Seit 20 Jahren beschäftigt das Thema Eurofighter Österreichs Politik. Am 16. Februar diskutierten in der ORF-Sendung „Im Zentrum” Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP), Vizekanzler Werner Kogler (Die Grünen), der burgenländische Landeshauptmann Hans Peter Doskozil (SPÖ), FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer und der Präsident der Finanzprokuratur Wolfgang Peschorn über Ausstieg, Umstieg und Zukunft der rot-weiß-roten Kampfjet-Flotte. Militär Aktuell-Autor Georg Mader hat zehn Aussagen der Diskussionsteilnehmer einem Faktencheck unterzogen.

@Bundesheer/Zinner
Der Eurofighter ist ein Abfangjäger der vierten Generation, Österreich verfügt insgesamt über 15 Stück des Kampfjets, ursprünglich hätten 18 beschafft werden sollen.

Aussage 1: Vizekanzler Werner Kogler erneuerte in der Diskussion den Vorwurf, die Zahlungsvariante in Form von 18 Halbjahresraten sei nachträglich vereinbart worden, damit die Entscheidung letztlich für den Eurofighter ausfällt.
Dieser Vorwurf ist aus zeitlichen Gründen nicht haltbar. Generalmajor Hans Hamberger, der als Leiter der geheimen internen Task-Force (zur verdeckten Ermittlung gegen den Lieferanten) bekannt wurde, hat im September 2001 dem Wunsch des Finanzministers entsprochen, diese 9-Jahre Zahlungsvariante in Form von 18 Halbjahresraten „zur Verhinderung einer Finanzschuld” (nach Maastricht) als Alternative zu den zwei anderen Varianten in die Ausschreibung aufzunehmen. Damals war aber noch keineswegs sicher, ob EADS überhaupt ein valides Angebot mit Lieferfristen der ersten Ausschreibung (samt später gestrichener Zwischenlösung) anbieten wird können und an der Ausschreibung überhaupt teilnimmt.

Aussage 2: Mehrmals wurde in der Diskussion behauptet, der schwedische Gripen wäre in allen Bewertungen der 33-köpfigen militärischen Bewertungskommission vor dem Eurofighter gelegen.
Nein, es gab keine 33 Militärs die für den Gripen gewesen wären. Das schwedische Flugzeug lag – nach Öffnen der Umschläge UND Verschränkung mit den Preisen – in der 33-köpfigen Bewertungskommission nur in einer der fünf Untergruppen vorne, in der von Amtsdirektor Hofer (dem einzigen Zivilisten in der Kommission) geführten Gruppe Betrieb/Logistik. Laut Finanzministerium wäre das Gripen-Angebot aufgrund von Preisgleitklauseln und anderen Inhalten auszuscheiden gewesen wäre, am Ende wäre der Gripen in einer Variante sogar der teuerste der zur Wahl stehenden Jets gewesen und in jener dann gewählten Variante nur um 5 Prozent billiger gewesen – bei allerdings 40 Prozent weniger Leistung (einstrahlig). Die Kommission votierte also klar 4:1 für den Eurofighter, obwohl der nicht stimmberchtigte Leiter Brigadier Wolfgang Katter sie wegen Betriebskosten-Bedenken umstimmen wollte. Warum sich bis heute das Gerücht hält, dass die Militärs den Gripen wollten, ist in einer Einsichtsbemerkung von Wolfgang Spinka begründet, der sich handschriftlich darauf diverse (nicht in die Beschaffung eingebundene) Spitzenmilitärs anschlossen (Corrieri, Pleiner, …). Darauf empfahlen sie den „günstigeren” Gripen, was jener (im Betrieb) vielleicht auch gewesen wäre. Mit ihrer Einsichtsbemerkung ist Verteidigungsminister Norbert Scheibner dann in das erste Ministerfrühstück Ende Juni 2002 gegangen – aber Kanzler Wolfgang Schüssel (der das alles sicher in einem größeren EU/NATO-Zusammenhang sah) fragte wie denn Scheibner’s Kommission entschieden hätte. Zur Einsichtsbemerkung meinte Schüssel damals angeblich nur: „Ich kaufe doch nicht das Flugzeug des politischen Gegners.” Er schickte Scheibner wieder weg und am 2. Juli 2002 fiel dann die Entscheidung für den von der Kommission empfohlenen Typ, nachdem Finanzminister Karl-Heinz Grasser zuvor versichert worden war, dass alle Betriebskosten über 50 Millionen Euro pro Jahr dem laufenden Regelbudget des Verteidigungsministerims aufgeschlagen würden. Nach dem Vergleich von 2007 war aber auch davon keine Rede mehr.

@ORF
Die Diskussionsrunde in der ORF-Sendung „Im Zentrum”.

Aussage 3: Vizekanzler Werner Kogler gehauptete in der Sendung, dass sämtliche Gegengeschäfte „Luft” gewesen seien oder nur der Anbahnung von Korruption gedient haben.
So generell lässt sich das für ALLE Gegengeschäfte sicher nicht behaupten. Damit würde man den Vorwurf erheben, dass alle Jahresberichte des Wirtschaftsministeriums durchwegs gefälscht wurden. Allerdings ist nicht zu leugnen, dass in diesem Bereich viel Spielraum für Tricks und Manipulationen bestanden. Heute sind – wie zurzeit in der Flugzeugbeschaffung in der Schweiz – Gegengeschäfte im Rahmen von 60 Prozent des Auftragswerts üblich, aber keine 200 Prozent wie damals von Österreich gewünscht. Das sei laut Alan R. Bonderud, zum Zeitpunkt der Eurofighter-Beschaffung Director of Market Development for Western Europe bei Kampfflugzeug-Hersteller Lockheed, nichts weniger als „Vodoo-Economics”.

Aussage 4: Österreich hätte bereits 2007 aus dem Eurofighter-Geschäft aussteigen können.
Der neue Bundeskanzler Werner Gusenbauer forderte von seinem Verteidigungsminister Norbert Darabos mit dem Eurofighter-Ausstieg die Umsetzung eines Wahlversprechens. Dieser beauftragte daher Helmut Koziol – „einen der ausgezeichnetsten Experten des Zivilrechts” (©Gusenbauer) – mit einem Gutachten über die Chancen eines möglichen Ausstiegs. Laut Koziol wäre ein Ausstieg jedoch nur beim Vorliegen von Mängel oder bei Korruption bei der VertragsERSTELLUNG möglich gewesen. Koziol hat in weiterer Folge festgestellt, dass das Risiko viel zu hoch sei und eine – was es ja dann gewesen wäre – einseitige Vertragsauslösung erhebliche rechtliche und unverantwortbare finanzielle Risiken mit Verlusten von mehr als eine Milliarde Euro auslösen würde. Darabos hat sich daher zu Vergleichsverhandlungen entschieden (Altmannsdorf), die in der Sendung einmal mehr als „Fehler” und „Wahnsinn” bezeichnet wurden.

@Bundesheer/Grebien
Soll das System Eurofighter im Bundesheer weiter betrieben werden sind Investitionen notwendig, diese bewegen sich allerdings im Millionen-Bereich und nicht im Milliarden-Bereich, wie das oft dargestellt wird.

Aussage 5: Ex-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil thematisierte in der Sendung die mangelnde NachtFLUGtauglichkeit des Eurofighter.
Dieser Vowurf wird immer und immer wieder vorgebracht, entbehrt allerdings jeder Grundlage. Natürlich kann der Eurofighter in der Nacht fliegen! Wie sonst hätte er zur Luftraumüberwachung von mehrere Tage dauernden Großveranstaltungen wie der Fußball-Europameisterschaft 2008 oder dem jährlich stattfindenden Weltwirtschaftsforum in Davos eingesetzt werden können? Das ausgezeichnete CAPTOR-M-Radar des Eurofighter arbeitet unabhängig von Tag- oder Nacht-Bedingungen. In seiner aktuellen Konfiguration ohne IR-Sensor ist der Eurofighter in der Nacht allerdings trotzdem nicht voll EINSATZtauglich, weil er in der Nacht nicht IDENTIFIZIEREN kann.

Aussage 6: FPÖ-Bundesparteiobmann Norbert Hofer meinte in der Sendung, dass der Eurofighter Flugzeuge, die ohne Transponder in den Luftraum eindringen, nicht erkennen könne.
Dem CAPTOR-M Radar des Eurofighter (übrigens eines der größten Fighter-Radars vom Durchmesser der Antenne her) entgeht über österreichischem Luftraum kaum etwas. Sofort nach dem Aufstieg in Zeltweg kann ein Ziel beispielsweise im Raum Linz lokalisiert werden. Was das System in unserer heutigen Konfiguration aber nicht hat, sind Radarbibliotheken welche den Piloten darüber informieren um was genau es sich bei dem Ziel (Typ) handelt. Die kann man auch nicht kaufen, das erarbeiten sich (verantwortungsvolle) Länder über Jahrzehnte selbst, höchstens erhält man diese Daten für Teilregionen, wenn man dort in einer UN/NATO-Mission teilnimmt. Das hat aber alles nichts mit einem Transponder zu tun, egal ob der „an” oder „aus” ist – das Eurofighter-Radar findet das Flugzeug in jedem Falle. Vielleicht kam Hofer in seiner Aussage durcheinander, weil der Eurofighter selbst noch heuer einen neuen sogenannte Mode-5/S-Transponder benötigt, um in den Freund/Feind-Abfragen im Regime neuer europäischer Flugsicherungsregularien unterwegs sein zu können.

Aussage 7: Laut Ex-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil sind Softwareupdates des Eurofighter von den USA abhängig, müssten diese von den USA freigegeben werden.
Jene Schlüssellizenzen und die beiden „Codewächter” in Zeltweg, die Doskozil in der Sendung ansprach und die Darabos während seiner Amtszeit verhindern hätte können, betreffen militärisches GPS, die Freund-Feind-Erkennung, die verschlüsselte Datenübertragung und den verschlüsselten Funkverkehr (nach NATO-Standard). Auch in der Schweiz und in Schweden müssen diese Prozedere durchgeführt werden, obwohl man auch ohne jene fliegen kann. Aber das will man im Bundesheer aus Gründen der Interoperabilität mit anderen Luftwaffen nicht, auch wenn diese keineswegs bei jeder Mission im Vordergrund steht.

@Bundesheer/Zinner
Die Erstlandung und Eigentumsübergabe des ersten Eurofighter an das Bundesheer erfolgte am 12. Juli 2007 am Fliegerhorst Hinterstoisser in Zeltweg.

Aussage 8: Laut Norbert Hofer stehen beim Eurofighter in den kommenden Jahren dringend benötigte Investitionen in Höhe von bis zu einer Milliarde Euro an.
Diese Aussage ist nicht nachvollziehbar. Laut mehreren Unterhaltungen mit Eurofighter- beziehungsweise Airbus-Offiziellen ist aktuell nur die Ausstattung mit dem zuvor bereits angesprochenen Mode-5/S-Transponder zwingend! Allerdings liegen die Kosten dafür bei „nur” rund 400.000 Euro pro Flugzeug. Alles was – 2007 entfernt und 2017 als „mangelhafte Fähigkeiten” definiert – nun für zeitgemäße Ausstattung darüber hinaus „vermisst” wird, ist die Infrarot-Nachtsicht, der elektronische Selbstschutz samt Radarwarnempfänger sowie ein paar Stück einer Radar-Allwetter-Lenkwaffe. All das (US-Lenkwaffen kauft man beispielsweise beim Hersteller Raytheon, Meteor beim EU-Raketenhaus MBDA) sollte maximal 200 Millionen Euro kosten.

Aussage 9: Norbert Hofer meinte in der Diskussion, dass man nun die Chance auf einen Neuanfang ohne Firma und ohne Waffenhändler und Lobbyisten über Government-to-Government hätte.
Ein Deal wird trotzdem ohne Herstellerfirma nicht möglich sein. Ein ausländischer Staat müsste dafür bei einem Hersteller aus seinem Land Gerät für Österreich kaufen und die finanzielle Abdeckung vor-garantieren, zudem müssten – überhaupt wenn man über Leasing philosophiert – Staatsbanken und Exportversicherungen eingebunden werden. Government-to-Government-Geschäfte haben zudem den Haken, dass Regierungsbeamte nichts oder nur wenig über mögliche Lieferslots, Zulieferer-Zeitvorläufe, Preispakete je nach gewünschter/nachgefragter Ausrüstung oder schlicht Einsatzerfahrungen wissen.

Aussage 10: Auf die Frage von Moderatorin Claudia Reiterer nach der Herkunft potenzieller Leasingvarianten meinte Ex-Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, dass es Saab- und Leonardo-Flugzeuge nicht zu leasen gäbe, wohl aber F-16.
Seit 2017 gibt es laut Saab eine Antwort auf eine damals unter Verteidigungsminister Doskozil erfolgte Anfrage, wonach 15+3 Gripen-MS20 samt Ausbildung und Erstlogistikpaket ab 18 Monaten von Unterschrift bis Erstlandung auf 30 Jahre gerechnet, ebensoviel pro Jahr kosten sollen wie für unsere 15 Eurofighter T1 jetzt jährlich aufgewandt wird (rund 80 Millionen Euro). Auch von Leonardo ist auf mehrmaliges Nachfragen eine Leasingvariante nie ausgeschlossen oder verneint worden, es wurde dahingend sogar auf den Vorteil der „gemeinsamen” Bank UniCredit hingewiesen. Hingegen sind nach unserem Wissensstand derzeit keine gebrauchten F-16 rasch verfügbar und zu leasen. Die holländischen F-16 sind längst in Chile, die portugiesischen (bald alle) in Rumänien und Griechenland modernisiert gerade seine 85 F-16. Neue F-16/70 (wie für die Slowakei und Bulgarien) gäbe es innerhalb von 36 Monaten, sie kosten allerdings rund 1,6 Milliarden Euro für 14 Stück – von einem Leasingmodell ist seitens der Pentagon-Behörde DSCA nichts bekannt.

Quelle@ORF, Bundesheer/Zinner, Bundesheer/Grebien