Der „fliegende Sanitätsdienst” des Bundesheeres garantiert die Versorgungssicherheit österreichischer Soldaten im Auslandseinsatz. Die notwendigen Kompetenzen für das fliegende Personal vermittelt der Lehrgang „Taktischer & Strategischer Patientenlufttransport”.

Im Ernstfall muss jeder Handgriff sitzen. Es geht dann zwar nicht um Sekunden, aber doch um wertvolle Zeit, gilt es doch verletzte, verwundete oder erkrankte österreichische Soldaten von Auslandseinsätzen des Bundesheeres möglichst rasch und sicher einer umfassenden medizinischen Versorgung in der Heimat zuzuführen. Kein Wunder also, dass die Kommandantin des fünfköpfigen Ausbildungsteams die anderen Soldaten nun energisch zum Handeln auffordert. „Stanchion please!”, ruft sie. „Stanchion please!” (Anm.: Stange).

@Christian Huber
Vom Plan zur Praxis: Vor der eigentlichen Arbeit wird im Team der Ladeplan besprochen.

Wir befinden uns an Bord einer C-130 Hercules des Bundesheeres am Fliegerhorst Vogler und im Laderaum absolvieren fünf Soldaten aus Österreich und den Niederlanden gerade einen praktischen Teil des vierwöchigen Intensivlehrganges „Taktischer & Strategischer Patientenlufttransport”. Auf Basis fiktiver Patienteninformationen und in Abstimmung mit dem Loadmaster der Transportmaschine haben sie einen Ladeplan für einen potenziellen Patientenlufttransport erstellt. Nun gilt es diesen in die Tat umzusetzen.

@Christian Huber
Die Soldaten arbeiten im Laderaum der Hercules eng zusammen. Jeder Handgriff muss im Ernstfall sitzen.

Aber: leichter gesagt als getan. Die ganz vorne im Laderaum der C-130 verstauten Stanchions sind für Ungeübte nur schwer aus ihrer Halterung zu lösen. Erst nach einigem Hin und Her gelingt es einem jungen Wachtmeister, eine der Stützen freizubekommen. Er hebt sie hoch, dreht sie vorsichtig in die Horizontale. Langsam bewegt er sich dann damit zwischen den im Laderaum auf einer Passagiertransportpalette montierten Sitzreihen hindurch in Richtung Heck. „Stanchion is coming through!”, informiert er die anderen Soldaten. Die Bordsprache ist ebenso wie die Unterrichtssprache Englisch, jeder Handgriff wird lautstark kommentiert. Im nächsten Schritt muss der Unteroffizier die Stütze im Laderaum der Hercules verankern. Dazu führt er ein Ende der Stanchion oben in eine Aussparung der als „Hog trough” (Anm.: Sautrog) bezeichneten Montageleiste der Transportmaschine, fixiert anschließend das zweite Ende am Ladeboden. Eine niederländische Soldatin hilft ihm dabei. Sie trägt das runde Emblem des Centrum voor Mens en Luchtvaart (Zentrum für Mensch und Luftfahrt) der Koninklijke Luchtmacht in Soesterberg.

@Christian Huber
Gemeinsam Hand anlegen: Nur im Team können die Soldaten ihre Aufgaben erfolgreich erledigen.

„Das sieht schon ganz gut aus”, sagt Lehrgangsleiter Oberst Hans Schalk von der Flieger- und Fliegerabwehrtruppenschule in Langenlebarn. Gemeinsam mit Ausbildner Offiziersstellvertreter Martin Harrer von der Luftunterstützungsbrigade in Hörsching beobachtet er die Soldaten im Laderaum. „Ein Patiententransport für unsere Soldaten ist aus Krisen- oder gar Kriegsgebieten abgestützt auf zivile Leistungsträger im Extremfall nicht möglich”, erklärt Schalk. „Das Bundesheer muss daher selbst in der Lage sein, sogenannte Aeromedical Evacuations mit der C-130 oder bei Bedarf auch mit Hubschraubern oder zivilen Maschinen sicherzustellen.”

Die Ausbildung hier in Hörsching qualifiziert Ärzte und Sanitätspersonal dafür; bildet sie zu sogenannten Aeromedical Evacuation Crew Member (AECM) aus. Der Lehrgangsplan umfasst die medizinischen und pflegerischen Grundlagen für einen Patientenlufttransport ebenso wie flugbetriebliche Inhalte, psychologische Aspekte und das Verhalten bei fliegerischen Notlagen. Zudem lernen die Teilnehmer während der vier Wochen den Umgang mit der Notausrüstung und dem Sauerstoffsystem der Hercules sowie die Organisation und Administration von Aeromedical Evacuations. Auf dem Programm stehen neben einem Einweisungsflug auch vier Trainings- und Langstreckenflüge ins In- und Ausland, bei denen mithilfe von Patientendarstellern medizinische Notfälle praxisnah simuliert werden. „Die Kursteilnehmer sollten nach positivem Kursabschluss in der Lage sein, Patienten nach den gültigen internationalen Bestimmungen zu klassifizieren, deren Transportfähigkeit zu beurteilen und Prioritäten für den Lufttransport festzulegen”, erklärt Harrer. „Sie müssen Patienten zudem medizinisch und pflegerisch für Lufttransporte vorbereiten und medizinische Notfälle in der Luft behandeln können.”

@Christian Huber
Lehrgangsleiter Oberst Hans Schalk ist mit der Qualität des Ausbildungsangebots zufrieden: „Das Interesse am Kurs ist auch aus dem Ausland sehr groß.”

Damit aber nicht genug: Ergänzend zum Lehrgang in Hörsching gehören zur Ausbildung der Aeromedical Evacuation Crew Member auch noch eine flugphysiologische Basisausbildung
inklusive Unterdruckkammerfahrt, ein Flight Safety- und Security-Training, eine Gefahrstoff-Schulung sowie „Überlebenstrainings Land und See”. „Unter dem Strich ist das ein durchaus forderndes Programm, das – abhängig von den angebotenen Kursen und den verfügbaren Ausbildungsplätzen – bis zu zwei Jahre dauern kann”, sagt Schalk. Aktuell wird der Lehrgang in Hörsching in Kooperation mit der niederländischen Armee – die neben sieben der insgesamt 14 Lehrgangsteilnehmer auch zwei Ausbildner stellt und in ihrer Luftflotte ebenfalls C-130 betreibt – einmal alle zwei Jahre angeboten. „Die Nachfrage ist sehr groß”, sagt der Bundesheer-Oberst. Das liegt auch und vor allem an den optimalen Bedingungen: Geübt und trainiert wird nämlich nicht nur in den drei im Flugbetrieb befindlichen Hercules, sondern auch im Rumpf einer 2015 aus britischen Beständen angekauften und nun in einem Hangar in Hörsching geparkten vierten Maschine.

@Christian Huber
Das Bundesheer muss in der Lage sein, sogenannte Aeromedical Evacuations mit der C-130 oder bei Bedarf auch mit Hubschraubern oder zivilen Maschinen sicherzustellen.

Einige Meter weiter im Hangar befindet sich ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des rot-weiß-roten Patientenlufttransports, ein auf einer Luftfrachtpalette fixierter schall- und vibrationsgedämmter 20-Fuß-Spezialcontainer aus Aluminium. Dieses vom Bundesheer gemeinsam mit einer oberösterreichischen Firma entwickelte Patientenlufttransportmodul (MEDEVAC-Modul) mit eigener Notstrom- und Sauerstoffversorgung garantiert optimale Transportbedingungen für Patienten. „Etwas Vergleichbares gibt es in keiner anderen Armee”, erzählt Offiziersstellvertreter Harrer. „Darin können – abhängig von der gewählten Konfiguration mit Intensive Care Units und Non Intensive Care Units – zwei Intensivpatienten oder bis zu neun leicht verletzte Patienten transportiert und betreut werden.”

@Christian Huber
Alleinstellungsmerkmal: Das Patientenlufttransportmodul besteht aus einem auf einer Luftfrachtpalette montierten schall- und vibrationsgedämmten Spezialcontainer. „Etwas Vergleichbares gibt es in keiner anderen Armee“, sagt Offiziersstellvertreter Martin Harrer.

Die Ausstattung zur notfallmedizinischen Versorgung ist umfangreich: Dazu gehört ein Monitoring-System zur Überwachung der Atmung und Herzfrequenz ebenso wie ein Beatmungs- und Absaugesystem, Möglichkeiten zur Infusionsbehandlung, ein Defibrillator sowie Geräte zur Erhaltung der Körperwärme.

@Christian Huber
Die umfangreiche Ausstattung des MEDEVAC-Moduls ermöglicht optimale Transportbedingungen für Patienten.

Für die Soldaten in der Hercules ist der weiße Container mit dem markanten roten Kreuz auf der Seite vorerst Zukunftsmusik. Nachdem sie die Stanchions in Position gebracht haben, sind sie nun damit beschäftigt, Gurte für die Krankentragen an Haken an der Decke des Laderaums zu befestigen. Ohne Container können in der Hercules bei der sogenannten Stretcher-Variante bis zu 74 liegende Patienten transportiert werden. „Beim Bundesheer haben wir allerdings in der Regel eine Maximalbelegung von 18 Personen vorgesehen”, sagt Oberst Schalk und unterbricht einen der Soldaten in seiner Tätigkeit. Einer der Gurte ist verdreht. „Eine Kleinigkeit, sagt der Offizier. „Aber beim Thema Sicherheit muss jeder Handgriff sitzen.” Das gilt für den Ernstfall, aber auch schon jetzt während der Ausbildung.

Quelle@Christian Huber