Bilder der Kämpfe in der Ukraine zeigen immer wieder auch zerstörte russische Panzer. Hat der Kampfpanzer am Gefechtsfeld damit endgültig ausgedient? „Nein”, sagt Oberstleutnant Jörg Loidolt, Kommandant des Panzerbataillons 14.

Herr Oberstleutnant, nach dem Krieg um Bergkarabach mit seinem massiven Drohneneinsatz wurde das Ende des Kampfpanzers auf dem modernen Gefechtsfeld ausgerufen. Zu Recht?
Der erste Anschein war tatsächlich verheerend, die Bilder waren furchtbar. Dass der Kampfpanzer nicht unzerstörbar ist, wissen wir natürlich schon lange. Kaum ein anderes Waffensystem ist schon so oft totgesagt worden. Schon 1918, also kurz nach den ersten Einsätzen, galt er als obsolet, da ein Grabenkrieg wie er in Frankreich stattgefunden hatte, für die Zukunft ausgeschlossen wurde. Weiter Zäsuren waren die leichten Jagdpanzer des Zweiten Weltkrieges, die Panzerabwehrrohre und Lenkwaffen des Kalten Krieges und nun eben die Drohne. Die Tatsache, dass ständig neue Waffen gegen Kampfpanzer entwickelt werden, zeigt seine ungebrochene Bedeutung.

„Die Tatsache, dass ständig neue Waffen gegen Kampfpanzer entwickelt werden, zeigt seine ungebrochene Bedeutung.“

Aber auch in der Ukraine scheinen Panzer leichte Ziele zu sein. Laut ukrainischen Angaben wurden von den Verteidigern Hunderte Panzer mit vergleichsweise günstigen und mobilen Abwehrsystemen ausgeschaltet.
Natürlich beobachten wir die Situation sehr genau. Die Quellen sind aber nun nicht so eindeutig wie beim Bergkarabach-Konflikt. Dort sahen wir staatlich produzierte Werbevideos von azerischer Seite. Nun erreichen uns Bilder und Videos, die nicht eindeutig der TB-2-Drohne zugerechnet werden können. Wir haben aber auch Bilder von direkten Treffern im Duell Panzer gegen Panzer, übrigens auf beiden Seiten, sowie Vernichtungen durch Panzerabwehrlenkwaffen oder Panzerminen. Zusätzlich ist die Luftabwehr der russischen Streitkräfte potenter als die armenische. Besonders, weil Russland in Armenien vor Ort war und sicher seine Lehren gezogen hat. Insgesamt muss unterstrichen werden, dass andere Waffensysteme genauso durch Drohnen bedroht sind, Kampfpanzer aber das Feuer auf sich ziehen.

@Panzerbataillon 14
Oberstleutnant Jörg Loidolt ist Kommandant des Panzerbataillons 14 in Wels. Von den einst beim Bundesheer zugelaufenen mehr als 100 Leopard-Kampfpanzern ist dort heute nur noch weniger als die Hälfte im Dienst.

Russland zeigt auf seinen Siegesparaden immer wieder moderne Waffen wie den Panzer T-14 Armata oder die Landdrohne Uran-9. Wurden diese Systeme auch in der Ukraine gesichtet?
Derzeit haben wir keine Hinweise, dass diese Systeme im Einsatz sind. Das T-14-
Programm wurde stückmäßig mehrfach reduziert, angeblich sollen derzeit rund 150 Einheiten bei der Truppenerprobung sein. Es ist aber sehr still um den neuen „Wunderpanzer“ geworden. Allerdings sind Komponenten in der neuesten T-90-Serie verbaut worden. Hier sind die Kanone samt Feuerleitsystem sowie aktive und passive Abwehrsysteme zu nennen. Bei den gezeigten Verlusten handelt es sich aber im hohen Maße um T-72B-Varianten. Die Landdrohne Uran-9 kam in Syrien schon vereinzelt zum Einsatz, insgesamt dürfte die volle Feldverwendungsfähigkeit bei diesen Systemen aber noch nicht vorliegen.

Wo sind die 10.000 russischen Panzer?

Inwiefern müssten Ausbildung, Ausrüstung und Einbettung der Panzerkräfte adaptiert werden, um Panzer wieder fit für moderne Konflikte zu machen?
Unfit war der Kampfpanzer nie. Die westlichen Streitkräfte sind aber in den vergangenen Jahren immer von der absoluten Luftüberlegenheit ausgegangen, die nun nicht mehr garantiert werden kann. Daher gilt es den Luftabwehrschirm wieder zu denken. Essenziell sind auch aktive und passive Schutzsysteme, parallel dazu gewinnen einfache Täusch- und Tarnmaßnahmen wieder an Bedeutung. Zudem gibt es erste Versuche mit wärmereduzierenden Tarnnetzen, die wir heuer fortsetzen werden. Ganz entscheidend ist auch die Funkdisziplin und damit meine ich vor allem, dass kein Mobiltelefon am Panzer ist. Eine kurze Nachricht kann zur Auffassung und damit zur Bekämpfung führen. Unter dem Strich müssen wir die Entwicklungen in der Ukraine aber natürlich sehr genau beobachten und analysieren, um langfristig die richtigen Schlüsse ziehen zu können. Ganz nach einem Motto, das Otto von Bismarck zu­geschrieben wird: Ich lerne lieber aus den Fehlern der anderen!

Quelle@Panzerbataillon 14, Bundesheer