Das Bundesheer der Ersten Republik hatte von 1920 bis 1935 Brigadeartillerieabteilungen (BAA) in der Gliederung der Brigaden, die ab 1935 zu leichten Artillerieregimentern ausgebaut wurden. Auch die Brigade Steiermark Nr. 5 hatte eine solche BAA. Am Beispiel dieses Truppenkörpers soll dieser Artikel die Entwicklung und die Ausbildung bei der Artillerie in der Zwischenkriegszeit skizzieren.

Aufstellung ab dem Jahr 1920
Die steirische BAA Nr. 5 wurde im Laufe des Monats August 1920, nach der Auflösung der Volkswehr-Artillerie-Abteilung, welche nach dem Umsturz 1918 mit zwei Batterien aufgestellt war, in Graz formiert und in der Lazarettfeldkaserne disloziert. Sie bestand aus dem Abteilungskommando, der Gebirgskanonen Batterie Nr. 1 mit vier Stück M15 Gebirgskanonen und der Gebirgshaubitzen Batterie Nr. 2 mit vier Stück M16 Gebirgshaubitzen und wurde im Dezember 1921 aufgestellt. Die 3. Batterie, als 10,4 cm Kanonenbatterie geplant, war in der Anfangszeit nur eine Kaderbatterie mit zwei Geschützen für die Ausbildung der Rekruten. Die Aufstellung der 4. Batterie, der Minenwerferbatterie mit acht Werfern, erfolgte erst im Sommer 1922, also nach dem Burgenlandeinsatz.

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Die Lazarettfeldkaserne in Graz. Links im Bild ein russisches Beutegeschütz aus dem Ersten Weltkrieg.

Im Jahr 1922 erfolgte zudem die Aufstellung des Messzugs, welcher einen anfänglichen Stand von sechs Mann hatte und vorläufig der 3. Batterie angegliedert war. Durch die Zuweisung von Rekruten wurde der Messzug im Laufe der Zeit personell erweitert. Im Jahr 1926 wurde dieser Zug selbständig und im Jahr 1932 zur Messbatterie ausgebaut. Dieser Zug war die Keimzelle des Infanteriemesswesens in der 5. Brigade. Damit konnten die schweren Maschinengewehre im indirekten Zielen beste Erfolge vorweisen. Später sollten die Messzüge der Infanterie auch zusammen mit den Minenwerfern für eine hohe Treffgenauigkeit sorgen.

Weiterer Um- und Ausbau bei der Artillerie
Im Jahr 1927 erfolgte die Umbewaffnung der 3. Batterie von 10,4 cm Kanonen auf 8 cm Feldkanonen und im darauffolgenden Jahr wurde die 4. Batterie von Minenwerfern auf 10 cm Feldhaubitzen umbewaffnet.

Am 1. Mai 1935 erfolgte die Umbenennung der Brigadeartillerieabteilung Steiermark Nr. 5 und sie hatte von diesem Tag an die Bezeichnung Steirisches leichtes Artillerieregiment Nr. 5 (früher Feldhaubitzenregiment Nr. 3) zu führen. Regimentskommandant Oberst Rudolf Jungwirth führte die Messbatterie und die Kommandobatterie sowie die I. Abteilung mit einer Feldkanonenbatterie und einer Feldhaubitzenbatterie. Die II. Abteilung bestand aus zwei von Kraftfahrzeugen gezogenen Feldhaubitzenbatterien. Die III. Abteilung gliederte sich einerseits in die Gebirgskanonenbatterie sowie andererseits in die Gebirgshaubitzenbatterie.

Die Bewaffnung im Bundesheer der Ersten Republik

Die Artillerietruppe in Graz bildete ab 1933 jährlich Einjährig-Freiwillige aus, und im Sommer 1933 gab es darüber hinaus einen einmonatigen Kurs für Assistenzmänner. Im Jahr 1937 rückten, wie auch bei der Infanterie, bei der Artillerie erstmalig Ersatzmänner ein. Im März 1938 endete dann die Geschichte des leichten Artillerieregiments mit dem Einmarsch der Wehrmacht und dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich. Das Regiment ging in das neue Gebirgsartillerieregiment Nr. 112 der 3. Gebirgsdivision auf.

Gefechtsschießen im Dezember 1933
Anhand dieses Gefechtsschießens im Dezember 1933 soll die Ausbildung der Gebirgshaubitzen dargestellt werden. In der heutigen Zeit ist es aufgrund von strengen Sicherheitskriterien absolut undenkbar, aber in der Zwischenkriegszeit schossen die Artilleriegeschütze südlich von Graz entlang der Mur in Richtung Süden. Obwohl die Geschosse eine gewisse Streuung hatten, schossen sie in ein begrenztes Zielfeld.

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Eine Gebirgshaubitze beim Scharfschießen im Dezember 1933.

Am 19. Dezember 1933 fand im Grazer Feld bei Straßgang (bei Graz) eine Schießübung der Brigadeartillerieabteilung Nr. 5 statt, bei welcher scharfe Munition verwendet wurde. Für diese Schießübung musste ein weitläufiger Raum durch eigens abgestellte Soldaten markiert werden. Es handelte sich um den Bereich Schachenwälder zwischen den Ortschaften Seiersberg und Laa. Das Betreten des abgesperrten Raumes war strengstens verboten, und auch die Anwohner hatten den Anweisungen der Absperrposten Folge zu leisten. Auch wenn man von Seiten des Bundesheeres darauf achtete, mögliche Blindgänger sofort zu sprengen oder abzutransportieren, gab es auch Warnhinweise an die umliegenden Gemeinden. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, solche möglichen Blindgänger nicht zu berühren, sondern zu markieren und umgehend den nächsten Gendarmerieposten zu benachrichtigen Das Schießen begann um 11.00 Uhr und die Beendigung wurde durch ein dreimaliges Hornsignal bekanntgegeben. Die Bevölkerung wurde vor dieser besonderen Schießübung noch ein zweites Mal im Grazer Tagblatt über die Absperrungen und Gefahren informiert.

„Tschemm …” wie ein rießiger Peitschenknall schnalzt es aus der Feldhaubitze. „Sff…. Sff…. Sff…”, singt es durch die Luft, „blaff”, steht ein kleines weißes Wölkchen am Himmel und kurz darauf sieht man durch den Feldstecher die Sprengwolke des Einschlages in die Höhe wachsen.

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Defilierung der BAA Nr. 5 in Graz 1933.

Mit diesen Worten beschreibt ein anwesender Journalist seine Eindrücke von der Schießübung und die Wirkung der Granatschrapnell-Munition. Brigadier Pichler beobachtete diese außergewöhnliche Übung, deren Gesamtleitung Oberstleutnant Jungwirth innehatte. Den Befehl über die 2. Batterie der Brigadeartillerieabteilung führte Major Kramer. Eine große Anzahl von Soldaten stand im Schnee und beobachtete (ebenso) die Schießleistungen und wurde von ihren Ausbildern über die Wirkungsweise der Artilleriegeschosse belehrt.

Die Geschütze feuerten ihre Geschosse auf die recht geringe Distanz von 2.000 Metern, und die Feuerwirkung wurde von vorgeschobenen Beobachtern telefonisch zur Batterie gemeldet. Sogleich justierte man die Geschütze, und erneut feuerte die Batterie in das vorgegebene Ziel.

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Major Wilhelm Kramer in einer Aufnahme aus der Zeit von 1920 bis 1933.

Der Bericht des Journalisten hebt die psychologische Wirkung der Artillerie hervor, indem er bemerkt, „dass man nach einer solchen Scharfschießübung die Gefühle von Soldaten verstehen [kann], die im Vernichtungsfeuer lagen.” Er bezog sich damit auf die Wirkung des Trommelfeuers auf die Soldaten in den Schützengräben des Ersten Weltkrieges.

Ausbildungsplätze für die Gebirgsartillerie
Den verantwortlichen Offizieren im Bundesheer war klar, dass solche Übungen nicht auf Dauer tragbar waren, daher erfolgte das Scharfschießen der steirischen Gebirgsartillerie in den Folgejahren auf Truppenübungsplätzen und Schießplätzen, die sich dafür mehr eigneten: am TÜPL Bruckneudorf/Kaisersteinbruch, am TÜPL Dachstein und am Schießplatz Turracher Höhe. Während ersterer noch heute vom Bundesheer verwendet wird, wurde der TÜPL Dachstein 2013 aufgelassen. Der Schießplatz auf der Turracher Höhe im steirisch-kärntnerischen Grenzgebiet wurde bereits nach dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr militärisch verwendet. In beiden Fällen steht nunmehr die touristische Nutzung des ehemals militärischen Geländes im Mittelpunkt.

Quelle@Archiv Rauchenbichler