Christian Kemperle ist als Leiter der Zentralsektion auch für das Personal des Bundesheeres verantwortlich. Wir haben mit dem Kärntner über geplante Personal-kürzungen, das Thema Aus- und Weiterbildung und den weiterhin niedrigen Frauenanteil im Bundesheer gesprochen.

Herr Kemperle, rund um das Bundesheer ist viel von Einsparungen die Rede. Inwiefern ist davon auch die Personalplanung betroffen?
Da der Personalbereich den Hauptteil des Budgets ausmacht, sind wir von den Einsparungen unmittelbar betroffen. Nach unseren derzeitigen Planungen würden die Personalkosten 2015 knapp 64 Prozent des Budgets ausmachen, was so in Wahrheit aber kaum haltbar sein wird. In diesem Fall würden nur fünf bis sechs Prozent des Budgets für Investitionen zur Verfügung stehen. Das wären knapp 100 Millionen Euro, was für eine Armee vergleichweise nichts ist.

Sie werden also um Personaleinsparungen nicht umhinkommen?
Um uns eine größtmögliche Flexibilität für den Betriebs- und Investitionsbereich zu erwirtschaften, planen wir bis 2018 mehr als 1.000 Vollbeschäftigte einzusparen. 100 Beschäftigte kosten uns durchschnittlich vier Millionen Euro pro Jahr, bei 1.000 Beschäftigten sprechen wir also von einem Ein­sparungs­potenzial von 40 Millio­nen Euro.

Wenn 100 Millionen Euro „vergleichsweise nichts” sind, dann klingen 40 Millionen aber auch nur wie ein Tropfen auf den heißen Stein?
Allerdings sprechen wir hier von laufenden Einsparungen und keinem Einmaleffekt. Jährlich 40 Millionen summieren sich über die Jahre auf eine ordentliche Summe, die dann mehr als nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist.

Wie sollen die Personalkürzungen umgesetzt werden?
Im genannten Zeitraum stehen rund 400 bis 500 Pensionierungen pro Jahr an. Darüber hinaus spielt uns die hohe Fluktuation unseres Personals in die Hände. Es laufen viele befristete Verträge aus, die wir teilweise nicht mehr verlängern wollen, und in Summe mit den natürlichen Abgängen werden wir diese Zahl erreichen.

Wie sehr geht diese Personalreduktion an die Substanz?
In der Verwaltung, wo die Einsparungen primär stattfinden sollen, wird das in jedem Fall deutlich spürbar sein – bei einem Personalverlust von 10 bis 15 Prozent in diesem Bereich reicht es nicht aus, kleine Stellschrauben zu drehen. Dort müssen wir also auch die Struktur verändern, was die Zentralleitung ebenso wie die Stäbe betreffen wird. Im Einsatzbereich wollen wir im Gegensatz dazu – vor allem im Unteroffiziersbereich – Personal aufbauen. Dadurch wird sich unser Personalverhältnis von Grundorganisation und Verwaltung zu Einsatzorganisation von derzeit 1:1,2 auf 1:1 verschieben.

Wie schwierig ist es, vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen, entsprechendes Personal zu finden?
Langfristig sollte man diese negativen Sparmeldungen nicht überbewerten. Wir sind nach wie vor ein sehr attraktiver Arbeitgeber, der seinen Mitarbeitern Arbeitsplätze im In- und Ausland ebenso bieten kann wie unterschiedlichste Einsatzgebiete und mit unseren Schulen und Akademien auch umfassende Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten. Das Gesamtpaket ist also ein sehr gutes, wobei uns natürlich schon klar ist, dass wir in Zukunft immer mehr Mitarbeiter bei uns haben werden, die nicht mit 20 Jahren hier beginnen und mit 65 bei uns in Pension gehen.

Das Bundesheer wird also zu einem Arbeitgeber wie viele andere auch und der Übergang von und zur Privatwirtschaft nahtloser?
Genau. Wir werden unsere Leute zunehmend aus anderen Bereichen rekrutieren, aber auch umgekehrt werden zunehmend Leute von uns in die Privatwirtschaft oder in die öffentliche Verwaltung wechseln. Auch aus diesem Grund ist uns die Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeiter sehr wichtig – wir wollen Qualitäten aufbauen, die ihnen auch in der weiteren Berufslaufbahn nützlich sind.

@HBF/Harald Minich
Christian Kemperle im Gespräch mit MIlitär Aktuell-Chefredakteur Jürgen Zacharias.

Ist das jetzt schon ausreichend der Fall?
Grundsätzlich ja, wobei wir natürlich auch in dem einen oder anderen Bereich – wie beispielsweise dem Sprachgebrauch, der bei uns eben sehr militärisch geprägt ist und bei dem wir uns mehr an der Privatwirtschaft orientieren müssen – noch Nachholbedarf haben. Wir diskutieren hier aber auf sehr hohem Niveau. Unsere Soldaten sind sowohl im internationalen Vergleich, als auch was das Feedback nach einem Wechsel in die Privatwirtschaft betrifft, top ausgebildet. Während in der Privatwirtschaft meist die Rede von fünf bis sieben Tagen Weiterbildung pro Jahr ist, bieten wir ein Mehrfaches davon an.

Ein sehr wichtiges Instrument zur Personalgewinnung ist für viele Unternehmen die Ausbildung von Lehrlingen. Gilt das auch für das Bundesheer?
In jedem Fall! Wir bilden vom Kfz-Techniker über den Berufsjäger bis hin zum Luftfahrzeugmechaniker in mehr als 30 Lehrberufen derzeit 170 Lehrlinge aus. Pro Jahr nehmen wir zwischen 60 und 70 neue Lehrlinge auf, und dabei gelingt es uns auch sehr stark, Frauen anzusprechen. Aktuell sind rund 34 Prozent unserer Lehrlinge Frauen …

… was weit über dem üblichen Frauenanteil des Bundesheeres liegt?
Genau. Aktuell liegen wir bei einem Frauenanteil von rund zwei Prozent, was im internationalen Vergleich weder besonders viel noch besonders wenig ist. Trotzdem sind wir damit nicht zufrieden. Unser Frauenanteil erhöht sich – auch durch den hohen Prozentsatz von Frauen im Lehrlingsbereich – in langsamen Schritten, aber nicht so rasch, wie wir uns das erhoffen und auch anstreben.

Woran liegt das?
Hauptsächlich daran, dass das Thema in der Gesellschaft noch nicht richtig angekommen ist. Dass eine Frau Soldatin werden kann, wirft bei vielen Leuten Fragen auf. Frauen müssen vielfach nicht nur die hohen Anforderungen bei der Aufnahme erfüllen, sondern parallel dazu ihre Berufsentscheidung gegenüber Freunden und Familie rechtfertigen, und das erleichtert nicht unbedingt die Aufnahme.

Zurück zu den Lehrlingen: Wie viele Prozent werden nach ihrer Ausbildung in den regulären Dienst übernommen?
Wir übernehmen zwischen 20 und 25 Prozent, was ein auch in der Privatwirtschaft üblicher Wert ist.

Trotzdem klingen 20 bis 25 Prozent relativ wenig?
Wir bewegen uns da sicherlich in einem guten Feld. Zudem sehen wir in der Ausbildung von jungen Menschen auch eine soziale Verantwortung, die wir als Bundesheer der Gesellschaft gegenüber wahrnehmen wollen.

Kann man sich diese soziale Verantwortung vor dem Hintergrund der aktuellen Sparmaßnahmen noch weiter leisten?
Unbedingt! Die Kosten von Lehrlingen sind vergleichsweise niedrig. Wenn wir in diesem Bereich zu sparen beginnen, dann können wir uns auch ganz viele andere Dinge nicht mehr leisten.

Quelle@HBF/Harald Minich