Erst diese Woche hat Verteidigungsministerin Klaudia Tanner gegenüber den Salzburger Nachrichten die Abwicklung künftiger Rüstungsbeschaffungen „von Regierung zu Regierung” als den „richtigen Weg” betont. Der Kauf der neuen Leonardo AW169M-Hubschrauber des Heeres sei dafür eine ideale Vorlage, so die Ministerin, die im Gespräch nicht erwähnte, dass sie für dieses italienisch-österreichische Rahmenabkommen nun einen neuen „Partner” hat: Regierungschefin Giorgia Meloni hat Guido Crosetto (59) zum neuen Verteidigungsminister gemacht.

Augenscheinlich ist Crosettos Körpergröße von über zwei Meter. Ein kurzer Blick auf die Vita des Politikers lässt aber auch keinen Zweifel an seiner fachlichen „Größe”, was durchaus eine Rolle spielen kann, wenn es um eine eventuelle weitere „Befüllung” des italienisch-österreichischen Warenkorbs geht. Beflügelt von den Aufwuchsplänen der Regierung für das Bundesheer sind für die heimischen Streitkräfte wohl auch weitere Produkte „made in Italy” interessant. Ob es um weitere Beschaffungen oder um den laufenden AW169M-Deal ging, wurde zwar nicht bekannt – aber dieser Tage empfing der italienische Rüstungsdirektor Generalleutnant Luciano Portolano (am Bild unten ganz links) seinen österreichischen Amtskollegen sowie (Stichwort „nationale Wertschöpfung”) heimische Firmenvertreter.

@ArchivMitbegründer der „Brüder Italiens”
Der „blaue Shrek”, wie Crosetto seine Leute wegen seiner Statur sowie seines Kahlkopfs nennen, hat eine andere politische und persönliche Geschichte als die beiden anderen Mitbegründer von den nun die italienische Regierung führenden „Fratelli d’Italia” von Giorgia Meloni. Crosetto stammt aus einer Landmaschinenfabrik-Familie im Piemont und begann politisch als junger Vertreter der 1994 aufgelösten Democrazia Cristiana, 1987/88 im Stab von Premierminister Giovanni Goria. Nach 14 Jahren als Bürgermeister von Marene in der Provinz Cuneo, trat er 2000 zuerst in die „Forza Italia” ein und war in der Regierung Berlusconi-IV auch Unterstaatssekretär für Verteidigung. In Folge war er unter anderem Unterstützer der Partei für die Technokraten-Regierung von Mario Monti, um im Dezember 2012 Mitbegründer der rechten „Partei mit der Flamme” zu werden. Seitdem wird er als Frau Melonis vertrauenswürdiger Berater beschrieben, freimütig, aber ruhig, immer bereit, Ecken zu glätten. Das blieb er über die Jahre auch, obwohl er 2014 sein politisches Engagement zwischenzeitlich aufgab und Branchen-Präsident von AIAD wurde, dem Verband der italienischen Unternehmen für Luft- und Raumfahrt. 2018 kehrte er schließlich in die Reihen der „Fratelli” und in die Abgeordnetenkammer zurück, um jedoch bereits 2019 sein Mandat erneut aufzugeben um zu AIAD zurückzugehen, von wo er nun erneut in die Politik wechselt.

183 Firmen …
… werden vom Industrieverband AIAD vertreten, von italienischen Medien auch als „die nationale Waffenlobby” bezeichnet. Unter den 183 Unternehmen, die Aiad angehören und deren Interessen daher bis vor kurzem vom „freundlichen Hühnen” vertreten wurden, befinden sich Giganten vom Kaliber RWM-Italia S.p.A., der italienischen Sparte der deutschen Rheinmetall, oder Beretta, einem Weltmarktführer in der Herstellung und Vermarktung von Kleinwaffen und Munition, oder der internationale Luftfahrtkonzern Leonardo sowie die Marine-Schiffswerft Fincantieri (Orizzonti sistemi navali werden kontrolliert von der Leonardo- und der Fincantieri-Gruppe).

Italienische Medien wie beispielsweise La Repubblica bringen Minister Crosetto seit dem Amtsantritt mit Interessenskonflikten in Verbindung und kritisieren die „Drehtür” zwischen Wirtschaft und Politik, ein auch in manch anderen Ländern präsentes Phänomen. Er selbst sagte dazu: „Als Privat- und Freibürger habe ich in den vergangenen Jahren mit meiner Frau und meinem Sohn eine schöne Beratungsfirma aufgebaut. Nun haben wir beschlossen, diese zu liquidieren, damit niemand ‚Annahmen’ anstellen kann. Außerdem habe ich beschlossen, mich rechtlich vor jedem zu schützen, der solche erwähnt.”

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Quelle@Fdl Pipitello, Archiv
Der Autor ist einer der renommiertesten österreichischen Luftfahrtjournalisten, Korrespondent des britischen Jane’s Defence und schreibt seit vielen Jahren für Militär Aktuell.