Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs bemühte sich die Südafrikanische Union um die Aufstellung eines Panzeraufklärerbataillons. Die dafür benötigten Panzerwagen sollten im Land produziert werden – heraus kamen die Modelle der Marmon-Herrington Reihe.

In der Südafrikanischen Union gab es davor durchaus ein paar Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Einsatz von Panzerspähwagen. Nach dem Ende des Ersten Weltkiegs erwarb die südafrikanische Regierung beispielsweise einen Rolls Royce Armoured Car, der 1922 bei internen Unruhen eingesetzt wurde und den Namen „His Majesty´s Landship Union” trug. Der Rolls Royce blieb bis 1939 im Dienst.

@Archiv Seehase
Südafrikanische Truppen in Hobok Fort, Ostafrika. Im Hintergrund ein Marmon-Herrington Mk I.

1925 wurden außerdem zwei Crossley-Spähwagen erworben. Verwendung fanden sie bei einer Expedition ins Ovamboland (im Jahre 1932). Zusammen mit zwei veralteten mittleren Panzern bildeten die Crossleys den gesamten Bestand der Südafrikanischen Union bei Kriegsausbruch. Die Regierung sah als Mindestzahl für ein aufzustellendes Pan­zeraufklärerbataillon einen Bestand von 67 Panzerwagen an, die im Lande produziert werden sollten. Im Oktober 1939 wurde die Bestellung auf 266 Fahrzeuge erhöht. Nach dem für die britische Seite katastrophal verlaufenen Frankreichfeldzug stockte man die Bestellung nochmals auf, diesmal auf rund 1.000 Fahrzeuge.

Die Produktion von Panzerspähwagen war aber für die südafrikanische Rüstungsindustrie zum damaligen Zeitpunkt eine gewaltige Herausforderung, da noch keinerlei Erfahrungen bezüglich des Baus von gepanzerten Gefechtsfahrzeugen vorlagen. Schon 1938 hatte die südafrikanische Regierung zwar die Entwicklung zweier Modelle angeordnet, allerdings sollte es Monate dauern, bis die ersten Prototypen fertig waren.

@Archiv Seehase
Südafrikanische Soldaten beim technischen Dienst vor einem Marmon-Herrington AC.

Diese Fahrzeuge waren dann recht international: Das Chassis stammte von kanadischen Ford-Lkw, das Allradgetriebe von Marmon-Herrington aus den USA, die Bordwaffen aus Großbritannien und der Aufbau aus Südafrika (von der Iron & Steel Industrial Corporation). Die Endmontage erfolgte bei Dorman Long in Südafrika.

Nach Kriegsausbruch wurde die Serienfertigung zweier Modelle angeordnet: dem „South African Reconnaissance Vehicle Mark I” (kurzer Radstand, 4×2, noch originales Ford-Getriebe) und dem „South African Reconnaissance Vehicle Mark II” (langer Radstand, 4×4, Getriebe von Marmon-Herrington). Bei den britischen Truppen, die sie auch verwendeten, wurden sie der Einfachheit halber mit Marmon-Herrington Mark I und Marmon-Herrington Mark II bezeichnet.

Das Alpenjägerregiment Nr. 9 im Burgenlandeinsatz 1921/22

Die Fahrzeuge ähnelten in ihrer Konzeption sehr den britischen Humber Light Reconnaissance Cars. Ihre Besatzung bestand aus jeweils drei Mann, das Gewicht betrug rund sechs Tonnen. Die Panzerung war zwölf Millimeter stark. Angetrieben wurden die Spähwagen von einem Ford-V8-Motor mit 85 PS, der den Wagen auf 80 km/h beschleunigte. Der Mark I war mit zwei Vickers-MG bewaffnet, eines im Drehturm, eines in einer Kugelblende auf der linken Wannenseite. Diese Konfiguration bewährte sich nicht, ebenso die beim Mark I und zum Teil auch beim Mark II verwendete genietete Panzerung. Sehr fortschrittlich war aber die Abschrägung des Panzeraufbaus, die geschossabweisend wirkte.

@LOC
Zahlreiche Marmon-Herringtons im Jänner 1942 in Malaya.

Den ersten Kriegseinsatz sahen die Marmon-Herringtons im Kampf gegen die Italiener in Ostafrika. Das Kenya Armoured Car Regiment ersetzte seine in Nairobi gefertigten Behelfspanzerwagen durch Marmon-Herringtons.

Die britische Regierung stellte nun eine Anfrage an die Südafrikanische Union, Marmon-Herringtons der britischen 8th Army zu überlassen. Rund 400 (von bereits 887 produzierten Einheiten) gingen an die britischen Truppen in Nordafrika. Es gab einige Modifikationen, so wurde zum Beispiel das Wannen-MG entfernt. Bei vielen Wagen baute man außerdem Boys-Tankbüchsen ein. Es dauerte nicht lange, und die Marmon-Herringtons stellten den Hauptanteil der Spähwagen der 8th Army in Nordafrika.

Der Mark I wurde ab Mitte 1941 durch den verbesserten Mark III ersetzt, der von Captain D. R. Ryder entworfen worden war. Er hatte einen neuen Turm und einige weitere Verbesserungen: eine verstärkte Vorderachse, bessere Federung, einen zusätzlichen Kühler sowie eine bessere Formgebung der Panzerwanne. Bis August 1942 wurden 2.630 Stück produziert. Während der laufenden Produktion des Mark II wurde eine Hecktür eingeführt, dafür wurde das Ersatzrad auf die rechte Wagenseite verlegt. Die Bewaffnung bestand aus zwei Maschinengewehren, aber die Boys-Tankbüchse bildete den Schwachpunkt des ansonsten guten Fahrzeugs.

@Archiv Seehase
Ein Marmon-Herrington Mark IV in Israel im Jahr 1948.

Schon Anfang 1941 hatte man einige Mark II ganz offiziell mit italienischen Beutewaffen nachgerüstet (der Breda-20-mm-Maschinenkanone). Andere Fahrzeuge erhielten gerade das, was die Truppe zur Hand hatte: französische 25-mm-Pak, deutsche 37-mm-Pak, italienische 47-mm-Pak. Kam einer dieser Wagen dann in die Depot-Instandsetzung, wurden die Waffen meistens vorher wieder abmontiert. Beim 4th South African Armoured Car Regiment stattete man im September einen Marmon-Herrington sogar mit einer Zwei-Pfünder-Kanone aus einem zerstörten britischen Panzer aus, das Fahrzeug erwies sich als großer Erfolg. Schnell rüstete man weitere Fahrzeuge um, sodass im Februar 1942 mindestens ein Fahrzeug pro Troop über eine Pak verfügte.

Turmlose Versionen wie der Mark IIIA gingen als Fahrzeuge für vorgeschobene Beobachter an die Artillerie, bewiesen aber auch (aufgrund ihrer niedrigeren Silhouette) ihren Wert als Aufklärer. Zu den verschiedenen Varianten des Mark III gehörten auch Flugabwehr-Versionen. Der Mark III wurde von Mai 1941 bis August 1942 gefertigt.

@Lt. Tanner British Army Film & Photographic Unit
Marmon-Herrington Armoured Cars in der syrischen Stadt Aleppo.

Viele Mark III lieferte man an britische oder indische Armeeeinheiten. 49 wurden als Kompensation für eine geplatzte Panzerlieferung an die niederländisch-ostindische Armee (KNIL) geliefert, wobei sie in den Kämpfen gegen die Japaner 1942 entweder zerstört oder von den Japanern erbeutet wurden. Auch die 8th Australian Division setzte Marmon-Herringtons in den Kämpfen in Malaya ein. Es liefen 16 Marmon-Herringtons bei der 3rd Indian Cavalry. Das 1941/42 aufgestellte Rhodesian Armoured Car Regiment (unter Lieutenant Colonel Blakiston-Houston) kämpfte mit Marmon-Herringtons in Ostafrika und in Nordafrika. Es waren Mark II (bewaffnet mit einem Bren-MG), die erst nach dem Zweiten Weltkrieg durch Staghound Armoured Cars ersetzt und an die Polizei abgegeben wurden. Noch 40 Jahre später dienten sie der rhodesischen paramilitärischen Polizei BSAP (British South African Police) zur Aufruhrkontrolle.

Der Mark IV wurde später eingeführt. Er war von Grund auf neu entwickelt worden. Der Motor war jetzt im Fahrzeugheck. Er hatte eine erheblich verstärkte Bewaffnung (mit einer Zwei-Pfünder-Pak im größeren Drehturm und Kaliber .30 Browning-MG). Außerdem war der Panzeraufbau selbsttragend.

Der Mark V war ein schweres (23 Tonnen Gesamtgewicht) achträdriges Fahrzeug, das über das Versuchsstadium nicht hinauskam.

Sehr ähnlich war der Mark VI, er glich in der Grundauslegung dem deutschen Achtradspähwagen Puma, er kam aber nie über das Prototypenstadium hinaus. Gut bewaffnet und leistungsstark wäre der Mark VI ein gefährlicher Gegner der deutschen Truppen in Nordafrika geworden, allerdings zeichnete sich zum Zeitpunkt seiner geplanten Produktionsbeginns die Niederlage des deutschen Afrikakorps bereits deutlich ab. So kam es nicht mehr zur geplanten Serienfertigung: immerhin waren 500 Fahrzeuge für die südafrikanischen Truppen bestellt worden, 250 weitere vom Londoner War Office für britische Einheiten. 1943 wurde die geplante Serienfertigung abgesagt.

@Willem van de Poll
Ein Marmon-Herrington AC 1946 auf Java.

Ähnlich erging es den Modellen Mark VII und Mark VIII, die aber von Anbeginn an nie in größeren Stückzahlen bestellt worden waren. Auch hier blieb es bei den Prototypen.

Kurze Bemerkung zu dem Mark VI: ein Prototyp steht im Tank Museum in Bovington (bewaffnet mit der Zwei-Pfünder-Pak), ein weiterer im Ditsong National Museum of Military History (früher: South African National War Museum) in Johannesburg. Dieses Fahrzeug ist  bewaffnet mit einer Sechs-Pfünder-Pak).

Die Produktionszahlen betrugen der verschiedenen Varianten betrugen:
– Mark I: 113 Stück
– Mark II: 887 Stück
– Mark III: 2.630 Stück
– Mark IV: 939 Stück
– Mark IV F: 1.180 Stück

Rund 4.500 Fahrzeuge von der Gesamtproduktion gingen an die südafrikanische Armee. Berühmt wurde ein südafrikanisches Panzeraufklärerregiment durch die Schlacht von El Alamein.

Kurz vor der Schlacht von El Alamein war aus den Resten zweier südafrikanischer Armoured Cars Regiments das 4th/6th South African Armoured Car Regiment gebildet worden. Unter dem Kommando von Lieutenant Colonel Reeves-Moore unterstand es der 1st Armoured Division. Es bestand aus 17 Daimler Armoured Cars und aus mit 37-mm-Pak beziehungsweise 47-mm-Pak bewaffneten Marmon-Herringtons Mark IIIA. Als die 8th Army in die Offensive ging, erhielt das 4th/6th SA Armoured Car Regiment zusammen mit den Royal Dragoons einen riskanten, aber lohnenden Auftrag: es sollte an der Nahtstelle zweier deutscher Divisionen (der 15. Panzerdivision und der 90. leichten Division) unter dem Schutz britischen Artilleriefeuers durchbrechen und beim Gegner den Eindruck eines massiven Panzerdurchbruchs erzeugen. Am 4. November 1942 um 6.30 Uhr gelang das Unternehmen im dritten Anlauf, A- und B-Squadron des 4th/6th South African Armoured Car Regiments gelangten hinter die gegnerischen Linien und vermittelten den Eindruck, britische Panzerverbände seien durchgebrochen.

Ein Name aus der Geschichte: Malcolm Campbell

Im April 1943 wurden alle vier südafrikanischen Panzeraufklärerverbände aufgelöst, schon im Dezember 1942 hatte Feldmarschall Smuts (der südafrikanische Premierminister), die südafrikanischen Landstreitkräfte nach Hause zurückbeordert – in einen wohlverdienten Urlaub – und angekündigt, sie würden als Panzerdivision an die Seite der Alliierten zurückkehren. Als dann die 6th South African Armoured Division in Italien eingesetzt wurde, waren höchstwahrscheinlich keine Marmon-Herringtons dabei. Frühere Panzeraufklärereinheiten wurden als Infanterieeinheiten eingesetzt, die Aufklärer der Division nutzen Stuarts.

@Anefo
Das Pantserautopeloton der KNIL mit Marmon-Herrington im Jahr 1947.

Die Beobachter einiger Artillerieeinheiten der Division hatten allerdings in Nordafrika (dem Standort der Division vor der Verschiffung nach Italien) einige Marmon-Herrington Mark II als Beobachtungsfahrzeuge gehabt, es ist nicht auszuschließen, dass einige wenige auch  nach Italien gingen. Weitere Marmon-Herrington Panzerwagen wurden von den britischen Streitkräften verwendet, von den neuseeländischen, von den indischen, den belgischen, den frei-französischen, den niederländischen und den polnischen Streitkräften.

Exemplarisch seien hier die beiden Regimenter (bataillonsstark) des Reconnaissance Corps erwähnt, die mit Marmon-Herringtons ausgerüstet waren. Es waren dies das 5 Recce und das 44 Recce. 5 Recce war das Panzeraufklärerbataillon der 5th Infantry Division. Es diente im Mandatsgebiet und in Persien und nahm dann an dem Landungsunternehmen auf Sizilien teil. Von September 1943 bis Juli 1944 kämpfte es auf dem italienischen Festland, wurde dann für ein paar Monate nach Palästina verlegt, im Februar 1945 war es wieder in Italien. Von März bis Mai 1945 kämpfte es in Holland und Deutschland.

@Archiv Seehase
Ein britischer Offizier zeigt türkischen Grenzsoldaten seinen Marmon-Herrington-Panzerwagen.

Das 44 Recce war bei El Alamein als Minenräumeinheit eingesetzt, Als im Januar die 44th (Home Counties) Division aufgelöst und deren Einheiten auf andere Divisionen verteilt wurden, kam das 44 Recce zur 56th (London) Division. Es kämpfte im April und Mai 1943 in Tunesien, dann von September 1943 bis Kriegsende in Italien.

Auch einige Einheiten der Royal Air Force waren mit Marmon-Herringtons ausgestattet.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gingen einige (zehn bis zwölf Stück) Marmon-Herrington Mark IV an die Transjordanische Legion, die sie 1948 bei den Kämpfen um Jerusalem einsetzte, wo sie sich heftige Gefechte mit improvisierten israelischen Panzerwagen („Sandwichim”) lieferten. Mindestens ein Marmon-Herrington Mark IV fiel den israelischen Streitkräften in die Hände, die das Fahrzeug bei der Eroberung Lyddas im Juli 1948 (durch das von Moshe Dayan kommandierte 89th Armoured Battalion) einsetzten. Später wurde die britische Zwei-Pfünder-Kanone durch eine französische 37-mm-Kanone ersetzt und das Fahrzeug zur Konvoisicherung verwendet. Dieser Panzerwagen steht heute im israelischen Panzermuseum in Latrun.

@Stuart Garner
Frontansicht eines Marmon-Herrington.

Die niederländischen Streitkräfte in Niederländisch-Ostindien konnten einige der ursprünglich in ihrem Bestand befindlichen Marmon-Heringtons 1945/46 wieder übernehmen und setzten zwölf Stück im Rahmen des „Pantserautopelotons” bis Jänner 1948 gegen indonesische Aufständische ein. Die kurz auch PAUPEL genannte (und tatsächlich kompaniestarke) Einheit war sehr erfolgreich, existierte aber offiziell gar nicht.

Besonders interessant ist aber der Einsatz bei den griechischen Streitkräften: 1941 erhielten sie einige Marmon-Herringtons früherer Baureihen (wahrscheinlich ausschließlich Mark-I-Fahrzeuge) und setzten sie im Kampf gegen die Deutschen ein. Einige wenige (zwei?) Marmon-Herringtons wurden von den exil-griechischen Verbänden (der 1. griechischen Infanteriebrigade unter Brigadegeneral Pausanias Katsotas) in Nordafrika verwendet. Nach 1944 erhielt die Königlich Griechische Armee Marmon-Herringtons der Variante Mark IV und setzte sie gegen die Kommunisten im Griechischen Bürgerkrieg ein. Dabei wurden bei einigen Panzerwagen die Panzeraufbauten abmontiert und auf Eisenbahnwaggons gesetzt, um so Züge gegen Überfälle zu sichern. Eine ganze Reihe von Marmon-Herringtons wurde an die Nationalgarde Zyperns weitergegeben. Anfang der 1970er-Jahre hatte diese 45 Stück im Bestand. Sie bildeten (zusammen mit vier Daimler Dingo und drei Shorland) die Kampffahrzeugausstattung des Panzeraufklärerbataillons („21 ENA”) und einiger anderer Einheiten.

Die zypriotische Nationalgarde setzte einige 1974 gegen die türkischen Inva­sionstruppen ein und noch in den 1990er-Jahren hatte die griechische Armee in der Ägäis einige in ihrem Fahrzeugbestand.

Im südlichen Afrika wurden einige Marmon-Herringtons nach dem Zweiten Weltkrieg weiterverwendet. In Rhodesien wurden einige für den Einsatz bei der Polizei umgebaut. Die südafrikanische Armee verwendetet Marmon-Herrington Mark IV noch bis in die 1970er-Jahre.

Quelle@Archiv Seehase, Stuart Garner, LOC, Lt. Tanner British Army Film & Photographic Unit, Willem van de Poll, Anefo
Hagen Seehase (Jahrgang 1965) absolvierte nach seinem Wehrdienst bei der deutschen Bundeswehr ein Studium der Germanistik und Geschichte. Heute ist er Lehrer im staatlichen Schuldienst und kann auf bislang 24 Buchveröffentlichungen zu historischen und militärhistorischen Themen zurückblicken. Hagen Seehase ist verheiratet, zwei Kinder, Jäger und Sportschütze, Segelflieger und Modellbauer.