die aktuelle Situation zeigt, dass wir uns noch mehr um deren Autarkie kümmern müssen, um im Krisenfall handlungsfähig bleiben und die
Blaulichtorganisationen bestmöglich unterstützen zu können. Dahingehend gibt uns das aktuelle Regierungsprogramm bereits vieles vor und arbeiten wir auch bereits an Investitionsprogrammen, in die nun natürlich auch die praktischen Erfahrungen einfließen werden.

@Sebastian Freiler
In Zukunft soll das Bundesheer laut Tanner noch mehr in die Mitte der Gesellschaft rücken. Mitte des Jahres will Sie den angekündigten Entscheid über die Zukunft der aktiven und passiven Luftraumüberwachung bekanntgeben.

Sie haben nach ihrem Amtsantritt für Mitte des Jahres eine Entscheidung über die Zukunft der aktiven und passiven Luftraumüberwachung angekündigt. Hat sich daran aufgrund des Covid-Einsatzes etwas geändert?
Wir haben von Anfang an gesagt, dass wir bis Mitte des Jahres unter Einhaltung größtmöglicher Transparenz bekannt geben werden, in welche Richtung wir auf die kostengünstigste und sicherste Art und Weise weitergehen wollen. Daran wird bei uns im Haus aktuell auch intensiv gearbeitet. Wir werden dem Termin Ende Juni also treu bleiben.

Sie sind jetzt seit einem halben Jahr im Amt. Wo sehen Sie das Bundesheer in drei bis vier Jahren?
Ich bin jeden Tag dankbar, dieses Ressort führen zu dürfen, und hoffe, dass das Bundesheer dann noch mehr in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Aktuellen Umfragen zufolge ist das Vertrauen der österreichischen Bevölkerung in das
Bundesheer so groß, wie noch nie und ich wünsche mir, dass auf dieser Basis das Bundesheer noch stärker als strategische Reserve der Republik wahrgenommen wird.

Quelle@Sebastian Freiler