Der Erste Weltkrieg (1914-1918) forderte vom aktiven Unteroffizierskorps einen hohen Blutzoll. Daher erhielten viele Unteroffiziere die Möglichkeit Berufsoffiziere mit dem Rang eines Offiziersstellvertreters zu werden. Wie auch bei den Offizieren, standen bei den Unteroffizieren bei Kriegsende eine große Anzahl zur Verfügung. Aufgrund der Beschränkungen durch den Friedensvertrag von St. Germain durften im Jahr 1920 jedoch nur 2.000 Unteroffiziere in das neue Bundesheer aufgenommen werden.

Da die Zahl der Bewerber diese maximale Zahl an Unteroffizieren jedoch bei weitem übertraf, wurden viele Unteroffiziere in anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung beziehungsweise des Heeresresorts eingeteilt. Wichtig wurde nun die Gruppe der Chargen: Gefreite, Korporal (ab 1927), Zugsführer. Diese übernahmen im Bundesheer vielfach die Aufgaben von Unteroffizieren und waren dementsprechend gut ausgebildet. Für die Verleihung des Dienstgrads Gefreiter musste nicht nur ein dementsprechender Posten im Dienstplan frei sein, sondern die Bewerber hatten auch militärische Prüfungen abzulegen.

Der Nachwuchs der Unteroffiziere erfolgte aus Zugsführern, die sich auf neun Dienstjahre verpflichteten. Bei besonderer Bewährung als Unteroffizier wurde diese Dienstzeit auf 15 Jahre verlängert. Nach Beendigung dieser Dienstverpflichtung wurden diese zeitverpflichteten Unteroffiziere in die Heeresverwaltung oder in den zivilen Bundesdienst, besonders in den Gendarmerie- oder Zollwachtdienst, übernommen.

Nur einem verhältnismäßig kleinen Teil der Unteroffiziere war es möglich Berufsunteroffizier zu werden. Damit diesen 35 Jahre dienenden Soldaten eine weitere Aufstiegsmöglichkeit geboten werden konnte, führte das Ministerium den Rang Vizeleutnant ein. Die Schaffung dieser Unteroffizierscharge war für die Unteroffiziere ein finanzieller Schritt nach vorne, da sie nun annähernd an die Bezüge eines Majors herankamen.

@Archiv Rauchenbichler
Die Militär-Unterrealschule in Straß: Eine Aufnahme aus der Zeit der k.u.k. Monarchie.

Eine militärische Voraussetzung für die Beförderung zum Vizeleutnant war die erfolgreiche Teilnahme am Zugskommandantenkurs. In Graz fand von März bis Juni 1925 ein solcher Zugskommandantenkurs für Vizeleutnants beziehungsweise für den Rang eines Vizeleutnants in Betracht kommende Unteroffiziere statt. Ziel dieses Kurses war es, diese Unteroffiziere zur Führung einer Schützen- beziehungsweise Maschinengewehrgruppe unter allen Verhältnissen auszubilden. Im Ausnahmefall sollten sie auch die Fähigkeit besitzen, einen Zug unter einfachen Verhältnissen zu führen. Diese Planungen waren noch von den ursprünglich hohen Offiziersstellen beeinflusst. Als sich jedoch die Anzahl der aktiven Offiziere in den 1920er-Jahren in Folge der Sparmaßnahmen des Staates massiv verringerte, war es bereits der Regelfall, dass Vizeleutnante als Zugskommandanten eingesetzt wurden.

Alle Offiziersstellvertreter, welche mit 31. Dezember 1924 eine effektive Militärdienstzeit von 14 Jahren vorweisen konnten, waren dem jeweiligen Truppenkommando vorzulegen. Mit dem Verordnungsblatt Nr. 7 des Jahres 1925 wurden die ersten Unteroffiziere zu Vizeleutnanten befördert. Diese Beförderung erfolgte rückwirkend mit 1. Jänner 1925. Es wurden jedoch nicht sofort alle Absolventen des Zugskommandantenkurs befördert, da das Ministerium für Heereswesen aus Geldmangel nur eine begrenzte Anzahl dieser Dienstposten genehmigte.

Einer dieser Unteroffiziere war Franz Woletz, der beim III. Bataillon des Alpenjägerregiments Nr. 9 (AJR Nr. 9) in Straß den Dienst versah. Am 12. Jänner 1925 erhielt er von Brigadekommandant Generalmajor Plachota folgende Belobigung:

„Ich spreche Ihnen für 4-jährige vorzügliche Dienstleistung als MG Zugskommandant und Lehrer in der Körperausbildung den Dank und die belobende Anerkennung im Namen des Dienstes aus.“

Wer war nun dieser verdiente Unteroffizier? Franz Woletz wurde 1880 in Wien geboren und absolvierte eine fünfjährige Volksschule sowie für die Dauer von zwei Jahren eine Hauptschule, damals Bürgerschule genannt.

Seine militärische Laufbahn begann im Jahr 1901, als er zum k.u.k. Infanterie-Regiment Nr. 93 einrückte und die Grundtechniken des Militärhandwerkes bei der 10. Kompanie erlernte. Er bildete sich militärisch weiter und absolvierte den Turn- und Fechtkurs in Wiener Neustadt sowie den MG Kurs in Bruck an der Leitha. Diese beiden Bereiche sollten auch in Zukunft seine militärische Dienstzeit prägen: Mit Dezember 1906 wurde er zur Militär-Unterrealschule (MUR) nach Straß dienstzugeteilt und als Turn- und Fechtlehrgehilfe eingeteilt. Der Dienstort Straß war nun der Mittelpunkt seines dienstlichen und privaten Lebens. Für seine Tätigkeiten an der MUR sprach ihm das III. Korpskommando im Februar 1914 die belobigende Anerkennung für „seine besonders ersprießliche und von den besten Erfolgen begleitete Dienstleistung als Lehrgehilfe” aus.

Während des Ersten Weltkrieges verbrachte er nur wenige Monate im direkten Kriegseinsatz an der Front, sondern verblieb als Lehrer an der MUR bis zur Einstellung des Lehrbetriebes beim Zusammenbruch der k.u.k. Monarchie im Herbst 1918.

Woletz hatte die Möglichkeit weiterhin als Lehrer im Bundesdienst zu bleiben und unterrichtete von 2. Dezember 1918 bis 7. Juli 1919 in Wiener Neustadt. Danach folgte ein längerer Krankenstand bis 15. September. Wieder genesen versah er in weiterer Folge bis 29. Oktober den Dienst beim Landesbefehlshaber in Graz. Mit diesem Tag meldete er sich freiwillig beim Volkswehrbataillon Nr. 12, welches Anfang Oktober 1919 in seine Heimat nach Straß in die ehemalige MUR verlegt wurde. Die Möglichkeit wieder an seinem alten Dienstort zu arbeiten, war zu verlockend, daher versah er den Dienst als Kompanieschreiber der 1. Kompanie. In weiterer Folge suchte er um die Aufnahme beim Bundesheer an, in welches er am 1. September 1920 offiziell übernommen wurde. Im Oktober wurde er definitiv beim III. Bataillon des AJR Nr. 9 in seinem Wohnort Straß eingeteilt. Seine alte Schule wurde somit erneut sein Dienstort.

@Bataillonsmuseum Straß
Vizeleutnant Franz Woletz in den späten 1920er-Jahren.

Bereits seine ersten Dienstbeschreibungen im Bundesheer bezeichneten ihn als ernsten und gediegenen Charakter, der jedoch als „absolut verlässlicher Soldat mit einem ausgezeichneten Pflichtgefühl” galt. Nach der Absolvierung des Zugskommandantenkurs wurde er im Jahr 1925 zum Vizeleutnant ernannt. Aufgrund seiner Leistungen wurde er für den innehabenden Posten in diesen Jahren als „sehr geeignet” beziehungsweise „hervorragend geeignet” bezeichnet.

Vizeleutnant Woletz war während seiner gesamten Dienstzeit in Straß als MG Zugskommandant, einem der anspruchsvollsten Posten, eingeteilt. Seine Kommandanten stuften ihn als guten Ausbilder ein, da sein positiver Einfluss auf die ihm untergebenen Soldaten in allen militärischen Belangen erkennbar war. Alle seine Vorgesetzten waren mit seinem Einsatz für das Straßer Bataillon immer sehr zufrieden. Ende April 1931 erfolgte seine verdiente Versetzung in den Ruhestand.

Als aktives Mitglied des regierungstreuen Soldatenverbandes Wehrbund hat er mit gleichgesinnten Offizieren die Soldaten der Garnison Straß immer wieder im Sinne der Regierung beeinflusst. Mit seinem Kompaniekommandanten Major Adalbert Lontschar soll er die Alpenjäger zum Beitritt in den Wehrbund gezwungen haben beziehungsweise terrorisierte er Anhänger des sozialistischen Militärverbands. Diese Einflussnahme wurde in den Jahren 1926 und 1927 in der sozialistischen Zeitung Arbeiterwille thematisiert und heftig kritisiert.

Franz Woletz war seit 1909 verheiratet und seit 1919 in Straß wohnhaft. Er hatte zwei Töchter, eine dritte verstarb sehr früh nach der Geburt. Außerdienstlich war er im zivilen Vereinsleben des Großraums Straß sehr gut integriert: er war begeistertes Mitglied im örtlichen Turnverein, im Gesangsverein und nahm bei öffentlichen Auftritten der örtlichen Theatergruppen teil.

Gefreiter seit 11. Oktober 1902
Korporal seit 15. Mai 1904
Zugsführer seit 26. Dezember 1904
Feldwebel seit 1. Dezember 1906
Vizeleutnant seit 1925
Quelle@Bataillonsmuseum Straß, Archiv Rauchenbichler
Der Milizoffizier und Oberstufen-Lehrer hat seit 2009 zahlreiche Artikel zu militärhistorischen Themen aus der Zwischenkriegszeit und insbesondere zum Thema Bundesheer der Ersten Republik u.a. in der Bataillonszeitung „Der Panther” des Jägerbataillons 17 veröffentlicht.