Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine am 24. Februar wurden und werden in zahlreichen europäischen Ländern die Verteidigungsetats hochgefahren und klaffende Lücken in der Ausstattung der Streitkräfte geschlossen. So auch in Österreich, wo zwar seit den ersten Ankündigungen mit Blickrichtung 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für das Heer noch keine Aufstockung definitiv ist, in der Zwischenzeit aber in den Teilstreitkräften Investitionen in unterschiedlichen Bereichen vorangetrieben werden. So soll auch die rot-weiß-rote Eurofighter-Flotte endlich auf modernen Stand gebracht werden – geplant ist unter anderem die Beschaffung neuer Zielbeleuchtungs- und Darstellungsbehälter.

Im Unterschied zu früher, als man die Eurofighter lieber gestern als morgen losgeworden wäre (der mögliche Verkauf an Indonesien war letztlich nie realistisch, die dortige Regierung entschied sich für den Kauf von 42 Rafále-Kampfjets) werden nun auch öffentlich Investitionen in die Maschinen angekündigt. Diese werden vor dem Hintergrund, dass man sich in den 2030er-Jahren ohnehin mit einer Nachfolge unserer Tranche-1-Jets befassen wird müssen, zwar wohl überschaubar ausfallen, aber sicherlich trotzdem für dringend nötige Verbesserungen sorgen.

Um die Maßnahmen besser planen zu können, hat das Ministerium jedenfalls beim Eurofighter-Konsortium und Hersteller Airbus Defence and Space zur „Schließung von Fähigkeitslücken am EFT” detailliert nachgefragt. Konkret geht es dabei um die drei Bereiche Allwetter-Radarlenkwaffe (überall sonst BVR-Lenkwaffe genannt), Nachtsichtfähigkeit (in den Medien gern ahnungslos oder absichtlich-verunglimpfend mit „Nachtflugfähigkeit” gleichgesetzt) sowie – offenbar der größte Aufwand – elektronischen Selbstschutzsystemen. Ohne jetzt nochmals breit aufzurollen, warum es denn diese Fähigkeiten hierzulande nicht gibt, lässt sich aus dem Umfang der von Militär Aktuell grob in Erfahrung gebrachten Antwort der Industrie erahnen, welcher – für die Beteiligten stets folgenlos gebliebener – Schaden in einem Schlüsselbereich im Mai 2007 im Gartenhotel Altmannsdorf der Republik zugefügt wurde.

@RafaelGorgonenblick aus Israel
In der griechischen Mythologie wurden durch den Blick und das Starren der Gorgonen Menschen zu Stein. Das will natürlich hierzulande niemand, aber einen ähnlich durchdringenden und erhellenden Blick versprechen die durch die Industrie mit Blick auf die Nachtsichtfähigkeit des Eurofighter vorgeschlagenen Zielbeleuchtungs- und Darstellungsbehälter Litening V der israelischen Firma Rafael aus Haifa.

Seitens des Herstellers hieß es bereits 2020, dass ein neuer Zielbeleuchtungs-Behälter in den Eurofighter integriert werde, welcher auf den damals noch aktuellen Litening III folgte. Seit dessen Einführung vor etwa zehn Jahren erfordere ein Betrieb über immer größere Entfernungen zum Zielgebiet und die technologisch-genealogische Weiterentwicklung (Miniaturisierung) neuere und bessere Sensoren. Litening V sei besonders auch für Nachteinsätze nützlich, wo „seine technologische Überlegenheit am besten genutzt werden könne”, so Rafael. Je besser die Sensoren, desto besser die Bildqualität und desto einfacher für den Piloten, in der Dunkelheit effektiv zu operieren. Der andere evolutionäre Vorteil des neuen Pods sei dessen Rechenleistung und dessen modulare Fähigkeitsreserve. Das System ermögliche damit nicht nur die gleichzeitige Verfolgung mehrerer Flugspuren, sondern auch eine gewisse Aufklärungsfähigkeit gegenüber mehrerer sich bewegende Bodenziele. Das sind alles Aspekt, die in überfüllten und schlecht einsehbaren Lufträumen oder Szenarien immer wichtiger werden.

@RafaelGroßer Flexibilitätsgewinn für die gesamten Streitkräfte
Das System liefert rund um die Uhr Infrarot- (FLIR) und TV-HD-Farbkamerabilder in Echtzeit. Hochauflösende Sensoren und ein effektives EO-Design sorgen für einen zuverlässigen Betrieb in Abstandsbereichen. Alle Sensoren sind in jenem einzigen Behälter integriert, um mehrere Missionen zu ermöglichen, wie beispielsweise Zielerkennung und -identifizierung sowie Abstands-Lasermessung und die elektro-optische Verfolgung von mehreren stationären Zielen, die automatische Erkennung mehrerer dynamischer und Luftziele und Anzeigen mit einer genauen Extraktion des Zielorts. Der Behälter enthält MWIR-, SWIR- und Farbsensoren sowie einen Laserpunktdetektor und -tracker, weiters einen Laserbeleuchter. Er ermöglicht kooperative Missionen mit Zielübergabe durch Lasermarkierung und erzeugt hochgenaue Zielkoordinaten, unterstützt durch fortschrittliche Bildverarbeitungsalgorithmen. Aber auch die Erfassung von Szenarien oder Situationen am Boden, bis hin zur (Gefechts)Schadensfeststellung und wie nachfolgendes Beispiel aus Australien zeigt ist es sogar im Zusammenhang mit Hochwasser- und Flutereignissen einsetzbar. Dabei handelt es sich um einen die Flexibilität punkto Plattformen gut dokumentierenden Einsatz von einem Transportflugzeug aus (auch an der EMBRAER KC-390 fand schon eine Integration statt).

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Was die damals von Minister Norbert Darabos wegverhandelten Pirate-IRST-Sets betrifft, sind jene in der heute aktuellen Version – wie sie etwa in die T3 für Katar und Kuwait verbaut werden – laut Eurofighter für Tranche-1-Maschinen übrigens nicht mehr abwärtskompatibel. Es braucht daher eine Alternative und das vorgeschlagene System scheint dafür durchaus geeignet und auch finanziell machbar – der Preis würde die Republik jedenfalls „nicht erschüttern”, wie aus dem Eurofighter-Konsortium zu vernehmen ist. Eine technisch allerdings durchaus zu meisternde Herausforderung stellt dabei lediglich die Integration in unsere Maschinen dar. Wie viel die geplante Integration genau kostet können dann erst nach einem von unserer Seite adressierten „Letter of Quotation” gesagt werden.

@Georg MaderEin Vorteil des Systems ist jedenfalls, dass seine Eigenschaften nicht nur den Luftstreitkräften zugute kommen würden, sondern auch den Bodentruppe den sprichwörtlichen Blick erweitern würden. Und nicht nur diesen. Dank des durch die Elektronik-Miniaturisierung im Litening V gewonnenen verfügbaren Volumens von 40 Prozent könnten darin auch – laut Hersteller gegenüber Militär Aktuell „hierzulande bislang ignorierte” – EloKa/ELINT/SIGINT- Fähigkeiten realisiert werden. Mal auf den Geschmack gekommen, könnte die Nachtsicht damit also leicht zur multiplen „Nachtschicht” werden.

 

Beispiel der Verwendung in der Luftraumüberwachung
Wie das Resultat in Verwendung „Luft-Luft” aussieht, dokumentieren diese Videos abgefangener russischer Flugzeuge im Baltikum, gefilmt 2019 von tschechischen Gripen mittels der Vorgängerversion Litening-IV. Tomáš Maruščák, Sprecher des Generalstabs der tschechischen Armee erklärt dazu: „Obwohl es ja in erster Linie ein Werkzeug ist, um genaue Angriffe auf Bodenziele zu ermöglichen, wird es hier verwendet um die Fähigkeit zu verbessern, Flugzeuge Tag und Nacht visuell zu beobachten. Dies bedeutet, dass tschechische Piloten dank der optischen Technologie in der Lage sind, verdächtige Flugzeuge auf sehr große Entfernungen zu verfolgen und ihr Verhalten vorherzusagen.” Das Nachbarland hatte 2018 vier Litening-IV-Behälter um insgesamt rund 13 Millionen Euro beschafft und will mehr davon – sie operieren auch am L-159 ALCA.

@RafaelIn 28 Luftwaffen und 26 Flugzeugtypen
Laut Rafael haben alle Abarten des Behälters zusammen weltweit 2,2 Millionen Flugstunden absolviert, davon mehr als zwei Drittel im Einsatz. In 28 Luftstreitkräften ist das System in den USA, der NATO und vielen weiteren Ländern operationell. Im Detail an 26 Flugzeugtypen, darunter F-16, F-15, AV-8B, F-18, F-4, F-5, A-10, B-52, LCA Tejas, AMX, Mirage-2000, Tornado, Typhoon, MiG-21, KC-390, Gripen und Su-27/30. Der neueste Litening V ist seit Anfang 2022 am Typhoon der RAF in Betrieb, aber erst ab Tranche-2 aufwärts einsetzbar. Ebenso ist jene letzte Version bereits auch in der LCA-Version-FA des hierzulande immer wieder thematisierten Leonardo-Trainers M346 integriert.

Quelle@CZAF, Rafael