Brigadier Sylvia-Carolina Sperandio war die erste Frau im Offiziersrang des Bundesheeres und leitet aktuell das Militärische Gesundheitswesen. In welchem Zustand dieses heute ist, wie es sich durch die jüngsten Ereignisse verändert hat und welche Vorkehrungen für die Zukunft getroffen werden, erzählt sie im Gespräch mit Militär Aktuell.

Frau Brigadier, die Corona-Pandemie scheint so gut wie überstanden – wie hat diese das Militärische Gesundheitswesen in den vergangenen Jahren geprägt?
Das Militärische Gesundheitswesen war von Beginn an mit seinem gesamten Personal im Einsatz. Sei es in Vorbereitungen für einen Massenanfall von Erkrankten oder im Betrieb zahlreicher Teststraßen sowie Impfstraßen für die zivile Bevölkerung. Das Militärische Gesundheitswesen wurde sichtbar im eigenen Ressort, aber auch weit darüber hinaus und konnte mit seiner Leistungsfähigkeit einen bleibenden positiven Eindruck hinterlassen. Leider hat es auch aufgezeigt, was es als mögliche „strategische Reserve” nicht kann, da es vor allem im vergangenen Jahrzehnt einem ständigen Rotstift ausgesetzt war – das Material, aber vor allem auch in zu großem Umfang das Personal. Aus meiner Sicht sollten aber die wesentlichen Fähigkeiten eines Heeressanitätsdienstes bestmöglich für das staatliche Krisen- und Katastrophenmanagement (SKKM) bereitgestellt werden können.

Kooperation von ÖBH und Bundesfeuerwehrverband

Inwieweit trifft das Bundesheer nun bessere Vorbereitungen auf mögliche Krisen – sowohl ausbildungs- als auch ausrüstungsmäßig?
Bereits jetzt entspricht die Ausbildung sämtlicher Gesundheitsberufe im Militärischen Gesundheitswesen denselben rechtlichen Vorgaben wie im Zivilen. Jedoch wollen wir zukünftig unser Augenmerk verstärkt auf die zusätzliche militärische und militärmedizinische Ausbildung legen, die mit regelmäßigem Training und Großübungen, auch in Kooperationen mit anderen Streitkräften, vertieft wird. Die Budgeterhöhung erhöht einerseits die notwendigen Investitionen in den Leistungsbereich der notfallmedizinischen Versorgung. Ich denke hier an geschützte und gepanzerte Patiententransportmittel zu Land und zu Luft, aber auch an die Modernisierung der vier Militärkrankenanstalten mit den Standorten Wien, Graz, Hörsching und Innsbruck – in letzterer wird gerade ein neues „Militärspital” errichtet. Wesentliches Ziel der Investitionen ist auch die Beschaffung von hochmobilen Sanitätsmodulen zur notfallchirurgischen Versorgung und zur Unterstützung der Sanitätsversorgungskette bei Massenanfällen von Patienten, die rasch in die entsprechenden Einsatzräume im In- und Ausland verbracht werden können. Auch ein „Feldspital” für längerfristige militärische – aber auch humanitäre – Auslandseinsätze ist geplant.

In der Ende 2019 erschienenen „Sicherheitspolitischen Jahresvorschau 2020” schrieben Sie: „Pandemien können verheerende Folgen auf die Gesellschaft als Ganzes haben.” Wie sich bald darauf zeigen sollte, ist genau das auch eingetreten. Was sollte das Heer daher für den Fall einer weiteren (wie auch immer gearteten) Pandemie auf jeden Fall vorbereiten?
Allem voran müssen gesamtstaatliche Krisenpläne unter Einbeziehung sämtlicher Ressorts auf Bundes- und Landesebene erstellt werden und entsprechende Übungen dazu – zumindest „Table top exercises” – stattfinden, um diese auf Aktualität und Effizienz evaluieren zu können. Auch die Einbeziehung sämtlicher Stakeholder wie aus dem Bereich der NGOs und Wirtschaft sind unabdingbar.  Wesentlich hierzu sind auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, die anzupassen wären. Internationale Frühwarnsysteme sind zu errichten, sowie die Produktion von Schutzmitteln jeglicher Art in nationaler sowie in EU-Hand voranzutreiben. Eine professionelle Kommunikation kann präventiv die Resilienz der österreichischen Gesellschaft optimieren.

„Ich kenne keinen anderen Dienstgeber für eine Ärztin oder einen Arzt, der so viele Möglichkeiten einer medizinischen Karriere bereithält wie das Österreichische Bundesheer.“

Was zeichnet den Militärischen Gesundheits- und Sanitätsdienst aus? Was können Heeressanitäter und Militärärzte in Krisenzeiten besser als andere?
Im Unterschied zum zivilen Gesundheitssystem ist das Militärische Gesundheitswesen in all seiner Aufgabenerfüllung letztlich auf den (bewaffneten) Einsatz ausgerichtet. Das bedeutet auch, dass jegliches Sanitätspersonal in all seinen unterschiedlichen Gesundheitsberufen jedenfalls neben einer – wie im Zivilen geforderten – Ausbildung auch eine militärische Ausbildung als Soldatin und Soldat für die jeweiligen Führungsebenen absolvieren muss. Das militärmedizinische Personal wird für eine notfallmedizinische Versorgung unter Beschuss oder im Rahmen außergewöhnlicher Ereignisse vorbereitet. Die Vertiefung in wehrmedizinische Fachgebiete (zum Beispiel militärische Luftfahrtmedizin, ABC-Abwehrmedizin, Katastrophenmedizin, und vieles mehr) sowie in militärische Führungsverfahren von der taktischen bis in die strategische Ebene befähigen den Heeressanitätsdienst, in Krisen jeglicher Art rasch und zielgerichtet zu agieren.

Aufgrund des derzeitigen Ärztemangels, der auch vor dem Bundesheer nicht Halt gemacht hat, müssen attraktive Angebote her, so etwa das kürzlich initiierte Militär-Medizinstudium. Wer Arzt oder Ärztin beim Bundesheer werden will, muss beim Aufnahmetest nicht unter den Allerbesten sein, sondern unter den besten 25 Prozent. Aus welchen weiteren Gründen sollte sich ein junger Mensch dazu entscheiden, Militärarzt oder -ärztin zu werden?
Die Frage ist für mich ganz leicht beantwortet: Ich kenne keinen anderen Dienstgeber für eine Ärztin oder einen Arzt, der so viele Möglichkeiten einer medizinischen Karriere mit seinen wehrmedizinischen Nischenfächern, die ich vorher schon erwähnt hatte, bereithält wie das Österreichische Bundesheer. Die Vielfältigkeit der Aufgaben auch im internationalen Kontext und die Veränderungsmöglichkeit im Rahmen einer Lebenskarriere bis hin zu hohen Führungsaufgaben sind einzigartig.

Hier geht es zu den anderen Beiträgen unserer Serie „5 Fragen an”.

Quelle@Bundesheer/Pusch