Seit Beginn des Krieges in der Ukraine wundern sich viele Experten darüber, wie es den Ukrainern gelingt, immer wieder hohe russische Offiziere auszuschalten, besonders effektiv russische Konvois zu bekämpfen und ganz allgemein dem Ansturm der russischen Armee standzuhalten. Wie sich nun zeigt, dürfte dafür zu einem großen Teil ein besonders effektives Feuerleitsystem mitverantwortlich sein.

Ein aktueller Twitter-Thread von Trent Telenko beschreibt das hinter dem Feuerleitsystem „GIS Art for Artillery” stehende Softwarepaket von Yaroslav Sherstyuk, das in seinen Grundzügen an die Taxisoftware von Uber erinnert. Dabei werden Ziele eingeben und den Waffen in Reichweite zugewiesen – dies können zum Beispiel Mörser, Raketenwerfer, Artilleriegeschütze und Drohnen sein. Revolutionär daran: Die Möglichkeit an verschiedene Geschütze zeitlich abgestimmte Feuerbefehle zu erteilen. So kann das Feuer von unterschiedlichen Waffen und Kalibern sowie aus unterschiedlichen Richtungen zeitgleich im Ziel landen.

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Die Ukrainer haben damit den althergebrachten Weg verlassen, den heute noch viele Armeen pflegen, insbesondere auch der russische Gegner – Feuerleitlösungen für ganze Batterien zu erstellen, die dann als Einheit gemeinsam von einem Ort auf ein gemeinsames Ziel feuern.

Die verwendeten Daten werden dezentral eingegeben und abgerufen und stammen aus Handys, Handhelds, Laptop-Computern, Drohnen, Satelliten-Bildern – oder auch aus externen Quellen. Mit dieser verteilten Softwareumgebung hat es die ukrainische Armee geschafft den Zeitraum von der Anforderung bis zum Feuerbefehl von 20 Minuten auf bis zu 30 Sekunden zu reduzieren.

@Archiv
Einfache Zielzuweisung: Auf Knopfdruck lässt sich aus allen Richtungen mit allen Kalibern das Feuer auf einzelne Stellungen konzentrieren.

Zum Vergleich: Die US-Armee benötigt „von der Zielerkennung bis zum Feuerbefehl” bis zu eine Stunde – was viel mit dem Bemühen zu tun hat „freundliches Feuer” (Beschuss eigener Einheiten) zu verhindern und Kollateralschäden zu vermeiden.

Cyberkriegsführung
Russland war sich offenbar dieser Software bewusst – und auch von deren Abhängigkeit von SATCOM-Terminals um die Geräte zu vernetzen. Russland eröffnete daher den Krieg auch mit einem „Zero-Day-Exploit” und schaltete alle SATCOM-Terminals der Ukraine ab – und darüber hinaus auch einige in Europa. Opfer dieser Cyber Attacke war unter anderem das SCADA der europäischen erneuerbaren Energien. Insgesamt waren 30.000 Satellitenterminals unterschiedlicher Branchen betroffen.

Auftritt Starlink
Die Ukraine wandte sich in der Folge an Elon Musk, um ihre SATCOM-Verbindungen aus der Vorkriegszeit für „GIS Art for Artillery” durch Starlink zu ersetzen. Insgesamt wurden in der Folge öffentlichen Quellen zufolge 5.000 Starlink Terminals an die Ukraine übergeben. Bezahlt wurden diese zum Teil vom US Verteidigungministerium, den Transport finanzierte zumindet zum Teil USAID (United States Agency for International Development). In Folge hat SpaceX nicht nur das US Verteidigungministerium verblüfft, sondern auch viele Geheimdienste der Welt – es hat die stärksten Cyber- und Jamming-Angriffe, die die russische Föderation veranstalten kann, mühelos besiegt.

Mit im Paket war ein verschlüsselter Punkt-zu-Punkt-E-Mail-Dienst für Starlink-Benutzer, der ukrainischen Militäreinheiten dabei hilft mit minimaler elektronischer Signatur zu kommunizieren.

Die Schlacht um die Schlangeninsel

Der erste „Starlink-Krieg”
Die ukrainische App „GIS Art for Artillery” in Kombination mit Starlink gibt dem ukrainischen Militär eine messbar bessere Artillerieführung und -kontrolle. Die ukrainische Armee übertrifft damit alle bekannten Systeme – und sehr wesentlich und entscheidend auch das der russischen Armee. Die Seite mit Starlink schlägt die Seite ohne. Die „netzwerkzentrierte Kriegsführung” findet man seit Jahrzehnten auf den Powerpoint Folien und in den Broschüren bei militärischen Fachkonferenzen und der Rüstungsindustrie. In der Ukraine zeigt sich offenbar die Stärke des Konzepts auf dem Schlachtfeld.

Welche Auswirkungen das hat wenn die mit Lasercom ausgestatteten SpaceX Gen 1.5 & 2.0 Satelliten online gehen wird man beobachten müssen. Dann wird es möglich, riesige Mengen an Daten mit hoher Bandbreite ohne bodengestützte Infrastruktur zu bewegen.

Quelle@Ukrainian Armed Forces, Archiv
Martin Rosenkranz (geboren 1968 in Wien) ist Journalist und Autodidakt für Luftfahrt-, Militär- und Technologiethemen. Er war Chefredakteur des Luftfahrtportals www.airpower.at. Hat viele Jahre die Ausschreibung und Beschaffung der Eurofighter Typhoon sowie die Nachwehen journalistisch begleitet, militärischen Verbänden und Rüstungsunternehmen im In- und Ausland besucht und war bei Fachseminaren eingeladen.