Ein charakteristisches Fahrzeug der Royal Engineers war der Centurion AVRE Mk5 (F.V. 4003). AVRE steht für „Armoured Vehicle Royal Engineers”. Bei den Soldaten war allerdings eine andere Bezeichnung beliebter: Killdozer.

Seit 1963 versah dieses Fahrzeug seinen Dienst bei den Panzerpionierkompanien der Korpstruppen. Es hatte eine Besatzung von vier bis fünf Mann, war anstelle der Panzerkanone mit einer L9 6.5-inch-demolition gun bewaffnet, dazu mit einem Turm-MG und einem Fla-MG. Am Bug war außerdem eine Räumschaufel angebracht und auf der Fahrerfront befand sich eine Halterung für eine Rohrfaschine, am Fahrzeugheck ein Schlepphaken.

Aufgabe des AVRE war es unter anderem Hindernisse zu beseitigen und Gräben überschreitbar zu machen. An das Fahrzeug angehängt werden konnte ein Anhänger für Pioniermaterial oder ein Minenräumsystem.

@Graham Matthews
Der FV4003 Centurion AVRE in voller Pracht.

Großen Stellenwert hatte die „demolition gun”, ein Ladungswerfer mit dem Kaliber von 165 mm. Damit war der Centurion AVRE in der Lage, eine 30-Kilogramm-Ladung 1.000 Meter weit zu werfen. So ließen sich feindliche Befestigungen bekämpfen. Im Armeejargon hießen die voluminösen Granaten „flying dustbins”.

Ähnlich konfiguriert wie der Centurion AVRE 165 war übrigens der amerikanische Pionierpanzer M-728, der sich seit 1967 im Dienst der US-Army befand, inzwischen aber längst ausgemustert ist.

Den ersten Einsatz sah der Centurion AVRE am 31. Juli 1972 während der „Operation Motorman” in Belfast und Londonderry. In den Stadtteilen Andersonstown und Ballymurphy in Belfast sowie der Bogside und dem Creggan Estate in Londonderry hatten Extremisten Barrikaden aufgeworfen, die den Zugang für die Sicherheitskräfte nahezu unmöglich machten. Man befürchtete, diese Barrikaden könnten mit Sprengfallen versehen sein und befahl deren Beseitigung durch die AVREs.

@Oliver Gottlob
Spektakulärer Auftritt eines AVRE 165.

Das Landungsschiff HMS Fearless transportierte mehrere AVREs nach Nordirland. Um 4.00 Uhr nachts am 31. Juli 1972 rollten vier Fahrzeuge auf die Barrikaden in Londonderry und Belfast zu und beseitigten sie innerhalb kürzester Zeit. Mehr als 21.000 Soldaten der britischen Streitkräfte und 5.300 Mann des Ulster Defence Regiments beseitigten daraufhin die sogenannten „No-go-areas”. Die bei der „Operation Motorman” eingesetzten Centurion AVREs hatten die Kennzeichen 07ZR21, 00BA46, 02BA33 und 11BA86.

Fast zwei Jahrzehnte später befanden sich die AVREs immer noch in den Diensten der britischen Streitkräfte. Während der „Operation Granby”, dem Einsatz der 1st (Br) Armoured Division im Rahmen der Operation „Desert Storm”, setzten das 21 Engineer Regiment, das 23 Engineer Regiment und das 32 Armoured Engineer Regiment Centurion AVREs ein. Jedes Engineer Regiment (= Pionierbataillon) zählte unter anderem zwei Kompanien mit jeweils sechs AVREs. Dazu kamen weitere Fahrzeuge, die ebenfalls so betagt waren, dass der Fuhrpark der Engineers den Spitznamen „Antiques Road Show” erhielt. Insgesamt waren 18 AVRE 165 im Golfkrieg eingesetzt. Da man heftigen irakischen Widerstand erwartete, wurden die AVREs mit Reaktivpanzerung aufgerüstet. Außerdem erhielten sie die Seitenzusatzpanzerung des „Warrior”-Schützenpanzers.

@Archiv Seehase
Centurion AVRE der BAOR mit den Maxi Pipes genannten Rohrfaschinen.

Ihre Aufgabe war es, den britischen Panzerkräften eine Bresche durch das irakische Befestigungssystem zu bahnen, was dann aber gar nicht mehr notwendig war. So kam es, dass die Pionierpanzer in erster Linie mit dem Räumen und Sichern des Kuwait-Basra-Highways beschäftigt waren. Diese Operation erhielt den Codenamen „Operation Motorman II”, weil die Planungsoffiziere – offensichtlich mit Sinn für Historie und Humor – herausgefunden hatten, dass zwei AVRE Veteranen des Motorman-Einsatzes in Londonderry gewesen waren (07ZR21 und 02BA33). Insgesamt wurden wie erwähnt 18 AVREs im Golfkrieg eingesetzt, drei wurden durch Fahrzeugbrand (keine Feindeinwirkung) zerstört.

Hier zeigte sich der Nachteil des Benzinmotors des Fahrzeugs (ein Rolls-Royce Mk IVB V-12-Motor mit rund 650 PS). Zwei Centurion AVRE befanden sich auf einer Minenräumübung, als ein Fahrzeug ausfiel und mit einer Schleppstange von dem anderen abgeschleppt wurde. Beim Nachtanken aus Kanistern kam es zu dem folgenreichen Brand, was zu einer massiven Explosion führte. Das ereignete sich am 6. Februar. Dabei wurden vier Soldaten verletzt.

Die 1990/91 eingesetzten AVREs waren etwas modifiziert worden, so fehlte die Transport- und Verlegevorrichtung für die Rohrfaschinen. Die Centurion AVREs verwendeten im Golfkrieg die für den amerikanischen Pionierpanzer M-728 vorgesehene Munition, deren Leistungsdaten mit der der britischen identisch war.

@Archiv Seehase
Ein Centurion AVRE am 31. Juli 1972 während der „Operation Motorman”.

Ein Centurion AVRE gehört zu der Cobbaton Combat Collection von Preston Isaac in der Nähe von Barnstaple in der südwestenglischen Grafschaft Devon. Dieser Panzer – er trägt den Namen „Bombastic“ – fiel bei der Verladung in Kuwait ins Hafenbecken. Er läuft allerdings wieder.

Es gibt auch einen Centurion AVRE 105, der die Hauptwaffe des Ursprungsfahrzeugs behalten hat. Davon wurden 19 Stück gebaut. Diese Fahrzeugversion wurde aus vorhandenen Panzern (Centurion Mk 12, die als Beobachtungspanzer der Artillerie verwendet worden waren) umgerüstet und wies neben der anderen Hauptwaffe auch eine andere Pioniereinrichtung, nämlich einen Minenräumpflug der Firma Pearson, auf. Neben den britischen Truppen gehörten auch die jordanischen Streitkräfte zu den Nutzern.

Der Centurion AVRE 105 wurde nicht im Golfkrieg eingesetzt, allerdings tauchte er, aus Jordanien kommend, im libyschen Bürgerkrieg 2011 in den Händen der Rebellen auf. Ein Centurion AVRE 105 befindet sich in Bovington. Außerdem wurde ein einziger Centurion AVRE Mk 13 gebaut, der zu Testzwecken verwendet wurde.

Quelle@Archiv Seehase, Graham Matthews, Oliver Gottlob
Hagen Seehase (Jahrgang 1965) absolvierte nach seinem Wehrdienst bei der deutschen Bundeswehr ein Studium der Germanistik und Geschichte. Heute ist er Lehrer im staatlichen Schuldienst und kann auf bislang 24 Buchveröffentlichungen zu historischen und militärhistorischen Themen zurückblicken. Hagen Seehase ist verheiratet, zwei Kinder, Jäger und Sportschütze, Segelflieger und Modellbauer.