Daniel Riesen kam Anfang der 2010er-Jahre zu „Air Zermatt”. Ungefähr zur gleichen Zeit nahm das Schweizer Gebirgsflug- und Rettungsunternehmen seine erste von heute zwei Bell 429-Maschinen in Betrieb. Anlässlich eines Militär Aktuell-Besuchs im Wallis durfte Militär Aktuell-Autor Georg Mader einen Tag nehmen dem früheren Heli Swiss (Kamow-32)- und heutigen „Air Zermatt”-Chefiloten Platz nehmen. In Vor- und Nachgesprächen sprachen wir mit Daniel Riesen zudem auf die Gebirgstauglichkeit und Bedienfreundlichkeit des Bell 429, aber auch über den Simulationsanteil der Ausbildung und Einsätze in der Nacht.

Herr Riesen, praktisch alle Hubschrauber-Hersteller verweisen heute auf das virtuelle Element, also auf Simulatoren, die dabei helfen, Kosten zu sparen. Gilt das auch für die doch sehr speziellen Missionen von „Air Zermatt”?
Ja, das wird schon immer wichtiger. In der Ausbildung gehen neue Piloten und gemäß EASE einmal pro Jahr auch wir Alten für zehn Stunden auf den Full-Motion Level-D-Flugsimulator in Bells Trainingszentrum im spanischen Valencia. Der kostet mit rund 17 Millionen Franken (etwa 16 Millionen Euro) wohl mehr als so manch echter Hubschrauber. Diese heute üblichen Simulatoren sind auch sehr gut für IFR und viele andere Verfahren geeignet – aber nur solange die Speed über 30 Knoten liegt. Unterhalb können das nur ganz wenige und unsere Firma setzt deswegen auf eine Zusammenarbeit mit Virtual Reality Motion (kurz VRM). Mit den VR-Brillen von VRM Switzerland wurde dieses Manko weitgehend behoben. Man kann damit bereits gut Gebirgs- oder Unterlastausbildung machen. Simulation hilft auch, die beträchtlichen Vorgaben für Check- und Trainingsflüge zu deutlich tieferen Kosten und mit einem reduzierten ökologischen Fußabdruck zu erfüllen. Aber alles kann man natürlich trotzdem nicht simulieren. Da wird dann allerdings unsere große Aufgabenbreite zum Vorteil: Wenn wir vom Touristenflug über Material für den Bergbahnbau bis zum Rettungseinsatz alles machen, holen wir uns das Training für die Rettungsmissionen mehr oder weniger unterwegs. Aber bei der in Österreich geplanten Beschaffung wird ja wohl auch ein Simulator inkludiert sein, oder?

@Georg Mader
Militär Aktuell-Autor gemeinsam mit Chefpilot Daniel Riesen im Cockpit des Bell 429.

Was man so hört, ja. Aber bis zu welchem Realismus-Grad wird wohl eine Kostenfrage sein. Wie läuft hier die Ausbildung neuer Heli-Piloten generell?
Mit mehr als 50.000 Rettungen in mehr als 50 Jahren können wir bei „Air Zermatt” sehr viel eigenes Wissen in die praxisbezogene Flugausbildung einbringen und weitergeben. Wie erwähnt, haben wir dank der tausenden Rundflüge hier eine bessere Ausgangslage als Unternehmen die hauptsächlich Unterlastflüge machen. Jungpiloten mit einer abgeschlossenen Berufspilotenlizenz können ihre Gebirgserweiterung (Anm.: MOU) innerhalb eines Jahres dank der Rund-, Taxi- und Heliski-Flüge aufbauen. Das gesamte fünfjährige Ausbildungsprogramm beinhaltet die Schritte HESLO (Amm.: Außenlast), HEC (Personen am Lastseil), Zweimot (für Bell 429), HHO (Seilwinde) und NIT (Nachtflug). Sie kostet der Firma rund eine Viertelmillion Franken (rund 240.000 Euro), aber dann kann und kennt man alles. Das ist aber auch unbedingt notwendig, denn unvorhersehbares Wetter, extreme Temperaturen, starke Winde und Missionen in großen Höhen an der Leistungsgrenze des Helikopters, lassen keinen Platz für Fehler. Vielleicht noch zu erwähnen: Wir sind zurzeit an der Zertifizierung um auch Fluglehrer (-Instructors) auszubilden.

Jetzt sucht Österreich als Ersatz für seine Alouette III-Flotte einen Militärhubschrauber, ist aber in dem leichten Zweimot-Segment auf Basismodelle ziviler Entwürfe angewiesen. Was ist aus Pilotensicht zum Bell 429 leistungsmäßig anzumerken – positiv wie negativ?
Ich weiß nicht, ob das ein negativer Aspekt ist, aber eventuell könnte man erwähnen, dass der Bell 429 zweimotorig ist und daher etwas träger als die Singles in unserer Flotte. Beim Abfluggewicht – in unserer Konfiguration wohlgemerkt – sind wir ungefähr bei 2.900 Kilogramm, inklusive Reserve bei 3.175 Kilogramm. Wenn wir für eine Rettung in große Höhen von 4.500 oder 4.600 Meter gehen müssen, dann laden wir zuvor nicht unbedingt benötigtes Personal oder Material aus, um auf rund 2.650 Kilogramm zu kommen. Dann kommen wir eigentlich überall hoch, auch bei Temperatur ISA+20 wie jetzt gerade eben bei einem Einsatz. Damit fliegen wir aber schon weit über den höchsten Gipfelregionen in Österreich, der Bell 429 müsste für euer Terrain also richtig gut passen und hat sich bei uns auch bei Löscheinsätzen, mit Bucket oder konformen Behälter, bereits bestens bewährt. Was in Bezug auf die Leistung natürlich auch noch relevant ist, ist der „Downwash”, den der 429 produziert. Da wird viel Staub und kleine Steinchen aufgewirbelt. Mit dem 429 ist damit aus unserer Sicht eine Umgebungsgefährdung erreicht, die wir noch tolerieren können. Ein noch stärkerer oder schwererer Hubschrauber könnte je nach Örtlichkeit aber mitunter auch Menschen und Retter gefährden, die wollen wir ja nicht über den Grat blasen.

@Georg Mader
Einsatz über dem Gletscher: Der Bell 429 von „Air Zermatt” ist in allen Schweizer Höhenlagen gut einsetzbar. Abhängig von der Höhe des Einsatzortes werden bei Zwischenlandungen nicht benötigtes Personal und Ausrüstung entladen und später wieder abgeholt.

Was gibt es zur Bedienfreundlichkeit und zum Man-Machine Interface zu sagen?
Nun, als der Typ eingeführt wurde, war das durchaus state-of-the-art, aber heute würde das Cockpit wohl schon wieder ein bisschen anders aussehen. Mittlerweile wurde zum Beispiel die Moving-Map durch ein doppelt so großes kippbares Tablett mit den ganzen Karten und aktuellen Hindernissen ergänzt oder ersetzt, aber sonst ist alles sehr gut und logisch aufbereitet. Die ganzen Schemata die man abrufen kann, Fuel-Management oder die Weights&Balances für die CAT-A- und CAT-B-Abflüge, das ist alles einfach zu merken und bedienfreundlich. Ich habe mein Type-Rating hier in Zermatt innerhalb einer Woche gemacht, da gab es keine Probleme bei der Eingewöhnung. Und ich kann mich auch nach inzwischen 530 Stunden auf dem Typ, davon 80 in der Nacht, nicht beschweren.

Apropos: Wie darf man sich das Fliegen vorstellen, in der Nacht? Sie haben im Vorgespräch von zwei Nachtsichtsystemen erzählt.
Das ist anfangs natürlich eine Umgewöhnung und sehr happig. Die Dimensionen, die Geschwindigkeit, alles kommt schon sehr anders daher. Das hat sich auch gestern Nacht wieder gezeigt, als wir oben am Matterhorn eine Nachtwindenbergung hatten. Dafür muss aber auch das Wetter mitspielen, sonst geht das nicht. Was die NVG-Bilder betrifft, es gibt ein weißes und ein grünes Bild. Das weiße ist grundsätzlich deutlicher, aber im Winter nutzen wir trotzdem vornehmlich das grüne Bild, weil in das weiße Bild auf Basis von Phosphor der Schnee und das Eis zu stark reinreflektieren.

Lesen Sie dazu auch die Reportage „Zu Besuch bei Air Zermatt: Hoch hinaus mit dem Bell 429” und unser Interview mit „Air Zermatt”-CEO Gerold Biner.
Hier geht es zudem zu den anderen Beiträgen unserer Serie „5 Fragen an” und hier zu weiteren Meldungen rund um Hubschrauber-Hersteller Bell.

Quelle@Georg Mader