Der Minerva Landrover war das letzte große Fahrzeugprojekt des belgischen Herstellers, vermutlich auch das ökonomisch wichtigste – und vor allem: das untypischste. Denn die nach der römischen Göttin der Weisheit benannte und in Antwerpen ansässige Automobilfirma kam über die Produktion von Fahrrädern, Motorrädern, Kleinwagen und Rennautos kurz vor dem Ersten Weltkrieg zur Produktion von großen Luxuswagen.

Minerva war sozusagen das belgische Pendant zu Rolls-Royce. Pikanterweise hatte Charles Rolls, bevor er zu einem der Mitbegründer von Rolls-Royce wurde, Minerva-Automobile nach Großbritannien importiert. Außerdem gibt es noch eine interessante Parallele: der Rolls-Royce Armoured Car gilt vielen als Urahn aller Panzerwagen, Minerva hatte aber schon ein paar Wochen zuvor mit dem Bau von Panzerwagen begonnen, bis zur deutschen Besetzung Antwerpens konnten aber nur rund 30 Stück fertiggestellt werden.

@Tom HigginsEin Geländewagen aus Belgien
In Erinnerung bleiben wird die Firma Minerva dem Fahrzeugenthusiasten wohl aber mit ihrer Variante des Landrovers, dem Minerva TT 80. Und zur besonderen Beachtung: Es war der letzte Fahrzeugtyp, den die Minerva-Fahrzeugwerke produzierten. Im Juni 1956 liefen im Minervawerk in Mortsel bei Antwerpen die letzten Fahrzeuge vom Band. Bald darauf gab es Minerva nicht mehr. Der Minerva Landrover lief aber noch lange Jahre. Als man bei den belgischen Streitkräften im Jahre 1985 mit der Einführung des Bombardier Polecat (der kanadischen Lizenzfertigung des VW Iltis) begann, waren noch 2.492 Minerva Landrover im Dienst.

Um die noch aus Kriegszeiten stammenden Bestände an amerikanischen Jeeps und britischen Light Utility Cars zu ersetzen und moderne Fahrzeuge für den Koreaeinsatz belgischer Truppen zu haben, bestellte die belgische Regierung 1951 insgesamt 2.500 Willys CJ-3A Jeeps, die bei Wilford, dem Importeur von Willys-Overland, bis 1952 zusammengebaut wurden. Zu der Zeit hatte Matthieu Van Roggen, Firmenchef bei Minerva, schon mit der Firma Rover in Großbritannien Kontakt aufgenommen. Im Mai 1952 wurde der Vertrag geschlossen, Minerva erwarb bei Rover 2.500 so genannte „Completely Knocked Down”-(CKD)-Bausätze des Landrover 80. Das heißt, Chassis mit Motor. Karosserie, Innenausstattung und Räder wurden bei Minerva selbst gebaut oder bei belgischen Zulieferern bestellt. Die Teile wurden in Mortsel in britischer Lizenz und (zunächst) mit der Hilfe von Ingenieuren von Rover zusammengebaut.

@Tom HigginsDiese Minerva Landrover hatten im Gegensatz zu ihren britischen Vorbildern keine Aluminium-Aufbauten, sondern eine stählerne Karosserie. Auffälligstes äußerliches Erkennungsmerkmal waren die abgeschrägten vorderen Kotflügel. 9.905 CKD-Kits wurden geliefert, auf dieser Basis fertigte Minerva 8.440 Fahrzeuge für das belgische Militär. Die anderen 1.465 Fahrzeuge gingen an Polizei, Gendarmerie (oder „Rijkswacht” in Flandern) und an wenige zivile Käufer.

Die Zusammenarbeit mit Rover war nicht einfach, es gab sogar einen Rechtsstreit um die Lizenzen. Die Kunden waren allerdings zufrieden mit dem Minerva, dessen Bezeichnung TT („Tout Terrain”) nicht zuviel versprach. Die Minerva Landrover liefen zeitgleich mit den Willys-Overland CJ-3, beide Typen dienten in unterschiedlichen Funktionen und Konfigurationen. Später wurden Landrover 88 (Series II) zugekauft, die aber hauptsächlich bei Kampfunterstützungseinheiten eingesetzt wurden. Die Bombardier Polecats, von denen 2.673 Stück an die belgischen Streitkräfte geliefert wurden, lösten den Minerva Land Rover ab.

Rolls Royce Armoured Car nach wie vor im Dienst

Kampfstarke Sonderversion
Der teilgepanzerte Recce-Jeep der belgischen Parakommandos wirkte nicht nur gefährlich, er war es auch. Die Zwillingslafette mit dem FN-MAG-Maschinengewehren auf der Beifahrerseite verschaffte den Aufklärern der Parakommandos (belgische Fallschirmjäger) eine erhebliche Feuerkraft, zusätzlich war noch ein weiteres MG am Heck des Fahrzeugs montiert. 35 oder 36 Stück wurden gebaut. Vier Fahrzeuge nahmen im November 1964 an der Luftlandeoperation „Dragon Rouge” der belgischen Armee im Osten Zaires teil. Die Teilpanzerung (kleine Panzerglasscheiben und zwölf Millimeter starke Panzerbleche) brachten das Fahrzeuggewicht auf 1.510 Kilogramm. Dazu gab es noch 30 fast baugleiche Fahrzeuge, die bei der belgischen Luftwaffe zum Einsatz kamen.

1954 kam es zu einem Rechtsstreit zwischen Minerva und Rover, der resultierende Vergleich sah so aus, dass Rover die letzten 900 CKD-Bausätze zu einem stark verbilligten Preis lieferte.

Technische Daten
Die Minerva Landrover liefen in einer Vielzahl von Konfigurationen, etliche hatten Reserverad und Reservekanister am Heck, wie es auch bei den alten Willys Jeeps der Fall war. In dem Handbuch für den Minerva Landrover („Handleiding voor MINERVA Licence Rover”) wird der Hubraum mit 1.997 Kubikzentimeter angegeben, die Motorleistung des Vierzylinder-Benzinmotors mit 52 PS.

@Dennis BujisDie Fahrzeuglänge beträgt ohne Reserverad- und Benzinkanister (Buitenlengte zonder reserve wiel en Jerrycan) 3,280 Meter, mit Reserverad- und Benzinkanister (Buitenlengte met reserve wiel en Jerrycan) 3,580 Meter. Das Fahrzeugleergewicht, allerdings vollbetankt, beträgt 1.230 Kilogramm, das zulässige Gesamtgewicht 1.820 Kilogramm.

Nach Ablauf der Lizensierung mit Rover entwickelte Minerva noch zwei eigene Offroader, den C20 und den C22, von denen aber nur eine Handvoll gebaut wurde. Vom Minerva Landrover sind allein in Belgien noch 300 Stück mit ziviler Zulassung auf den Straßen unterwegs – eine beeindruckende Zahl über 50 Jahre nach Fertigungsende.

Der Autor dankt recht herzlich Tom Higgins und Dennis Buijs für die Unterstützung.

Quelle@Tom Higgins, Dennis Bujis