Der Gewaltausbruch in Mazedonien im Mai 2015 und die Reaktion Russlands, das das Schreckgespenst einer „farbigen Revolution” à la Ukraine oder Georgien an die Wand malt, machen auf zwei ­Aspekte aufmerksam: Erstens ist die ­Konflikttransformation in Mazedonien, aber auch in anderen Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien, noch nicht abgeschlossen und zweitens kann ­Moskau die Integrationsbemühungen der EU massiv stören und hintertreiben.

Dabei drängen sich einige Fragen auf: Wie ist es beispielsweise möglich, dass der leidige Namensstreit mit Griechenland noch immer die Aufnahme Mazedoniens in EU und NATO blockiert? Warum ist es bislang zu keiner nachhaltigen Konsolidierung gekommen, was weiterhin die Präsenz internationaler Friedenstruppen in Bosnien-Herzegowina und Kosovo erfordert? Hat die EU-Repräsentanten der Mut verlassen oder haben sie das ­Interesse an einem Westbalkan, der auf sicheren eigenen Beinen steht, verloren? Das wäre fatal, denn wie die aktuelle Entwicklung zeigt, ist die Sache nicht „gegessen” und eröffnet Russland die Möglichkeit, seinen Einfluss in der Region zu Ungunsten Europas zu stärken.

Aber welche Ziele verfolgt Russland gegenüber dem Westbalkan und dabei auch gegenüber der EU? So könnte die Störung des EU-Erweiterungsprozesses als geopolitische Machtdemonstration und Reaktion auf westliche Sanktionen wegen des russischen Vorgehens in der Ukraine verstanden werden. Vermutlich geht es ebenso um simple wirtschafts- und energiepolitische Interessen, wie Überlegungen hinsichtlich neuer Pipelinerouten für russisches Gas und Öl ­zeigen. Dabei kommt auch einzelnen Staaten wie Mazedonien besondere ­Bedeutung zu. Es liegt allerdings an den EU-Staaten, über die tatsächlichen Auswirkungen des geopolitischen Umbruchs im Osten auf den Westbalkan zu entscheiden. Denn die EU legt Zeitpunkt und Kriterien von Aufnahmen fest, sie entscheidet mittel- und langfristig durch Öl- und Gaskäufe über den Nutzen russischer Pipelineprojekte und sie bestimmt das zukünftige Verhältnis zu Moskau.

Lesen Sie dazu auch unsere aktuelle Analyse „Heftiges Ringen um den Westbalkan” von IFK-Experte Predrag Jurekovic. Hier geht es außerdem zu weiteren Beiträgen von IFK-Leiter Brigadier Walter Feichtinger.

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Der Autor ist seit 2002 Leiter des Instituts für Friedenssicherung und Konfliktmanagement (IFK) an der Landesverteidigungsakademie.