General Haftar musste sich mit seiner LNA nach den Kämpfen der vergangenen Wochen nach Sirte zurückgezogen. Laut dem österreichischen Libyen-Experten Wolfgang Pusztai

Der österreichische Nahost- und Libyen-Experte und ehemalige Verteidigungsattaché in Libyen und Tunesien, Wolfgang Pusztai, ist auch Vorsitzender der Beratergruppe des „National Council on U.S.-Libya Relations” und in dieser Funktion immer wieder in der Sendung „Africa News” des offiziellen US-amerikanischen Auslandssenders „Voice of America” zu Gast. In der aktuellen Ausgabe erläutert Pusztai (ab Minute 9:25, siehe unten) die Nachwirkungen der massiven türkischen Unterstützung der international anerkannten „Regierung der Nationalen Übereinkunft” (GNA) von Premier al-Sarraj. Mit Waffen, Söldnern und weiterer militärischer Unterstützung aus Ankara war es der GNA wie berichtet gelungen, die selbsternannte Libysche Nationalarmee (LNA) von General Chalifa Haftar zurückzuschlagen.

@US AFRICOM / Rundschau
Auf dieser Luftaufnahme ist eine MiG-29 Fulcrum der LNA auf der Al Jufra Luftwaffenbasis zu sehen.

Im Gegenzug scheint die Türkei nun eine dauerhafte militärische Präsenz auf der westlibyschen Luftbasis Al Wattiya und im Militärhafen von Misrata einrichten zu dürfen. Pusztai spricht in der Sendung auch über die Auswirkungen dieser Präsenz auf die – für die aktuellen Entwicklungen im Land völlig unbedeutende – Europäische Union (Stichwort Flüchtlingsroute im zentralen Mittelmeer) sowie die zahnlose Operation „Irini”.

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Laut Pusztais Informationen scheint sich die vor Tripolis zurückgeschlagene LNA von General Haftar nun bei Sirte eingeigelt zu haben und dort auf die bevorstehende Offensive der GNA und der Türkei (Operation „Burkan Al-Ghadab” oder „Volcano”) zu warten. Dafür wurde so einiges zusammengezogen: So sollen drei türkische FFG-7-Fregatten (Oliver Hazard Perry-Klasse Lenkwaffenfregatten) den Angriff gegen die neuen „Wagner-Jets” abdecken. Außerdem wurde im Raum Al Washkah (südlich von Misrata und westlich von Sirte) eine SA-3 (S-125 Newa/Pechora) eine Luftabwehrbatterie in Stellung gebracht. Dabei handelt es sich offenbar um eine modifizierte Version, die erst kürzlich mit türkischer Unterstützung (S-125-2D aus der Ukraine? Reichweite +40km) beschafft worden war.

Auch zu den zuletzt via Syrien eingeflogenen russischen MiG-29 und Su-24 der LNA (unseren Bericht dazu finden Sie hier) gibt es neue Details und Satellitenfotos des US AFRICOM-Kommandos: „Diese Flugzeuge kamen eindeutig aus Russland”, so U.S. Marine Corps Brigadegeneral Bradford Gering, US AFRICOM Director of Operations. „Unsere Sorge ist, dass diese Flugzeuge von unerfahrenen Söldnern (Anm.: rekrutiert von der Wagner-Group – siehe auch Infos weiter unten) geflogen werden, die sich nicht an die ,Spielregeln’ bewaffneter Konflikte halten und das Völkerrecht ignorieren. In diesem Fall wäre das Leben zahlreicher unschuldiger Menschen in Gefahr.”

@Georg Mader
Der ehemalige Bundesheer-Offizier und Verteidigungsattaché in Libyen und Tunesien, Wolfgang Pusztai, ist auch Vorsitzender der Beratergruppe des „National Council on U.S.-Libya Relations”.

Laut Wolfgang Pusztai können die vier oder sechs neuen Su-24 Fencer der LNA von ihrem eigenen Personal betrieben werden, Jets dieses Typs waren auch bereits Teil der Gaddafi-Luftwaffe. Was die 14 anonymen (unmarkierten) MiG-29 betrifft, so dürften diese von Personal der mit Fulcrums vertrauten syrischen Luftwaffe betrieben werden. Für beide Typen gibt es weltweit zudem genug Wagner-rekrutierte Söldner; Techniker ebenso wie Piloten. Der Einsatz dieser Jets dürfte den bevorstehenden GNA-Angriff zwar zeitweilig verzögern oder stoppen können, mittelfristig wird die LNA aber ohne ernsthafte Unterstützung von Ägypten und der VAE gegen die ISR- plus Feuerüberlegenheit der Türken wohl nicht bestehen können. Eine direkte militärische Involvierung der Ägypter (einzelne ägyptische Luftangriffe in Libyen gab es wiederholt, auch mit Rafále-Kampfjets) ist aber wohl nur zu erwarten, wenn die GNA-türkische Offensive weiter nach Osten Richtung Benghasi vorstoßen sollte.

Als „Nummer eins”-Waffenhändler in Afrika unterhält Russland nun übrigens in insgesamt 16 afrikanischen Ländern private Sicherheits- und Militärunternehmen (sogenannte PMC – Private Military Company) wie die Wagner-Group. In Libyen wird ihre Zahl samt Ausbildnern und Logistikern auf bis zu 2.000 Mann geschätzt.

Update: Kurier-Podcast „Was Erdogan mit Libyen vorhat” mit Wolfgang Pusztai vom 3. Juli.