Die verheerenden wirtschaftlichen Folgen der diversen Covid-19-Maßnahmen dürften sich in den kommenden Jahren auch auf den Verteidigungssektor auswirken (siehe Bericht), aktuell ist davon aber noch nicht viel zu spüren. Bestes Beispiel dafür ist der britische Premierminister Boris Johnson, der Mitte November eine deutliche Erhöhung des Militärbudgets angekündigt hat. In den nächsten vier Jahren sollen demnach zusätzliche 18,4 Milliarden Euro in den britischen Wehretat fließen, das Budget steigt damit auf 2,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und den höchsten Stand seit dem Ende des Kalten Krieges.

@ELTAAuch in Österreichs Nachbarschaft sind mit Tschechien, Ungarn und der Slowakei gleich drei Länder zu nennen, die aktuell – speziell im Falle Ungarns – trotz der erwartbaren volkswirtschatlichen Talfahrt beträchtliche Investitionen und große materielle Modernisierungen aufsetzen. Nachdem Ungarn und Tschechien bereits früher die Beschaffung eines neuen Mehrbereichsradars von ELTA beschlossen haben, entschied sich nun auch die Slowakei zu diesem Schritt. Die Regierung in Bratislava hat am 13. Jänner ein Abkommen mit der Direktion für internationale Verteidigungszusammenarbeit des israelischen Verteidigungsministeriums (SIBAT) beschlossen, um 17 Stück Radarsysteme um rund 150 Millionen Euro zu beschaffen, die von ELTA – einer Tochterfirma von Israel Aircraft Industries (IAI) – stammen. Österreich wird somit in zwei, drei Jahren vom Mühlviertel bis zum Südburgenland von jenen leistungsfähigen 3D-Multifunktionsgeräten umgeben sein.

Technologiepartnerschaft und -transfer
SIBAT-Direktor, Brigadegeneral (Res.) Yair Kulas zeigte sich in einer ersten Reaktion naturgemäß zufrieden: „Diese Vereinbarung zeigt die hervorragenden Fähigkeiten der israelischen Verteidigungsindustrie. Wir danken unseren slowakischen Partnern und freuen uns auf den weiteren Austausch von Informationen und Technologien, um unsere Partnerschaft und Zusammenarbeit weiter auszubauen.” Freude herrscht auch bei IAI-Vizepräsident und CEO von ELTA, Yoav Turgeman: „Wir fühlen uns von der Entscheidung der slowakischen Regierung geehrt, das MMR-Radar von IAI in ihre Luftverteidigungslösung aufzunehmen. Das MMR nutzt modernste Technologien, um ein verlässliches Bild der Luftlage und eine sehr genaue Übersicht in der jeweiligen Situation zu erhalten. Wir haben diese Systemfamilie seit zehn Jahren erfolgreich in Operation und sind zuversichtlich, dass dies das beste Radarsystem ist, mit dem die slowakischen Streitkräfte einer Vielzahl von möglichen Bedrohungen aus der Luft wie vom Boden aus begegnen können.”

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Das tschechische Verteidigungsministerium hat am 5. Dezember 2019 den Zuschlag für acht ELM-2084-Radargeräte erteilt, die bis 2023 einsatzbereit sein sollen. In Ungarn fiel die Entscheidung am 11. Dezember des Vorjahres, allerdings bezieht Budapest die Systeme nicht direkt bei IAI, sondern ist dort der Vertragspartner die kanadische Tochtergesellschaft von Rheinmetall. Kanada betreibt ELM-2084 schon seit 2015 und Rheinmetall-Canada übernimmt Montage, Integration und die zukünftige Systementwicklung in Ungarn. Die vom ungarischen Streitkräftekommandanten Ferenc Korom sowie Rheinmetall-Canada CEO Stéphane Öhrli nicht bekannt gegebene Anzahl verschiedener MMR-Konfigurationen werden voraussichtlich ab 2022 die noch von der ehemaligen UdSSR gelieferten und später modernisierten, bauartbedingt viel größeren P-37-, PRV-17- und ST-68U- (NATO: Tin Shield) Radars in Ungarns nationalem Luftverteidigungsverbund ersetzen sowie als „Counter Battery”-Gerät in den Artillerie-Regimentern der ungarischen Verteidigungskräfte zur Aufschlags- und Herkunftspunktberechnung eingesetzt werden.

@ELTAErprobte Spitzentechnologie
Das ELM-2084-MMR-Radar ist Teil des israelischen Luftverteidigungs-Flugkörpersystems „Iron Dome” sowie des weiter reichenden „Davids Sling”-Komplexes und des Systems SPYDER (Surface-to-air PYthon and DERby). Die schnell verlegbare, im S-Band arbeitende, modular aufgebaute und skalierbare Radarfamilie mit ihrer aktiven, elektronisch schwenkenden Phased-Array Antenne (AESA) ermöglicht es Luftverteidigungseinheiten, Ziele in der Luft in Höhen von 100 bis 3.000 Meter zu überwachen, zu verfolgen und abzufangen. Die zur Leistungssteigerung mit Galliumnitrid-Technologie verwendenden Geräte ermöglichen den Einsatz als Artillerieaufklärungsradar mit bis zu 100 Kilometer Entfernung und den Einsatz als Luftverteidigungsradar mit einer Reichweite von maximal 470 Kilometer. Zwei Betriebsmodi sind möglich: Eine Rundumsicht mit sich drehender Antenne und elektronisch geschwenkter Höhenwinkelabtastung sowie ein Sektorbetrieb im Seitenwinkel von bis zu 120 Grad mit feststehender Antenne. Die maximalen Höhenwinkel dazu werden mit 30 bis 50 Grad angeben. Laut IAI kann das System bis zu 1.000 Ziele erkennen und verfolgen. Im Einsatz gegen mittlere bis kleine Boden-Boden-Raketen von Hamas und Hisbollah gibt die IDF pro 1.000 Attacken eine erfolgreiche Interzeption von 90 Prozent an.

Bisher wurden im Zusammenhang mit Exporten von „Iron Dome” und SPYDER sowie für Überwachungsaufgaben rund 130 MMR-Systeme verkauft. In Betrieb ist das 3D-Ortungssystem – abseits von Israel selbst, dort übrigens auf Tatra 6×6 verbaut – bereits in den USA (US Army’s „Lower Tier Air and Missile Defense System” zusammen mit Lockheed-Martin), in Kanada (10 Systeme), Indien (18), Peru (6 auf LKW), auf den Philippinen (3), in Singapur (2) und im Vietnam (6) – hier übrigens basierend auf RMMV HX Lkw aus Wien Liesing.

Quelle@ELTA
Der Autor ist einer der renommiertesten österreichischen Luftfahrtjournalisten, Korrespondent des britischen Jane’s Defence und schreibt seit vielen Jahren für Militär Aktuell.