Am 2. Dezember unterzeichneten Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und ihr italienischer Amtskollege Lorenzo Guerini in Rom ein Verwaltungsübereinkommen auf Regierungsebene. Die Rede ist von einem sogenannten „vorläufigen Dokument” zum bereits früher in diesem Jahr erzielten zwischenstaatlichen Government-to-Government (G2)-Rahmenabkommen, welches (vorläufig) die Lieferung von 18 Augusta-Westland AW169B/-M Hubschraubern des italienischen Herstellers Leonardo an das österreichische Bundesheer fixiert.

Zwar ist eine gegenseitige Absichtserklärung, ein „Letter of Intent”, zu diesem G2G-Geschäft bereits im November unterschrieben worden, mit dem Dokument beginnt aber nun die Umsetzungsphase der Vereinbarung, die zur Unterzeichnung der technischen und vertraglichen Vereinbarung durch die jeweiligen Fachleute bis zum 20. Dezember und zur Unterzeichnung des Kaufvertrags auf Beamtenebene bis Mitte Jänner des kommenden Jahres führen wird, um die Lieferung des ersten Hubschraubers nach Österreich Ende 2022 zu ermöglichen.

@MoD Italien
Nach langwierigen Verhandlungen auf höchster Ebene …

Statements
„Das Bedeutende an diesem Verwaltungsübereinkommen mit Italien ist die Kooperation über den Bereich der Beschaffung hinaus. Damit meine ich zum Beispiel die Ausbildung, die Logistik, die Materialerhaltung und die Möglichkeit einer gemeinsamen Nutzung von Simulatoren”, sagte Verteidigungsministerin Klaudia Tanner in Rom zu mitgereisten heimischen Journalisten. Die Zusammenarbeit mit den italienischen Streitkräften ermögliche bereits mit dem Frühjahr 2022 beginnend eine gezielte Ausbildung auf dem leichten Mehrzweckhubschrauber – mit zu Beginn zehn künftigen Fluglehrern.

@MoD Italien
… konnten Verteidigungsministerin Klaudia Tanner und ihr italienischer Amtskollege Lorenzo Guerini nun eine Einigung präsentieren.

Minister Guerini betonte in seinem Gespräch mit Ministerin Tanner die Bedeutung der österreichischen Entscheidung, sich mit AW169M-Hubschraubern auszustatten: „Wir stehen mit der Auswahl dieses Exzellenzprodukts am Beginn einer neuen Zusammenarbeit im Beschaffungssektor zwischen dem österreichischen und italienischen Militär” und fügte hinzu: „Das ist ein tugendhaftes Beispiel, das auch im Hinblick auf die Entwicklung gemeinsamer Fähigkeiten von großem Wert ist – und funktional für die Umsetzung in der europäischen Verteidigung.”

Verschiebung nach hinten
Ursprünglich – die Typenentscheidung fiel ja bereits vor 14 Monaten (Militär Aktuell berichtete) – war geplant, dass nach Abschluss der Vertragsverhandlungen die Produktion der Hubschrauber (welche rund 18 Monate dauert) jetzt bereits begonnen hätte. Denn damals ging man davon aus, dass bereits Mitte 2022 die ersten AW169M in Österreich eintreffen würden, die letzten im Frühjahr 2024. Eine erste Einsatzbereitschaft (IOC) sollte noch Ende 2023 erreicht werden, da mit dann – zumindest damals – das Dienstende der mehr als 50 Jahre alten Alouette III fixiert war. In Folge sollten bis 2025 Einrüstungsschritte für Rettungsausrüstung, Sensoren etwa für Luftaufklärung, Bewaffnung und Selbstschutz folgen, jeweils zuerst in einer Anfangsfähigkeit (IOC) und dann in voller Einsatzfähigkeit (FOC) nachgewiesen (siehe Grafik). Über das gesamte Aufgabenspektrum hinweg sollte letztere – gerechnet ab der Typenentscheidung – Ende 2026 erreicht werden.

@Bundesheer
Die ursprünglich geplante Zeitleiste für die Einphasung und Ausrüstung der neuen AW169-Hubschrauber kann nach der verzögerten Finalisierung des Geschäfts nicht mehr eingehalten werden.

Das hat sich nun aber alles um – zumindest – einige Monate verschoben. Wie zu hören ist, ist die Verzögerung einerseits auf die doch mühsameren bilateralen Regierungsverhandlungen (G2G) zurückzuführen, die man „etwas unterschätzt” habe, weil beiderseits mehrere Ministerien involviert sind. Andererseits dürfte auch die Covid-19-Pandemie mit ihren Reisebeschränkungen und -verhinderungen einen Teil zur Verzögerung beigetragen haben. Das gilt fü die vielen nötigen Gespräche und Treffen auf Beamtenebene, aber auch auf bilateral-militärischer Ebene und auch für die Involvierung des Herstellers Leonardo. Schließlich soll jener die Maschinen bauen und die doch nötigen Abweichungen für Österreich von der – wie stets betont wird – hochgradig gesuchten „Anlehnung” an die vielleicht im Endausbau mehr als 100 AW169-Hubschrauber der italienischen Heeresflieger einplanen und teils entwickeln.

@Georg Mader
Vorgänger: Die neuen AW169-Hubschraubeer sollen die mehr als 50 Jahre alten Alouette III-Drehflügler des Heeres ersetzen.

Nun soll die Übergabe der ersten beiden Maschinen – wohl AW169B – Anfang Dezember 2022 erfolgen, die Lieferungen werden voraussichtlich bis 2025 dauern. Die erwähnten einzelnen Fähigkeitseinrüstungen sowie deren Nachweis und die finale Full Operational Capability (FOC) wohl bis 2027. Das heißt, AW169 und Alouette-III werden sich 2023 zwar noch begegnen, die volle Anzahl an Ersatz wird bis zum offiziellen Nutzungsende letzterer – so es bei jenem bleibt – aber nicht im Lande sein. Jedenfalls beträgt die geplante Nutzungsdauer des neuen Systems mindestens 30 Jahre – in Österreich wohl noch länger.

@Georg Mader
Mock-Up der M.A.-Version des AW169 mit Sensoren und Waffen auf der Farnborough Airshow.

Zwei verschiedene Varianten
Die 18 Maschinen für Österreich werden sich in sechs AW169B und zwölf AW169M.A. aufteilen. Dem Dokument von ARMAERO (italienisches Rüstungsdirektorat) zufolge, basieren die vom BMLV bestellten Hubschrauber jeweils auf den italienischen Varianten AW-169B (addestratore basico) beziehungsweise -M.A. (multiruolo avanzato), mit eben spezifischen Anpassungen/Konfigurationen, wie sie von Österreich gefordert wurden. Leonardo übergab im Juli 2020 die ersten zwei AW-169 Basic Training Light Utility Helicopters (LUH) an die italienischen Heeresflieger, während einer offiziellen Zeremonie in Lamezia Terme. Die Einführung des Trainingshubschraubers der neuen Generation (mit der Bezeichnung UH-169B) ermöglicht es der italienischen Armee, ihre Besatzungen auf den zukünftigen operativen Übergang zu dem neuen Mehrzweck-LUH-Programm vorzubereiten, welches auf einem längerfristigen Flottenmodernisierungs- und Rationalisierungsplan abzielt.

@AMI
Der AW169 kann von Hersteller Leonardo in zahlreichen unterschiedlichen Spezifikationen ausgeliefert werden.

Damit sollen im Endausbau auf der Grundlage eines „One Single Platform”-Ansatzes wohl mehr als 100 alternde Modelle wie A109, AB206, AB205, AB212 und AB412 schrittweise ersetzt werden. Diese ersten beiden UH-169B – in einer solchen als „baugleich” bezeichneten Maschine fand der Flug von Verteidigungsministerin Tanner und den Journalisten am 2. Dezember statt – haben ein einziehbares Räderfahrwerk. Österreichs präferiert – wie im Zuge des Besuchs wieder betont – aber ein Kufengestell. Dieses wird vom Hersteller aber erst im nächsten Sommer zertifiziert, übrigens ebenso wie ein EPP-Leistungspaket welches nochmals 45 Wellen-PS aus jedem der beiden Triebwerke herausholt. Daher ist noch offen, ob die sechs (auch) als Schulhubschrauber titulierten B-Varianten anfangs mit Rädern- oder gleich mit Kufen ausgeliefert werden, beziehungsweise ob jene Version in Italien eventuell später umgerüstet wird.

Derzeit fliegen jedenfalls in Italien einer oder zwei Zulassungs-Testträger mit Kufengestell. Aufhorchen lässt, dass im ARMAERO-Dokument explizit auch eine Option auf nochmals sechs weitere B-, sowie weitere zwölf M.A.-Varianten enthalten ist, wenngleich man nicht weiß wie lange diese – auch beim S-70 gab es eine solche einst und die ließ man verstreichen – gezogen werden kann. Im Gespräch mit den Medienvertretern vor Ort wollte man jedenfalls nur von zwölf Optionen sprechen.

@Archiv
Von Österreich präferierte Variante: AW169-Prototyp mit Kufen.

Bewaffnung
Nach dem militärischem Pflichtenheft sollte die Bewaffnung – Generalstabschef Robert Brieger hat das bei der Typenentscheidung auf Nachfrage der Krone ausgeführt – aus folgenden Komponenten bestehen: Schwenkzapfen für Doorguns (siehe S-70), Bordkanone (12,7 mm und/oder 2 cm), ungelenkte 70-mm-Raketen und idealerweise auch eine Version davon als laser-endphasengesteuerte Lenkrakete (APKWS), ein FLIR, das neben Luftaufklärungsaufgaben auch für einen präzisen Waffeneinsatz verwendet werden kann und ein im Hubschrauber integrierter Waffenrechner inklusive Visionik. Die Waffen sollen an Trägern mitgeführt werden, die innerhalb weniger Stunden an die M.A.-Version des Hubschraubers ein- und ausbaubar und von Leonardo wohl spezifisch für Österreich – die Italiener haben ja noch andere bewaffnete Hubschrauber wie Mangusta beziehungsweise künftig AW269 – herzustellen sind. Wobei die Waffen selbst wohl extra – womöglich auch in einem G2G-Geschäft – beschafft werden müssen, Leonardo stellt sie jedenfalls nicht her.

Hier geht es zu weiteren Meldungen rund um Leonardo. Und hier geht es zu anderen Medienberichten zur AW169-Beschaffung im Standard und in der Kleinen Zeitung.

Quelle@Leonardo, Georg Mader, MoD Italien, AMI, Bundesheer, Archiv