China denkt seine Seidenstraße auch in Richtung Norden, Russland schlägt in der Arktis längst militärische Pflöcke ein und auch die USA verfolgen vor Ort verstärkt Interessen: Das „Ewige Eis” droht sich zu einem neuen Konfliktgebiet zu entwickeln.

Als US-Präsident Donald Trump vor einem Jahr mit dem Vorschlag aufhorchen ließ, Grönland kaufen zu wollen, sorgte das weltweit für Gelächter. Selbst das Wall Street Journal, das zuerst über die Absichten Trumps berichtet hatte, dürfte sich nicht sicher gewesen sein, ob es sich dabei um einen Scherz oder doch um eine ernste Überlegung handelte, ehe Trump selbst die Kaufabsicht der autonom regierten Insel, die zu Dänemark gehört, bestätigte. Ein Erwerb wäre ein „großes Immobiliengeschäft” und „strategisch interessant”, so der amerikanische Staatschef.

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Der Klimawandel schafft Tatsachen: Schon Mitte des Jahrhunderts könnte der Nordpol laut Experten eisfrei sein.

Nun ist Grönland aufgrund seiner Größe und seiner Lage geostrategisch tatsächlich von großer Bedeutung, allerdings betreiben die USA bereits seit den 1950er-Jahren eine Militärbasis im Nordwesten der Insel. Viel interessanter dürfte für Trump daher die Lage Grönlands inmitten der Arktis sein, wo die infolge des Klimawandels steigenden Temperaturen das Eis schmelzen lassen. Für die Schifffahrt tun sich folgedessen neue Routen und Handelswege auf und auch die unter dem Eisschild vermuteten Bodenschätze dürften zunehmend leichter gefördert werden können.

Laut einer Studie des Geologischen Dienstes der USA könnten in der Arktis rund 22 Prozent der noch unentdeckten, technisch förderbaren Öl- und Gasressourcen der Welt liegen. Zusätzlich bedeutende Kupfer-, Platin-, Zink- und Diamant-Vorkommen sowie Seltene Erden, die etwa für die Produktion von Smartphones und Autobatterien dringend benötigt werden. Wenig verwunderlich daher, dass neben den acht Arktisstaaten USA, Kanada, Russland, Island, Norwegen, Dänemark, Schweden und Finnland, die sich 1996 im Arktisrat („Arctic Council”) zusammengeschlossen haben, auch immer mehr andere Länder an dem Gebiet Interesse zeigen und dort wirtschaftliche sowie wissenschaftliche und auch militärische Interessen verfolgen.

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Russland untermauerte 2007 mit dem Setzen einer Unterwasserflagge seine Gebietsansprüche in der Region.

Mittlerweile bezeichnet sich selbst China – obwohl 3.000 Kilometer Luftlinie von dem Gebiet entfernt – als „near arctic state”. 2018 rief Peking sogar eine „Polare Seidenstraße” ins Leben und im vergangenen Dezember verkündeten Russlands Präsident Wladimir Putin und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping ein gigantisches Pipeline-Projekt von Sibierien bis nach Schanghai. Die 3.000 Kilometer lange Verbindung soll bei der Erschließung der Rohstoffe helfen und dabei, das bilaterale Handelsvolumen zwischen beiden Ländern von umgerechnet rund 90 Milliarden Euro im Jahr 2018 deutlich zu steigern. Neben China haben im Arktischen Rat auch Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien sowie Indien und Japan Beobachterstatus. Außerdem Südkorea, Polen, die Niederlande und sogar Singapur und die Schweiz (!).

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Russland hat zuletzt zahlreiche bereits geschlossene Stützpunkte in der Region wieder in Betrieb genommen und auch bereits einige Militärübungen am Nordpol absolviert.

Während es wohl noch einige Jahre dauert, bis die vor Ort vermuteten Rohstoffe tatsächlich abgebaut werden können, dürfte das Gebiet für die Schifffahrt (Nordwest- und Nordostpassage) schon deutlich früher interessant werden, wie der deutsche Politikwissenschaftler Carlo Masala kürzlich im Podcast „Sicherheitshalber” (siehe auch Abspielmöglichkeit weiter unten) erklärte: „Die meisten Experten sind sich einig, dass die Arktis mitte dieses Jahrhunderts eisfrei sein wird. Wir erleben jetzt schon einen Prozess, der partiell neue Routen für die Schiffahrt offen legt und der enorme Zeit- und Kostenersparnisse mit sich bringt. Wenn Schiffe aus China über den Norden in Richtung Europa fahren, sparen sie dadurch 40 Prozent der Zeit und brauchen nur noch 15 Tage anstelle der aktuell rund 28 Tage – das ökonomische Potenzial ist also ungeheuerlich groß.”

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Um seine Ansprüche zu untermauern, hat Russland 2007 am Nordpol auf dem Meeresboden eine Flagge gepflanzt und damit das Gebiet symbolisch zu seinem Territorium erklärt. In den vergangenen Jahren hat Moskau zudem zahlreiche mit Ende des Kalten Krieges stillgelegte Stützpunkte an der russischen Festlandküste (siehe Twitter-Post auf der nächsten Seite) und auf den sibirischen Inselgruppen – darunter Tiefwasserhäfen ebenso wie bomber- und jagdflugzeugtaugliche Flugfelder – reaktiviert sowie ausgebaut und ist auch militärisch auf der Polkappe aktiv. Seit 2016 führen russische Soldaten regelmäßig Luftlandeübungen und Trainings in der Arktis durch, dabei wurde auch bereits das mobile, atomwaffenfähige Raketensystem Iskander-M mit einer Reichweite von mehr als 400 Kilometern vor Ort eingesetzt und bereits 2014 wurde mit Blickrichtung Arktis ein fünfter Militärbezirk mit der in Murmansk stationierten Nordmeerflotte mit ihren strategeischen U-Booten im Zentrum eingerichtet. Dem Hauptquartier in Seweromorsk unterstehen laut dieser Analyse des DMKN (Deutsches Maritimes Kompetenz Netz) zudem zwei motorisierte Infanteriebrigaden des Heeres sowie eine Brigade der Marineinfanterie, die 45. Luftflotte der Luftwaffe, sowie mit S-300 ausgerüstete Flugabwehr-Verbände und eine Küstenschutzartilleriebrigade mit 300 Kilometer reichenden Seezielflugkörpern.

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Quelle@Willian Justen de Vasconcellos on Unsplash, Annie Spratt on Unsplash, Association of Russian Polar Explorers, Russian Army, Royal Navy