Es ist Sommer im Jahr 1974, ein schon etwas älterer Freiwilliger der zivilen Wachgruppe („Mash’az”) patrouilliert am Mittelmeerstrand, und beobachtet, wie eine Gruppe palästinensischer Terroristen an Land geht. Er zwingt sie durch gezieltes und stetiges Feuer, in Deckung zu gehen. Der Wachmann feuert solange weiter, bis die Polizei eintrifft und sich des Problems annimmt. Seine Waffe: Ein Karabiner 98k, der im Jahr 1935 von der deutschen Wehrmacht als Ordonanzgewehr eingeführt worden war.

@Zoltan Kluger
Drusischer Angehöriger der israelischen Streitkräfte mit 98er-Karabiner.

Ein Rückblick in das britische Mandatsgebiet Palästina nach 1945: das Arsenal der jüdischen Verteidigungsorganisation Haganah besteht zu diesem Zeitpunkt hauptsächlich aus britischen Infanteriewaffen. Da aber weder Großbritannien noch eines seiner Dominien (etwa Kanada oder Südafrika) als Waffenlieferanten infrage kommen, muss rasch Ersatz geschaffen werden. Und der bietet sich zu der Zeit in Gestalt der Tschechoslowakischen Republik (ČSR) an. Das mitteleuropäische Land verfügt gerade über große Waffenbestände deutscher Provenienz, teils von der Wehrmacht zurückgelassen, teils von der Sowjetunion überlassen. Außerdem befinden sich damals auf dem Boden der ČSR Fabriken, in denen noch bis vor Kurzem Waffen für die Wehrmacht gefertigt worden waren.

In der ČSR, die damals noch nicht sozialistisch ist, neigen führende Politiker einem unabhängigen Staat Israel zu, allen voran der Außenminister Jan Masaryk. Dieser ehemalige k.u.k.-Offizier und tschechoslowakische Botschafter in London unterstützt die israelische Unabhängigkeit nach Kräften, wird – nach zwei fehlgeschlagenen Sprengstoffattentaten der tschechischen Kommunisten – aber am 10. März 1948 tot vor dem Fenster seines Dienstsitzes aufgefunden. Heute ist zweifelsfrei geklärt, es handelte sich damals um Mord, welcher im Zusammenhang mit dem kommunistischen Umsturz in der ČSR stand. An der pro-israelischen Haltung des später in Tschechoslowakische Sozialistische Republik (ČSSR) umbenannten Landes ändert sich dadurch aber vorerst nichts. Der Sowjetblock steht für ein kurzes Zeitfenster hinter der israelischen Staatsgründung und hofft dadurch, die Absichten der westlichen Politik zu durchkreuzen – erst kurze Zeit später beginnt die innige Beziehung des Ostblocks zu arabischen Diktatoren und Terroristen. Auch nicht ganz unwesentlich: Die Tschechoslowakei benötigt zu der Zeit dringend Geld. Im Jahr 1947 hatte sie unter massivem sowjetischen Druck auf die von den USA angebotene Marschallplanhilfen verzichten müssen. Da wären die 700 Millionen US-Dollar (nach heutigem Wert rund sieben Milliarden Euro!), die sich die Tschechoslowakei aus den Waffenlieferungen nach Israel verspricht, höchst willkommen.

@Willem van de Poll
Negev im Jahr 1948: Ein Israeli zielt mit einem K98.

Mit der „Operation Balak” beginn nun die Lieferung von Infanteriewaffen aus der Tschechoslowakei nach Israel. Am 14. Jänner 1948, also noch vor der formellen Unabhängigkeit Israels und vor dem kommunistischen Staatsstreich in der Tschechoslowakei, wird ein Vertrag über die Lieferung von 4.500 Karabinern 98k geschlossen. Im Vertrag werden sie als P-18 bezeichnet. Dazu kommen 200 Maschinengewehre MG34 und 50,4 Millionen Schuss Munition. Die Waffen ins (noch) britische Mandatsgebiet zu bekommen, ist allerdings eine andere Herausforderung. Über Jugoslawien werden unter größter Geheimhaltung am 31. März in einer C-54 Skymaster 200 Stück 98k und 40 MG 34 nebst einigen Kisten Munition zu einem improvisierten Landeplatz der Haganah gebracht. Der Rest kommt einige Tage später mit dem Frachter Nora in Haifa an und ein Netzwerk von Banken in New York, London und Prag wickelte die Bezahlung ab. Der Vertrag enthält auch eine Option über weitere Lieferungen, und nach der formellen Unabhängigkeit Israels am 14. Mai 1948 wird die Auslieferung einfacher. Die Waffentransporte gehen bis Oktober 1948 weiter, am Ende gelangen 34.000 Karabiner 98k aus der Tschechoslowakei nach Israel – daruner in den ersten Lieferungen noch zahlreiche 98k, die auch von der Wehrmacht verwendet worden waren. Bald treten aber mehr und mehr in den Waffenfabriken in Brünn überarbeitete Waffen in Erscheinung. Die letzten Tranchen bestehen aus in Brünn neugefertigten vz.98N, die sich von den originalen 98k vor allem in dem großen Winterabzugsbügel unterschieden.

@Archiv
Ein israelischer Posten mit dem 98er-Karabiner im Anschlag.

Nach dem Ende des Unabhängigkeitskrieges kauft Israel in Schweden mehrere tausend Exemplare des Karabiners m/40 an, das ist eine Variante des 98k im extrem starken Kaliber 8×63. Diese Karabiner waren die ersten Kandidaten bei der Umrohrung auf das neue Kaliber 7,62×51 NATO, außerdem fiel die Mündungsbremse weg und die Standardbajonetthalterung wird angebracht.

Äthiopiens Kaiser Haile Selassie verkauft Israel etliche Karabiner M30, die in den 1930er-Jahren bei FN in Belgien für die äthiopische Armee hergestellt worden waren. Die M30 sind etwas kürzer als die originalen 98k und während alle deutschen, tschechischen und schwedischen Mauserkarabiner später auf die neue Standardpatrone 7,62×51 umgerüstet werden, ist dies nur bei einem Teil der ex-äthiopischen M30 der Fall. Der letzte Neuzugang bei den israelischen Mauserkarabinern sind belgische Neufertigungen des 98k, die 1952 und 1953 ausgeliefert werden.

Das sagenumwobene Maschinengewehr „Knorr-Bremse”

Bis 1949 erwirbt Israel damit eine komplette Produktionslinie aus unbekannter Quelle für den Karabiner 98k und 1950 beginnt die versuchsweise Fertigung eigener 98k, aber das Projekt erweist sich als zu kostspielig. Als dann die Umrüstung auf das neue Kaliber ansteht, erweist sich die Anlage aber trotzdem von großem Nutzen und von 1956 bis Ende 1973 wird der gesamte Bestand bis auf die genannten M30 umgerüstet. Zu diesem Zeitpunkt spielen die 98k aber ohnehin keine Rolle mehr bei den israelischen Streitkräften, wohl aber bei Einheiten der zivilen Wachgruppen.

@Dan Hada Wikimedia CC BY-SA 4.0
Offiziersschüler der israelischen Fernmeldetruppe mit Mauser-Karabinern.

Noch im Sechstagekrieg 1967 von israelischen Reserveeinheiten in großem Umfang an allen Fronten eingesetzt, ist im Yom-Kippur-Krieg 1973 vom 98k nur noch im rückwärtigen Raum bei Wachtruppen und anderen untergeordneten Einheiten etwas zu sehen. Etliche israelische 98er werden zu Zielfernrohrgewehren umgebaut, aber beileibe nicht alle. Was nicht verkauft wird (zum Beispiel nach Guatemala oder an zivile Waffenhändler in den USA), geht an die unter Aufsicht der israelischen Polizei ausgebildeten zivilen Wachgruppen. Auf Fotos sieht man die 98er häufig bei Ehrengarden der israelischen Armee,

Die 1958 gegründete „Knesset Guard” (hebräisch: Mishmar HaKnesset) hingegen ist eine zur Bewachung des Parlament aufgestellte Einheit der Polizei. Sie verwendet (bis zur Einführung des Galil-Sturmgewehrs) zu Repräsentationszwecken den britischen Gewehrtyp Enfield SMLE.

@Archiv
Israelische Soldatin mit Mauser-Karabiner.

Bei den Bajonetten sieht es ähnlich aus wie bei den Gewehren: da wird passend gemacht, ausgebessert, zusammengestückelt und kannibalisiert, schließlich auch neugefertigt. Mit den ersten 98k kommen auch unterschiedliche Bajonette: deutsche Bajonette 84/98 und tschechische VZ-24 zum Einsatz. Bei vielen der deutschen Bajonette ersetzen die Israelis die kurze Parierstange ohne Mündungsring durch eine mit Mündungsring, das so entstandene Bajonett wurde als Mk 1A bezeichnet. In der Literatur taucht auch die Bezeichnung M1949 auf.

Anschließend kommte es zur Neufertigung von Bajonetten für 98k in Israel. Das so entstandene Bajonett hat ebenfalls den Mündungsring des Mk 1A, aber eine andere Klinge und es ist phosphatiert. Auf dem Rikasso befindet sich in hebräischen Lettern eine Markierung. Die Zahl „49” steht für das Modelljahr, die Zahl „101” ist ein Herstellercode. Mit Sicherheit hat die Zahl also nichts mit der kleinen (nur rund 50 Angehörige) und kurzlebigen (August 1953 bis Jänner 1954), aber streng geheimen und hochspezialisierten „Unit 101” zu tun, die unter der Führung des späteren Premierministers Arik Sharon stand.

Quelle@Dan Hadani Wikimedia CC BY-SA 4.0, Archiv, Zoltan Kluger, Willem van de Poll