Russland schickt umfangreiche Truppen an seine Westgrenze, die NATO übt die Verteidigung Europas, China rüstet sein Atomwaffenarsenal rasant auf und die USA beleben ihre Allianz mit Japan, Australien und Indien. Weltweit wird das Säbelrasseln immer lauter, die Angst vor einem neuerlichen Kalten Krieg wächst. Eine Analyse von Sicherheitspolitik-Experte Brigadier a. D. Walter Feichtinger.

Der Kalte Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion (SU) ist vielen noch in schlechter Erinnerung. Die Ära nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Zerfall der SU war geprägt von der ideologischen Auseinandersetzung des demokratischen und des kommunistischen Systems. Die Welt war in zwei Blöcke gespalten und jeder wollte den eigenen Machtbereich ausbauen, den Einfluss des Gegners eindämmen oder zurückdrängen. Dazu gehörten auch Stellvertreterkriege wie in Korea, Vietnam oder in afrikanischen Staaten. Beide Seiten produzierten zudem Zig­tausende Atomsprengköpfe, um im Fall der Fälle die Vernichtung des Gegners zumindest durch einen Zweitschlag garantieren zu können (Mutual Assured Destruction). Diese atomare Abschreckung bildet bis heute ein Kernstück verteidigungspolitischer Überlegungen. Militärisch schlug sich die bipolare Weltordnung in Gestalt der NATO und des (1991 aufgelösten) Warschauer Pakts nieder. Eine große Konfrontation mit einem militärischen Showdown ist uns aber – glücklicherweise – erspart geblieben.

Gibt es heute ähnliche Entwicklungen? Ja, doch die Ausgangslage ist komplexer. Aus der bipolaren Weltordnung wurde ein multipolares System mit den Supermächten USA und China und dem global ambitionierten Russland. Dabei lassen sich bereits Versuche einer Blockbildung erkennen, indem die USA eine „Allianz aller demokratischen Staaten” anstrebt, während sich China als Führer einer Weltschicksalsgemeinschaft und Fürsprecher der Entwicklungs- und Schwellenländer geriert. Russland spielt dabei keine besondere Rolle, es hat mit China aber eine „umfassende strategische Partnerschaft” geschlossen. Dazu kommt, dass Peking und Moskau denselben autoritären Herrschaftsstil verfolgen. Von einer Militärallianz oder einem Beistandspakt sind die beiden Länder trotzdem weit entfernt. Europa ist im Rahmen der NATO gebunden und sieht sich einerseits mit einem aggressiven Russland konfrontiert, während sich andererseits die USA und ostasiatische Staaten von Brüssel mehr Engagement im Indopazifik erwarten.

„Der neue Kalte
Krieg ist deutlich
facettenreicher als der alte Kalte Krieg!“

Verteidigungspolitisch betrachtet dreht sich die Rüstungsspirale schon seit Jahren wieder schneller. China holt gegenüber den USA stark auf, auch wenn es nominell noch deutlich weniger ausgibt. Jüngste Meldungen über eine rasante Aufstockung seines Nukleararsenals bis 2030 (von aktuell 200 auf 1.000 Sprengköpfe) lassen vermuten, dass Peking neben modernisierten Streitkräften vermehrt auch auf atomare Abschreckung setzt. Außerdem möchte es die US-Marine aus dem Südchinesischen Meer zurückdrängen, auf das China den alleinigen Nutzungsanspruch stellt. Washington hingegen hat seine sicherheitspolitische Kooperation mit Indien, Australien und Japan (QUAD) wiederbelebt sowie mit Großbritannien und Australien eine neue Allianz (AUKUS) gebildet. Diese richtet sich gegen Chinas Erstarken im West- und Indopazifik und verfolgt eine klare Eindämmungsstrategie.

Die Elemente eines neuen – nunmehr facettenreicheren – Kalten Kriegs sind somit klar zu erkennen. Dabei gehören auch Cyberangriffe und Fake News zur Destabilisierung potenzieller Gegner zum strategischen Repertoire. Eine Rüstungskontrolle zur Eindämmung dieser Entwicklung steht hingegen auf verlorenem Posten. Bleibt zu hoffen, dass – wie damals – alle Akteure imaginäre rote Linien ziehen, um einen „heißen Krieg” zu verhindern.

Quelle@iStock
Sicherheitspolitik-Experte Brigadier a. D. Walter Feichtinger ist Präsident des Center for Strategic Analysis (CSA). Von 2002 bis 2020 war er Leiter des Instituts für Friedenssicherung und Konfliktmanagement an der Landesverteidigungsakademie.