Großflächige Stromausfälle sind in Europa und insbesondere in Österreich selten. Trotzdem ist der Ernstfall nicht auszuschließen und daher beschäftigt sich auch das Bundesheer mit entsprechenden Szenarien und ihren Auswirkungen.

Ein großflächiger Ausfall der Stromversorgung über mehrere Tage erzeugt eine Situation, die einem Dominospiel gleicht: Je länger ein Blackout anhält, umso stärker gerät das System ins Wanken. Die Probleme steigen mit der Dauer des Ausfalls exponentiell und erfassen zunehmend alle Lebensbereiche. Spätestens nach zwei Stunden wird das gesamte Handynetz stumm sein. Bereits nach einem Tag entwickeln viele Abwasserkanäle, vor allem jene in den Ballungszentren, üble Gerüche. Lebensmittel aus den Kühl- und Tiefkühlgeräten beginnen zu verderben. Auch die Wasserversorgung wird zum Problem. Doch zuallererst kommt der Verkehr zum Erliegen. Ampeln fallen aus. U-Bahnen und Straßenbahnen fahren nicht mehr. Viele Menschen stecken in Liften fest.

Eine eindrückliche Schilderung eines möglichen Blackout-Szenarios, das ganz Europa betrifft, hat Autor Marc Elsberg im Jahr 2012 in seinem Buch „Blackout – Morgen ist es zu spät” detailreich geschildert. Der Bestseller mit fiktionaler Handlung basiert auf den Ergebnissen einer groß angelegten Studie zu den Folgen eines Blackouts und gilt als höchst realistische Darstellung eines tagelangen europaweiten Stromausfalls. Elsbergs Szenario liegt ein Hacker-Angriff zugrunde. Ebenso gelten Netzüberlastungen, Wetterkapriolen und Naturkatastrophen als mögliche Auslöser eines Blackouts. Und natürlich auch terrorischtische Anschläge. Ein mutwillig verursachter Blackout gilt auch im Rahmen von kriegerischen Konflikten als probates Mittel, um Gegner zu schwächen. Die dadurch ausgelösten Probleme sind daher auch für das Bundesheer Thema, das im Fall eines Blackouts vorrangig präventive Aufgaben verfolgt.

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Brigadier Stefan Thaller: „Seit 2015 wird massiv ausgebaut, um das Bundesheer, im Speziellen die Miliz, auf den Schutz kritischer Infrastruktur vorzubereiten.”

Brigadier Stefan Thaller, Leiter der Abteilung Einsatzvorbereitung im Verteidigungsministerium: „Im Rahmen eines sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatzes für das Bundesministerium für Inneres oder bei einer militärischen Schutzoperation ist grundsätzlich auch der Schutz von diversen Kraftwerksanlagen und Teilen der Leitungsinfrastruktur vorgesehen.” Einige Hundert Objekte in unterschiedlichen Bereichen – wie etwa Energie, Wasser, Transport und Gesundheit – wurden vom Innenministerium als besonders wichtige kritische Infrastruktur definiert, die es im Fall des Falles jedenfalls zu schützen gilt. Aufgrund der enorm hohen Personalstärken, die dafür erforderlich sind, handelt es sich um eine Aufgabe der Miliz des Bundesheeres. Die Bedeutung dieses Bereichs ist spürbar gestiegen.

„Seit 2015 wird hier massiv ausgebaut, um das Bundesheer, im Speziellen die Miliz, auf diese Aufgabe vorzubereiten”, erklärt Thaller und nennt die zwölf zusätzlichen neu aufgestellten selbstständig strukturierten Jägerkompanien als offensichtlichstes Beispiel für die gestiegene Aufmerksamkeit, die dem Schutz kritischer Infrastruktur gewidmet wird. Thaller spricht von einem „sich über ganz Österreich erstreckenden, vorwiegend stationären Korsett, das im Falle des Falles Sicherheit erzeugt.” Die Mitte Mai von der Regierung präsentierten Sicherheitsinseln, die quer über Österreich verteilt an zwölf Kasernenstandorten entstehen sollen und als autarke Anlaufstellen in Krisenfällen gedacht sind, geben eine ähnliche Marschrichtung vor. Aus der Abstraktion geholt wurde das Thema Schutz kritischer Infrastruktur im vergangenen November in Form einer groß angelegten Objektschutzübung des Bundesheeres in Kooperation mit der Polizei. 650 Soldaten und 100 Polizisten hatten zur Aufgabe sichere Rahmenbedingungen für eine geregelte Stromproduktion im Kraftwerk Donaustadt herzustellen – auch das ORF-Zentrum am Küniglberg, das Betriebsgelände der Wiener Linien und das Erdöllager Lobau dienten als Schauplätze. Im Besonderen hatte die Übung der Abstimmung der Führungsverfahren von Heer und Polizei, aber auch der Kommunikation der Kommandanten aller Ebenen gegolten. Dementsprechend auch der Arbeitstitel „Netzwerk 2017”.

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Der Schutz kritischer Infrastruktur wurde im vergangenen Jahr vom Bundesheer bei der Übung „Netzwerk 2017” geübt. Das Hauptaugenmerk galt dabei insbesondere der Kommunikation.

Blackout-Szenarien zählen beim Bundesheer auch für das Kommando Führungsunterstützung und Cyber Defence zu den Worst-Case-Themen. Generalmajor Hermann Kaponig: „Die Cyber-Kräfte des Bundesheeres können in einer Krise bei Bedarf das Innenministerium in Form eines Assistenzeinsatzes unterstützen – oder nach Ausrufung der Militärischen Landesverteidigung im Cyberraum selbst Cyberoperationen durchführen.” Dies erfolge in enger Abstimmung mit den anderen Kommanden des Bundesheeres, anderen staatlichen Playern und wenn nötig auch in Zusammen- arbeit auf internationaler Ebene, so Kaponig. Bei einem Blackout hat das Kommando die Aufgabe, die militärische Führungsfähigkeit hinsichtlich der eigenen Kommunikations- und Datennetze aufrechtzuerhalten oder gegebenenfalls wiederherzustellen. Danach wird die Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit der staatlichen Entscheidungsstrukturen sowie bei Bedarf die Einrichtungen der kritischen Infrastruktur unterstützt.

In Kooperation mit der Technischen Universität Wien wurde dahingehend Mitte 2017 die Studie „Blackout durch Cyberangriffe” gestartet. Die erste Studienphase ist den Resilienznotwendigkeiten der militärischen Führungseinrichtungen sowie dem sogenannten Backbone, dem Kernkommunikationsnetz des Bundesheeres, gewidmet. Ergebnisse der ersten Studienphase werden laut Kaponig Ende 2018 vorliegen. Ebenso in Planung ist der Aufbau einer Cyber-Miliz: „Wir sind da in guter Gesellschaft mit der Schweiz und Deutschland. Auch unser Bundesheer benötigt zur Bewältigung der künftigen Aufgabenstellungen eine schlagkräftige Cybertruppe.”

Wie empfindlich ein Blackout eine österreichische Region treffen könnte, zeigt eine Studie von Bundesheer-Offizier Oberst Gottfried Pausch aus dem vergangenen November. Pausch beschreibt darin die Auswirkungen eines europaweiten Blackouts auf den Salzburger Pinzgau. Das fiktive Szenario nimmt seinen Lauf an einem kalten Semesterferientag, an dem auch ein Urlauberwechsel stattfindet. Herausforderungen wie mehrere Tausend am Kitzsteinhorn festsitzende Wintersportler werden darin ebenso sichtbar wie die Probleme der Pinzgauer Landwirte, deren Melkmaschinen nicht mehr funktionieren, was in großen Betrieben schnell zum gesundheitlichen Problem für die Tiere wird. „Das Szenario ist fiktiv, jedoch alles andere als unrealistisch”, so Pausch.

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Kooperation im Krisenfall: Im Rahmen eines sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatzes des Bundesheeres für das Bundesministerium für Inneres wird auf enge Kooperation zwischen den Einsatzkräften gesetzt.

Die Versorgungssicherheit in Österreich zählt zwar zur höchsten weltweit. Doch Argumente für eine breite Auseinandersetzung mit den Folgen und insbesondere den Gegenmaßnahmen nach einem Blackout gibt es zahlreiche. Komplexer werdende Stromnetze, deren Belastung stetig steigt, tragen ebenso dazu bei, wie auch die Energiewende eine Herausforderung bedeutet. Um das Netz stabil zu halten, müssen Erzeugung und Verbräuche einander in etwa die Waage halten – die vom Wetter abhängige Produktion von Solar- und Windstrom bedeutet hinsichtlich der Stabilität eine zusätzliche Herausforderung. Wie sensibel das europäische Stromnetz ist, hat sich zu Beginn des heurigen Jahres gezeigt. Übertragungsnetzbetreiber in Serbien und im Kosovo haben die Netzfrequenz nicht auf den vorgeschriebenen 50 Hertz gehalten. Die Auswirkungen waren in ganz Europa sichtbar. Uhren an Herden und Mikrowellen und viele Radiowecker, die mit Netzstrom betrieben werden, sind bis zu fünf Minuten falsch gegangen, weil sie sich nach der Netzfrequenz von 50 Hertz richten.

Quelle@123rf, Bundesheer/Stefan Tesch, Bundesheer