Knapp 500 österreichische Soldaten sind derzeit Teil von KFOR und im Kosovo als Aufklärer, Militärpolizisten oder im Sanitätsdienst tätig. Wir haben sie vor Ort besucht.

Nach monatelangem politischem Pokerspiel zwischen Washington und Belgrad war es am Abend des 24. März 1999 so weit: In der Nähe der kosovarischen Hauptstadt Priština kam es zu Detonationen, die NATO setzte ihre lange angekündigten Angriffspläne in die Tat um. Die mit der Mission „Allied Force” verbundenen Ziele waren der Rückzug der serbischen Truppen aus dem Kosovo und damit verbunden das Verhindern von Menschenrechtsverletzungen. Aber auch die Stationierung einer Friedenstruppe, der sogenannten Kosovo Force – kurz: KFOR.

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Oberst Arnold Staudacher, Kommandant des 34. österreichischen KFOR-Kontingents.

Heute, mehr als 17 Jahre und ein UN-Mandat später, ist diese multinationale Kosovo-Truppe immer noch im Land. Und – glaubt man Oberst Arnold Staudacher, dem Kommandant des mittlerweile bereits 34. österreichischen KFOR-Kontingents – wird sich daran so schnell auch nichts ändern. „Prognosen sind schwierig, aber nach aktuellem Stand hat die Mission noch eine längere Zukunft. Wobei sich KFOR immer weiter weg von einer militärischen hin zu einer politischen Mission entwickelt.”

Abzulesen ist diese Gewichtsverlagerung am Abzug einer slowenischen Infanteriekompanie im Frühjahr. Noch heuer soll auch eine deutsche Kompanie das Land verlassen, 2017 könnte eine portugiesische folgen. Österreich macht entgegen dem Trend derweilen keine Anstalten, seine zwei in Pec stationierten Infanteriekompanien aus KFOR herauszulösen, und auch sonst dürfte sich an der Truppenstärke von knapp 500 Soldaten in Zukunft wenig ändern. Trotzdem ist die von Oberst Staudacher beschriebene Entwicklung aber auch im rot-weiß-roten Verantwortungsbereich erkennbar. Etwa in der gestiegenen Bedeutung der sogenannten Liaison Monitoring Teams (LMTs), die früher oder später den Abzug der Kampftruppen ermöglichen sollen. Deren ureigenste Aufgabe ist es, durch ständige Präsenz den Truppenschutz zu erhöhen. Vor Ort, im vom Bundesheer betriebenen LMT-Haus in Suva Reka, auf halbem Weg zwischen Priština und der im Südwesten gelegenen Großstadt Prizren, ist äußerlich davon nur wenig zu sehen. Das Aussehen des Gebäudes ähnelt dem vieler anderer in dem Stadtteil. Mit dem Unterschied, dass die Steine auf der Straße davor erst kürzlich neu verlegt wurden. Wenige Meter weiter ist es mit der gepflasterten Ordnung dann aber auch schon wieder vorbei, die Straße geht eher willkürlich als geplant in eine verwahrloste Wiese über. Ein Mann mittleren Alters hackt dort Holz, stapelt die Scheite zu einem Stoß und blickt immer wieder zu uns herüber. Über ihm spannen sich Stromleitungen, die nur notdürftig geflickt wirken. Da und dort stehen Drähte weg, sicher sieht das alles nicht aus.

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LMt-Team: Die österreichischen Soldaten sollen durch ständige Präsenz den Truppenschutz erhöhen.

„Ist es auch nicht”, sagt Vizeleutnant Franz Mittermann und grinst über das ganze Gesicht. „Ich habe einmal beobachtet, wie sich ein Vogel auf die Leitung setzte und diese dann einfach nachgegeben hat. Wirklich von Dauer ist hier wenig.” Mit Ausnahme des LMT-Hauses natürlich, das aktuell von sechs Soldaten des Bundesheeres betreut wird. Kommandant Hauptmann Peter Resch: „Unsere Aufgabe ist es, den Kontakt zur Bevölkerung zu halten, um aktuelle Probleme, die auch für KFOR Herausforderungen werden könnten, zu erkennen.” Dazu gilt es, sich in regelmäßigen Abständen mit lokalen Führungskräften wie dem Polizei- und Feuerwehrkommandanten und den Chefs nationaler NGOs auszutauschen, aber auch auf einer Ebene darunter ein Netzwerk zu spannen. Deshalb nehmen Mitarbeiter auch an Dorffesten hoch oben im Šar-Planina-Gebirge teil oder stehen in Kontakt mit lokalen Jägern. „Nur so erfährt man etwas, man muss Teil ihrer Gesellschaft werden, um Informationen zu bekommen. Einfach hinfahren und Fragen stellen bringt keine zufriedenstellenden Antworten”, sagt Vizeleutnant Mittermann. „Wir können auf diesem Weg viele Probleme erkennen, bevor sie entstehen”, sagt Peter Resch, „und damit präventiv auf mögliche Gefahren einwirken. Zudem hilft uns jedes Gespräch, das Lagebild vor Ort zu verdichten.”

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Auch im ELAZ versehen einige Österreicher Dienst, darunter auch die beiden Krankenschwestern Martina Koller und Michaela Raml.

Das Lagebild einige Kilometer weiter, im von der Bundeswehr geführten Camp Prizren, bedarf keiner Verdichtung, ist eindeutig. Herzstück ist das 2007 eröffnete Einsatzlazarett (kurz ELAZ), das aufgrund seiner guten Ausstattung laut Dr. Andreas S., dem leitenden deutschen Sanitätsoffizier und Chef der Sanitätseinsatzkompanie, „keinen Vergleich mit einem modernen Kreiskrankenhaus in Deutschland zu scheuen braucht”. Auch der hier stationierte österreichische Zahnarzt Dr. Armando Guruianu zeigt sich von der Einrichtung beeindruckt. „Das hier ist Hightech vom Feinsten, spielt alle Stückerl.” Neben Dr. Guruianu versehen im Einsatzlazarett noch neun weitere Österreicher Dienst, darunter auch die beiden Krankenschwestern Martina Koller und Michaela Raml, die in ihrem Kosovo-Einsatz einen „enormen Erfahrungsgewinn” sehen. „Ich mache jetzt seit 30 Jahren in Krankenhäusern Dienst, aber das ist hier etwas völlig anderes”, sagt Martina Koller, die normalerweise in der Onkologie des LKH Villach arbeitet. Michaela Raml kam durch Erzählungen aus dem Freundeskreis auf den Geschmack, wechselte von der Lungenstation des AKH Wien ins ELAZ.

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Oberwachtmeister Gerfried Oberdorfer, stellvertretende Kommandant von CIMIC AUTCON 34.

Ebenfalls in Prizren versieht der stellvertretende Kommandant von CIMIC AUTCON 34, Oberwachtmeister Gerfried Oberdorfer, seinen Dienst. Zu seinem Aufgabenbereich gehört die Betreuung zahlreicher zivil-militärischer Projekte, darunter auch der Neubau eines Schulgebäudes in Popolane. Das Vorhaben wurde durch die Gemeinde, aber auch durch die Volkshilfe Oberösterreich und die „Austrian Development Agency” (ADA) finanziert. Aufgabe des CIMIC-Teams war es, das Projekt in finanzieller Hinsicht über die Geldgeber abzuwickeln und andererseits auf die Transparenz von Baubeginn bis zur Fertigstellung zu achten, wie Gerfried Oberdorfer bei einer Baustellenbesichtung in der kleinen, zum Bezirk Suva Reka gehörenden Gemeinde erklärt. „Da ist viel Abstimmungsarbeit mit den regionalen Behörden notwendig”, so Oberdorfer, der die Hauptaufgabe von CIMIC darin sieht, „ein positives Bild von KFOR im Einsatzraum zu zeichnen”. „Davon profitiert dann schließlich die ganze Truppe.”

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Oberstleutnant Alexander Kogard, Chief of Production von PSYOPS.

Zurück in Camp Film City, wo Oberst Staudacher, der auch Kommandant der multinationalen Joint Logistic Support Group ist, seinen Sitz hat. Österreich stellt dort in der Nähe von Priština ein EOD-Team, aber auch Aufklärer, deckt administrative Bereiche ab und regelt gemeinsam mit der Schweiz die militärpolizeilichen Angelegenheiten im Camp – und das für alle Nationen, die kein eigenes MP-Element vor Ort haben. Mit Oberstleutnant Alexander Kogard stellt Österreich zudem den Chief of Production von PSYOPS. Diese zivil-militärische Einheit mit ihren 47 Mitarbeitern versucht mithilfe unterschiedlichster Medienkanäle die Bevölkerung zu erreichen, um sie über KFOR-Projekte und -Angelegenheiten auf dem Laufenden zu halten. Aber auch, um im Ernstfall Möglichkeiten zur raschen Informationsweitergabe zu haben. Produziert und befüllt werden TV-Clips ebenso wie Radio K4, eine Facebook- und eine Website, Poster, Flugblätter und das Print-Magazin 4U – jeweils zweisprachig in Albanisch und Serbokroatisch. „Wir decken eine große Bandbreite ab, mit der wir die Menschen auch wirklich erreichen”, sagt Oberstleutnant Kogard im Gespräch mit Militär Aktuell. „Radio K4 ist der Sender mit der drittgrößten Reichweite im ganzen Land.”

17 Jahre nach Beginn des Kosovokriegs ist die Lage im Land weitgehend friedlich. Und trotzdem halten sich die österreichischen Soldaten für den Ernstfall bereit. Im unmittelbar neben Camp Film City gelegenen Camp Slim Lines demonstriert uns eine rot-weiß-rote Infanteriekompanie – mit portugiesischen Fallschirmjägern als Feinddarsteller – ihre CRC-Ausbildung, geht mit Unterstützung eines Pandur-Radpanzers vor. Kommandant Hauptmann Hannes Paschinger: „Politische Entscheidungen oder Streitigkeiten zwischen der albanischen Mehrheit und der serbischen Minderheit können hier Unruhen auslösen, bei denen wir dann – als ,third responder’ hinter der kosovarischen Polizei und der EULEX – zum Einsatz kommen könnten.”

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Eine österreichische Infanteriekompanie gemeinsam mit portugiesischen Fallschirmjägern bei einer CRC-Übung.

Wie oft das der Fall ist? „Selten bis nie”, so der Hauptmann, „aber erst gestern haben wir von Pec hierher verlegt, weil eine brisante Entscheidung erwartet wird und mit heftigen Unmutsäußerungen zu rechnen ist.” Es geht dabei vordergründig um innenpolitische Streitigkeiten der Grenzziehung zu Montenegro. Eigentlich geht es aber um die Selbstbestimmung eines Staates, der 17 Jahre nach Beginn des Kosovokrieges zwar weitgehend souverän auftritt, wirtschaftlich wie politisch aber nach wie vor auf internationale Hilfe angewiesen ist.

Quelle@Bundesheer/Pusch