Laut einer aktuellen Pressemeldung von ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) haben sich das Unternehmen und die neue deutsche Regierung mit dem israelischen Verteidigungsministerium auf die finanziellen Rahmenbedingungen für den Verkauf von drei weiteren deutschen U-Booten für Israels Marine geeinigt.

@TKMS
Rolf Wirtz von ThyssenKrupp (links) und Amir Eshel vom Verteidigungsministerium (rechts) unterschrieben den Kauf-Vertrag.

Die Kosten des neuen U-Boot-Deals liegen nach diversen deutschen Medienberichten bei rund drei Milliarden Euro. Der deutsche Finanzierungsanteil am Bau der U-Boote war nach der 2017 unterzeichneten Regierungsvereinbarung auf 540 Millionen Euro gedeckelt, inzwischen einigten sich die Beteiligten laut offizieller Mitteilung allerdings zudem auf eine strategische Industriekooperation über mehr als 850 Millionen Euro. Die Gelder sollen in israelische Unternehmen, unter anderem im Verteidigungssektor, investiert werden. In Summe übernimmt Deutschland also rund ein Drittel des finanziellen Volumens, oder sozusagen eines der drei Boote. Auch die neue Ampel-Bundesregierung begründete ihr Engagement mit der besonderen Verantwortung Deutschlands für die Sicherheit Israels – ex-Kanzlerin Merkel hatte das einst sogar als „Staatsräson Deutschlands” bezeichnet. Innenpolitisch sorgt schon der Verkauf der vorherigen Dolphin-Boote für viele Diskussionen und Kritik, weil Israel deren untere (größeren) Torpedorohre theoretisch mit nuklear bestückten Popeye-Turbo-Marschflugkörpern bestücken könnte.

Fünf Jahre auf Tauchstation
Der Kauf der drei U-Boote der sogenannten Dakar-Klasse gründet auf einer Kaufabsicht Israels aus dem Jahr 2017, lag wegen Korruptionsvorwürfen aber seither „auf Grund”. In Israel läuft ein entsprechendes Verfahren gegen mehrere Beteiligte des U-Boot-Geschäfts. Ex-Regierungschef Benjamin Netanjahu (Likud) wurde dazu ebenfalls befragt, galt aber nicht als Verdächtiger. Ihm wurde vorgeworfen, die Beschaffung gegen den Willen von Militär (Stichwort „zu viele U-Boote”) und Verteidigungsministerium durchgesetzt zu haben. Die derzeitige Regierung unter Ministerpräsident Naftali Bennett plant dazu einen Untersuchungsausschuss. Ermittlungen im sogenannten „Fall-3000” laufen gegen Netanjahus Cousin und Rechtsanwalt David Schimron. Dieser habe bei dem Geschäft in einem Interessenkonflikt gestanden, weil er den israelischen Geschäftsmann Michael Ganor vertrat, der Vertriebspartner des deutschen Schiffsbauer ThyssenKrupp in Israel ist, durch die Wartung der U-Boote Geld verdient und angeblich Schmiergelder an hohe Funktionäre weiterleitete, um den Deal voranzutreiben. In Deutschland wurden Ermittlungen in der Causa bereits Ende 2020 mangels „hinreichendem Tatverdacht im Inland” bereits eingestellt.

@Georg Mader
Die TKMS-Werft in Kiel: Hier arbeitet rund die Hälfte aller Mitarbeiter des Unternehmens.

TKMS stolz auf „innovative Spitzentechnologie”Rolf Wirtz, heute Vorstandsvorsitzender von TKMS, sagte, er sei „stolz, die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit dem israelischen Verteidigungsministerium und der israelischen Marine fortsetzen zu können. Mit der neuen U-Boot-Klasse wird Israel mit innovativer Spitzentechnologie ausgestattet. Diese Vereinbarung zeigt das große Engagement von Thyssenkrupp Marine Systems, die Sicherheit Israels langfristig zu gewährleisten. Die Unterzeichnung erfolgte nach gründlicher und umfassender Vorarbeit, und ich möchte unseren Partnern im Verteidigungsministerium und der israelischen Marine für ihr Engagement und ihre Professionalität danken.” Israels Verteidigungsminister Benny Gantz dankte der deutsche Bundesregierung für ihre Hilfe im Zusammenhang mit dem Geschäft und für ihr Engagement für die Sicherheit Israels. Nach seinen Angaben soll das erste U-Boot innerhalb von sieben Jahren nach Israel geliefert werden.

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Die neuen Boote dwerden mit einer Länge von mehr als 80 Metern die größten jemals in Deutschland gebauten U-Boote. Obwohl ebenfalls mit außenluftunabhängigem Brennstoffzellen-Antrieb versehen, werden sie sich deutlich von den Booten der zuvor von TKMS nach Israel gelieferten Dolphin II- Klasse unterscheiden und speziell auf die Anforderungen der israelischen Marine zugeschnitten sein. Anhand einer veröffentlichten Computergrafik des Herstellers scheinen die Boote einen stark verlängerten Turm zu erhalten, was eventuell auf ein vertikales Startsystem für Flugkörper (VLS) bis hin zu ballistischen Raketen schliessen lässt. Diese Eigenschaft ist bei konventionell angetriebenen U-Booten – überhaupt im Turm – immer noch äußerst selten und wäre eine neue Fähigkeit für die israelische Marine, die dadurch eine erhebliche zusätzliche Angriffskapazität erhalten würde. Gleichzeitig scheint es durchaus möglich, dass Israel mit den Schiffen – angesichts der iranischen Entwicklungen und der anhaltenden Befürchtungen, dass Teheran sich plötzlich doch zum Atomwaffenstaat erklärten könnte – eine robustere Zweitschlagsfähigkeit anstrebt. Zudem würden parallel dazu die Torpedorohre für mehr Torpedos „freigehalten”.

@Israel Navy
Israel hat bei TKMS früher bereits U-Boote der Dolphin II-Klasse bestellt.

Möglicherweise könnte der größere Platz im Inneren des Turms (englisch „Sail”) der israelischen Marine aber auch mehr Kapazitäten mit Blickrichtung auf Spezialoperationen bieten. Damit könnte beispielsweise der Missionsraum für Spezialeinsatzteams und ihre Ausrüstung vergrößert werden, denkbar ist die Integration eines Nass- und Trockenraums für den Einsatz der Teams und ihrer Ausrüstung. Alternativ könnte der zusätzliche Platz auch für den Einsatz von unbemannten Unterwasserfahrzeugen (UUVs) oder den Start unbemannter Luftfahrzeuge genutzt werden, die bei U-Boot-Operationen zunehmend zum Standard werden. Schon längst geht der Einsatzzweck von U-Booten weit über die Versenkung feindlicher Schiffe hinaus. Zusätzlicher interner Raum wäre auch nützlich für erweiterte Führungs- und Kontrolleinrichtungen oder für verschiedener Arten von neuer Überwachungs- und Aufklärungstechnologie (ISR).

Derzeit ist übrigens INS Drakon als das letzte der drei Dolphin-II-Schiffe (die zweite Tranche für Israel) vor der Küste Norddeutschlands zu Tests auf See. U-Boot-Experten wie H. I. Sutton spekulieren, dass es im Vergleich zu früheren Booten der gleichen Klasse in der Länge vergrößert wurde, um bereits einige der für die Dakar-Klasse geplanten Änderungen aufzunehmen. Somit könnte INS Drakon als Testfahrzeug gedacht sein, um damit bereits zukünftige Technologien ausprobieren zu können. Angesichts der strikten Geheimhaltung und „No Comment Policy” gerade rund um die israelischen U-Boote muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass all jene möglichen Fähigkeitszuschreibungen eines sind und vorerst bleiben: Mutmaßungen, Schätzungen und Spekulationen.

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Trend zu größeren Booten
Um für den Auftrag gerüstet zu sein, investiert TKMS nach eigenen Angaben aktuell rund 250 Millionen Euro in seine Werft. Kiel sichere damit seinen Standort als internationales Kompetenzzentrum für den konventionellen U-Boot-Bau, hieß es. Auf dem Werftgelände werden dafür bereits eine neue Schiffsbauhalle und eine Brennstoffzellenfertigung errichtet. Rund 3.600 der insgesamt 6.500 TKMS-Mitarbeitenden arbeiten am Standort Kiel mit seinen 180 Jahren Schiffbaugeschichte, der damit der größte Werftstandort Deutschlands ist. Erst im Sommer vergangenen Jahres wurde TKMS mit der Lieferung von sechs identischen U-Booten der Klasse U212CD für Norwegen (vier Schiffe) und Deutschland (zwei) im Wert von mehr als fünf Milliarden Euro beauftragt.

Zurzeit baut TKMS in Kiel bis 2024 die U-Boote Invincible (fertig), Impeccable (Stapelhub 2021), Illustrious und Inimitable für die Marine von Singapur und hat mit dem südostasiatischen Stadtstaat auch ein Kooperationsabkommen für Ausbildung und Wartung geschlossen. Mit einer Länge von knapp mehr als 70 Metern und einer Verdrängung von 2.400 Tonnen waren schon diese Boote der Klasse 218SG noch größer als die zuvor für Israel, Deutschland, Griechenland und Portugal gebauten Schiffe, welche zwischen 56 und 68 Meter lang sind. Für diese besonders für Einsätze in tropischen Gewässern mit vielen Flachwasserbereichen optimierte Neuanschaffungen investiert Singapur bei TKMS rund 1,7 Milliarden Euro – nur für die ersten beiden Boote. „Der Trend geht jedenfalls zu größeren U-Booten wie diesen”, erklärte Rolf Wirtz damals als Werftvorstand gegenüber THB (Täglicher Hafenbericht). Inzwischen seien auch Boote mit einer Verdrängung von 2.800 und mehr als 3.000 Tonnen in der Projektabteilung in Planung.

@David Morgan Creative Commons
Das bei seiner Überstellungsfahrt am 29. Jänner 1968 im Mittelmeer verloren gegangene Unterseeboot wurde erst mehr als drei Jahrzehnte später wiedergefunden. Der Turm des Schiffes kann heute in Haifa besichtigt werden.

Ein Name im Gedenken an eine Tragödie
Dakar als israelischer Name der neuen Bootsklasse hat übrigens nichts mit der Hauptstadt des westafrikanischen Senegal zu tun. Es war der Name eines alten britischen U-Boots aus dem Jahr 1944, welches Israel gekauft hatte und das am 29. Jänner 1968 bei seiner Überstellungsfahrt von Portsmouth nach Haifa zwischen Kreta und Zypern verschwand. Erst 1999 wieder gefunden, wurde sein Turm (anhand dessen Beschädigung eine Kollision mit einem Schiff oder ein anderer mechanischer Grund für den Totalverlust vermutet wird) geborgen und in einem eigenen Mahnmal an die 69 ertrunkenen Seeleute in Haifa aufgestellt (siehe Video und hier). Jährlich wird seither an jener Stelle durch ein aktives U-Boot der schlimmsten Trangödie der israelischen Marine gedacht.

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Quelle@TKMS, Israel Navy, Georg Mader, David Morgan Creative Commons