Versuch einer Einordnung
Alle genannten Muster können natürlich den einzigen Job des „Air Policing”, als sozusagen einzigem täglichen echten Einsatz des eigenen Militärs im Inland im Frieden. Gute Chancen im spezifischen Schweizer „Regime” hat sicher das französische Muster, der Vor-Vorläufer Mirage-III/RS war in der Schweiz eine Erfolgsgeschichte, die Rafále hat in der Erst-Reihung vor dem letztlichen „Anti Gripen-Referendum” 2014 vorn gelegen, war aber auch das teuerste Modell. Es hat seit 2014 einige Exporterfolge zu verzeichnen (Ägypten, Katar, Indien) und wird für die französische Armee/Marine im Nachbarland weiterhin gebaut, französische Sprache und wie bisher Austauschpiloten inklusive. Ein deutlich größeres Joint Procurement-Potential ist hingegen bei der letzten Version des Eurofighter EF-2000 Typhoon absehbar, geht man von den deutschen Plänen für 38 Tranche-3 als Ersatz für Tranche-1 beziehungsweise sogar 93 Stück (einer Art Tranche-4) als Ersatz für den Tornado aus. Dazu winkt noch das „Mitnehmen” des elektronisch strahlsuchenden AESA-Radars CAPTOR-E, welches für 110 deutsche und spanische T2 und T3 vorgesehen ist. Übrigens: Rafále-F4 hat ein solches schon längst. Wichtiger ist aber: Einen Dissens um Technologietransfer beziehungsweise -authorität wird es bei diesen beiden europäischen Kandidaten eher weniger geben.

@armasuisse
Auch diese F/A-18F der US-Navy nahm im vergangenen Jahr an den Flug- und Bodenerprobungen in Payerne teil.

Anders bei den Mitbewerbern aus den USA. Hier wird immer wieder die für die sicherheitspolitisch unabhängig bleibend wollende Schweiz die Frage aufgeworfen, wer die Systemdaten explizit der Kampfflugzeuge – also beispielsweise nicht bei Hubschraubern – kontrolliere und argumentiert, dass man bei Software und IKT-Infrastruktur letztlich völlig abhängig von den unberechenbarer gewordenen USA wäre. Während man diesbezüglich das System F-18 aus eigenem Betrieb und von der damals in der Schweiz erfolgten Endmontage auch im Hinblick auf Synergien und mit Super Hornet weiter verwendbarer Teile der Infrastruktur besser kennt, ist das beim einzigen Kandidaten der 5. Generation nicht so. Immer wieder wird medial hinterfragt, wozu man für den Luftpolizeidienst eine schwer erfassbare und schwerpunktmäßg auf Angriff ausgerichtete Plattform wie den F-35 brauche, ein Schweizer JSF wird vor diesem Hintergrund als völlig überzogen bezeichnet. Dem ist entgegenzuhalten, dass es durchaus verständlich ist, wenn militärische Bewerter hinsichtlich einer Beschaffung für einige Jahrzehnte den neuesten erhältlichen Tarnkappen- und Sensortechnologien große Gewichtung zumessen.

Nein zu Luxus-Kampfjets!
Hinter diesem Aufruf der Schweizer SP bündelt sich der Ansatz jener Kräfte, welche am 27. September zur Abstimmung gegen die Regierungsvorlage „Air2030” aufrufen. Darunter wird sich zwar auch das pazifistische Element sammeln, welches neue Flugzeuge ebenso ablehnt wie Militär überhaupt (à GSoA / Gruppe Schweiz ohne Armee). Aber das sei in der Schweiz nicht mehrheitsfähig, so versichern einem Proponenten beider Lager. Es werde sich an den Kosten entscheiden. Daher bewirbt die zwar in der Schweizer Konkordanz-Demokratie mitregierende SP ihr Gegenkonzept „Air2030plus” – es hätte besser den Zusatz „light” tragen sollen. Denn ein Kernelement darin sind sehr wohl auch neue Maschinen, aber eben leichte Kampfflugzeuge (LCA) und hier speziell die – auch in Österreich als Saab-105-Ersatz diskutierte – M346FA von Leonardo. Man spricht sich – ähnlich der beiden Konzepte der Vorgänger von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner – für den Erhalt einer Zwei-Flotten-Lösung aus. Das blieb zwar in den vorangegangenen Räte-Abstimmungen in der Minderheit, soll aber als wesentlich billiger dem Stimmbürger zur Wahl gestellt werden. Es wird in Abrede gestellt, dass die bestehenden F/A-18C/D bald am Ende wären, sie sollten nach dem Beispiel der kanadischen CF-18 (samt der dort zugekauften ex-australischen F-18) nochmals lebensdauerverlängert werden. Denn die F-35 sei völlig überzogenes Angriffsgerät und alle anderen Muster wären im Kern 30 Jahre alte Designs. Für alle Aufgaben unter den F/A-18 und als Ersatz für die F-5E/F, spricht sich der Gegenvorschlag für die Beschaffung von M-346FA aus, in deren letzter Version mit Bordradar, IR-Sensorbehälter und Lenkwaffen.

@Georg Mader
Dem M346FA von Leonardo werden Außenseiterchancen eingeräumt – die SP sieht in dem italienischen Leonardo-Spross eine kostengünstige Lösung Ergänzung der Hornets.

Die SP hat sich im Herbst 2019 aus eigenem Antrieb die M346 selbst in Venegono angesehen und zitiert aus der Antwort des Bundesrates (das ist in der Schweiz die Bezeichnung der amtierenden Regierung, NICHT etwa einer Länderkammer) in Beantwortung einer SP-Interpellation: „Ein direkter Angriff auf die Schweiz, bei dem die ganze Luftverteidigung der NATO durchbrochen wäre, scheint aus heutiger Sicht wenig wahrscheinlich.” In Folge argumentiert man, dass bei einem – ohnehin höchst unwahrscheinlichen Angriff – auf die Schweiz deren Flugplätze und die weitere zum Start egal welcher Hochleistungsjets erforderliche Infrastruktur innerhalb weniger Minuten ausgelöscht wären. Bewaffnete Drohnen, Marschflugkörper und weitere Fernlenkwaffen würden im Fall der Fälle dafür sorgen, dass diese Jets überhaupt nie aufsteigen können. Daher der Vorschlag, die Fähigkeit zu den (Angaben wiederum laut Bundesrat) in den letzten zehn Jahren durchschnittlich geflogenen 270 Live-Missions und 20 Hot-Missions pro Jahr zur Ordnung im dicht genutzten Schweizer Luftraum selbstverständlich zu erhalten, allerdings könne die weit überwiegende Mehrheit davon eben durch leichte Kampfjets erledigt werden.

Hier wird übrigens auch noch die koreanische KAI FA-50 genannt und betont, LCAs benötigten viel weniger Alarmstart-Aufwärmzeit und würden 3- bis 4-mal länger im Luftraum verweilen können als Hochleistungsjets; von einem Zehntel der Stundenkosten ganz abgesehen. Für den Rest beziehungsweise weitere aber wenig wahrscheinliche sogenannte „robuste Szenarien” will man die vorhandenen 30 F/A-18C/D Hornet als Reserve behalten. Sie würden damit geschont und könnten – mit nochmaligem Invest (á la Kanada+ex-RAAF) noch lange zum Einsatz kommen. Zumindest solange, bis eine 6. Generation aus Tempest (Bericht) und/oder FCAS (Bericht) herangereift ist, an welcher die Hochtechnologienation Schweiz und ihre Spartenindustrie mitpartizipieren könnte. Zudem solle noch deutlich mehr in die Boden-Luft-FlA-Rak/C2-Komponente investiert werden als in der Regierungsvorlage vorgesehen.

Regierung sowie Luftwaffe lehnen diesen Gegenvorschlag aus diversen Gründen Steigleistung, EloKa, …) ab. Aus ihrer Sicht wäre ein „Nein” zu „Air2030” letztlich ein „Nein” zu einer modernen Armee und zu militärischer Landesverteidigung und daher nicht vorstellbar.”

Hier geht es zu weiteren Meldungen rund um Dassault Aviation und hier zu weiteren Meldungen rund um Airbus Defence and Space.

1
2
Quelle@armasuisse, Georg Mader