Asteroiden haben das Potenzial, Städte, Kontinente und sogar die ganze Menschheit zu vernichten. Mittlerweile gibt es aber auch Mittel und Wege, um die Himmelskörper abzuwehren – immer mehr Forscher und Militärs tüfteln an einer weltumfassenden Abwehrstrategie.

Wir leben in einem kosmischen Schießstand. Felsen aus dem Weltall treffen die Erde seit Jahrmillionen. Die meisten fallen kaum auf, aber der nächste gefährliche ‚Killer‘-Asteroid ist da draußen. Lasst ihn uns finden, bevor er uns findet!“ Im Gespräch mit Militär Aktuell warnt Rusty Schweickart eindrücklich vor der Gefahr aus dem All. Im März 1969 pilotierte der Amerikaner mit Apollo 9 in Vorbereitung der US-Mondlandung den Mondlander zum ersten Mal in einer Erdumlaufbahn. Nach seiner Raumfahrer-Karriere hat es sich der heute 81-Jährige zur Aufgabe gemacht, zusammen mit Kapazitäten wie Stephen Hawking, mehr als 100 Ex-Astronauten und -Kosmonauten sowie dem Astrophysiker und Queen-Gitarristen Brian May in der B612-Stiftung vor den Gefahren eines vernichtenden Impacts zu warnen.

russel schweikhart „Es gibt in Bahnen um unsere Sonne zwischen 1.000 und 1.200 Asteroiden mit einem Durchmesser von mehr als einem Kilometer, welche die Bahn der Erde kreuzen.“
Russel Schweikhart: „Es gibt in Bahnen um unsere Sonne zwischen 1.000 und 1.200 Asteroiden mit einem Durchmesser von mehr als einem Kilometer, welche die Bahn der Erde kreuzen.“

Bis 2011 war Schweickart Vorsitzender dieser privat finanzierten Institution, heute treibt er die Entwicklung des Infrarotteleskops „Sentinel“ (Wache) voran, das man bis 2018 weit draußen im All stationieren möchte. Damit sollen für die Erde potenziell gefährliche Geschosse schon Jahre im Voraus erspäht werden. Ziel ist es, einer im Überlebenswillen geeinten Menschheit möglichst viel Zeit für notwendige Abwehrmaßnahmen zu geben. Schweickart schätzt, dass „Sentinel“ bereits im ersten Jahr mehr als 200.000 Asteroiden aufspüren wird, die man in Folge in ihren Bahnen berechnen kann. „Und zwar im Wärmebild“, wie er betont, „denn die Temperatursignatur der Asteroiden ist leichter zu entdecken als das nur schwach reflektierte Sonnenlicht von den meist sehr dunklen Himmelskörpern. Kometen werden sie ja erst, wenn sie in eine Atmosphäre eintreten – aber dann ist es für uns alle zu spät.“

Dass die Gefahr durchaus realistisch ist, zeigt ein Blick auf die Statistik: Alleine seit der Jahrtausendwende wurde die Erde laut Angaben von B612 – benannt nach einem fiktiven Asteroiden aus der Erzählung „Der kleine Prinz“ – von mindestens 26 größeren Asteroiden getroffen. Diese kosmischen Bomben mit einer Sprengkraft zwischen einer und 600 Kilotonnen (1 kt = 1.000 Tonnen Sprengstoff TNT) lagen mit ihrer Wirkung teilweise sogar im Atombombenbereich. Die Stiftung bezieht sich dabei auf Messungen des globalen Atomteststopp-Überwachungsnetzwerks. Verherende Folgen wie gigantische Druck- oder Flutwellen oder eine Veränderung der Erdatmosphäre durch Millionen Tonnen hochgeschleuderter Gesteinsmassen seien nur deshalb ausgeblieben, weil die Himmelskörper zu weit oben in die Atmosphäre eintraten und dadurch verglühten beziehungsweise explodierten.

Welche Wirkung auch vergleichsweise kleine Meteoriten haben können, zeigte sich bei einem Einschlag am 15. Februar 2013 in Tscheljabinsk. Die ostrussische Stadt entging nur deshalb einer Katastrophe, weil der ursprünglich 17 Meter große und 10.000 Tonnen schwere Felsen mit einem Tempo von rund 72.000 km/h sehr flach auf die Erdatmosphäre traf und in einer Höhe von 30 bis 50 Kilometern zerplatzte. Die errechnete Sprengkraft von bis zu 500 Kt (30-mal mehr als die Hiroshima-Bombe!) wurde dadurch bedeutend abgeschwächt. Warnung vor dem Einschlag gab es keine, weil der Flugkörper einerseits aufgrund seiner kompakten Abmessungen und andererseits wegen fehlender Sensoren wie „Sentinel“ nicht entdeckt werden konnte. Die Druckwelle (das größte gefundene Trümmerstück wog 650 Kilogramm!) beschädigte Tausende Gebäude in sechs Orten, Glassplitter und Trümmer verletzten 1.500 Menschen.

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Laut Kosmochemiker und Direktor des Naturhistorischen Museums Wien, Christian Köberl, enthalten die Meteoritenfragmente vonTscheljabinsk hohe Radioaktivität. Verantwortlich dafür sei eine irdische Strahlungsquelle: Sowjetische Nuklearun- und abfälle.

Als Folge dieses kosmischen Einschlags konnte 2015 auf UNO-Ebene die Einrichtung des „International Asteroid Warning Network“ (IAWN) etabliert werden. Schweickart sieht darin einen „ermutigenden Schritt“ zur gemeinsamen Zusammenarbeit, gemessen an den militärischen Konflikten, in welche diverse Staaten der Welt verstrickt sind. „Tscheljabinsk oder Schlimmeres kann jederzeit wieder passieren“, so der Wissenschaftler, das hätten auch schon frühere Einschläge gezeigt. Am 30. Juni 1908 zerstörte der 600.000 Tonnen schwere Tunguska-Meteorit große Flächen in Ostsibirien. Auch der Krater des Barringer-Meteoriten in Colorado ist heute noch deutlich auszumachen. Die Bahnen der Meteroiten, die das Potenzial haben, ganze Kontinente und die Menschheit zu vernichten, sind dem früheren Raumfahrer zufolge hinlänglich bekannt. Anders sehe es aber bei kleineren Objekten aus, den sogenannten „City-Killern“, deren verbleibende Reste auch nach einem Teilverglühen Großstädte völlig auslöschen können. „Alle Observatorien zusammen haben weniger als 10.000 von geschätzten eine Million gefährlichen Asteroiden gefunden, die eine Metropol­region zerstören können.“ Deren Einschlag sei zudem deutlich wahrscheinlicher als der eines großen Meteoriten – wie dem legendären Yucatan-Asteroiden, der vor 60 Millionen Jahren die Saurier von der Erde fegte.

Der Barringer-Krater in Colorado hat einen Durchmesser von etwa 1.200 Meter, ist 180 Meter tief und der Auswurfwall erhebt sich 30 bis 60 Meter über das umliegende Plateau.
Der Barringer-Krater in Colorado hat einen Durchmesser von etwa 1.200 Meter, ist 180 Meter tief und der Auswurfwall erhebt sich 30 bis 60 Meter über das umliegende Plateau.

Gefragt nach konkreten Abwehrmaßnahmen weist Schweickart alle Vergleiche mit Hollywood-Produktionen wie „Armageddon“ zurück. „Das ist Science-Fiction, Spannungskino ohne realwissenschaftlichen Hintergrund“. Wenn „Sentinel“ oder die von der NASA parallel geplante Near Earth Asteroid Camera (NEOCam) laufen, haben die Militärs Jahre bis Jahrzehnte Zeit, um Maßnahmen gegen die Objekte zu ergreifen. „Selbstverständlich bedarf es dann für unser Überleben einer global geschlossenen Anstrengung, die auch auf Kosten nationaler Verteidigungsbudgets gehen kann.“ Laut Schweickart gibt es drei technische Möglichkeiten zur Asteroiden-Abwehr. Erstens: Die Abänderung der Gravitation des oft „nur“ einige Hundert Meter Durchmesser großen Felsens durch ein oder mehrere irdische Objekte in einem Orbit. Zweitens und drittens, die kinetische Wirkung durch einen konventionellen oder nuklearen Einschlag. „Versuche eines sogenannten Impacts oder sogar der Landung auf einem Asteroiden hat es schon gegeben.“ Im Hinblick auf etwaige Rohstoffe spielt die NASA sogar mit dem Gedanken, einen Asteroiden „einzufangen“. Jedenfalls genüge – so die Berechnungen – nur ein kleiner „Schubs“, um die Bahn eines solchen Himmelskörpers so zu verändern, dass er Jahre später bei der dritten oder vierten Annäherung an die Erde keine Gefahr darstelle.

Die technische Umsetzbarkeit vorausgesetzt, bleibt die brennende Frage: Wird man im Fall der Fälle entsprechende Maßnahmen auch tatsächlich ergreifen? Schweickart hegt daran Zweifel: Je konkreter sich Einschlagsort und die Auswirkungen eines Impacts berechnen lassen, umso größer sei die Wahrscheinlichkeit, eine möglicherweise verheerende Katastrophe bewusst zuzulassen. Weil dadurch beispielsweise die Wirtschaft eines politischen Gegners in Mitleidenschaft gezogen oder die Hauptstadt eines militärischen Feindes vernichtet wird. Warum soll man Anstrengungen zur Abwehr mitfinanzieren, wenn man von einem Asteroiden-Einschlag profitieren würde? Oder noch drastischer formuliert: Wie würden Militärs entscheiden, wenn es ihnen gelänge, Asteroiden gezielt auf Feindgebiet abzulenken? Spätestens dann wird die existenzielle Herausforderung auch zu einer moralischen.

Text: Georg Mader, Bilder: Georg Mader, 123rf