Der Krieg in der Ukraine und seine Folgen schlagen sich auch in der österreichischen Verteidigungspolitik nieder. So herrschte in der gestrigen Nationalratssitzung parteiübergreifender Konsens über die Notwendigkeit, die Österreichische Sicherheitsstrategie aus dem Jahr 2013 hinsichtlich aktueller Entwicklungen und Bedrohungen zu überarbeiten. Ebenso einhellig fiel die Zustimmung der Abgeordneten zu einer finanziellen Aufwertung von Auslandseinsätzen aus, um diese angesichts genereller Personalnot für die Soldaten attraktiver zu machen.

Der veränderten Einschätzung der militärischen Gefahrenlage in Europa Rechnung tragen soll die Überarbeitung der Österreichischen Sicherheitsstrategie. Diese ist laut Initiative der Freiheitlichen mehr als zehn Jahre alt und enthält keine aktuellen Bedrohungsszenarien wie etwa jene durch den Krieg in der Ukraine oder die Gefahr eines Blackouts (2414/A(E)). Der Entschließungsantrag wurde unter Berücksichtigung eines im Verteidigungsausschuss eingebrachten Abänderungsantrags von Abgeordneten der ÖVP, der SPÖ und der NEOS einstimmig angenommen. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, schnellstmöglich die Sicherheitsstrategie 2013 unter Einbeziehung aller im Hauptausschuss des Nationalrats vertretenen Fraktionen und unter Berücksichtigung der Leitlinien des „strategischen Kompass” der EU zu überarbeiten.

Auf Basis einer Initiative der NEOS (3132/A(E)) fordern sämtliche Fraktionen in einem gemeinsamen Antrag zudem das Auslandszulagen- und -hilfeleistungsgesetz (AZHG) zu novellieren. Ziel sei es, die Teilnahme an Auslandseinsätzen generell attraktiver zu gestalten, um eine entsprechende „personelle Befüllung” auch in Zukunft sicherstellen zu können. Im ursprünglichen Antrag werden insbesondere unvorteilhafte Regelungen bei der Besoldung kritisiert, auf die der Mangel an Soldaten im Auslandseinsatz unter anderem zurückzuführen sei.

Für ein Bundesheer mit Zukunft

Fraktionsübergreifende Einigkeit bei verteidigungspolitischen Anliegen
Mit dem Amtsantritt von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner sei eine „nachhaltige Trendumkehr” beim Bundesheer eigeleitet worden, erklärte ÖVP-Wehrsprecher Friedrich Ofenauer und verwies auf die Steigerungen des Verteidigungsbudgets der vergangenen Jahre. Aufgrund der veränderten geopolitischen Verhältnisse, sei nun auch der richtige Zeitpunkt gekommen, um die Sicherheitsstrategie entsprechend anzupassen. Wichtig sei es in diesem Prozess Experten und alle parlamentarischen Fraktionen miteinzubeziehen sowie den europäischen „Sicherheitskompass” mitzubedenken, wie Ofenauer ausführte. Er betonte die Bedeutung der in der Verfassung festgeschriebenen umfassenden Landesverteidigung für die Sicherheit und Wehrfähigkeit Österreichs, denn „reich und schwach zu sein” sei „keine gute Kombination”. ÖVP-Mandatar Manfred Hofinger ging auf die sicherheitspolitische Relevanz von Auslandseinsätzen ein sowie auf die Notwendigkeit, diese für die Soldaten zu attraktivieren.

Robert Laimer von den Sozialdemokraten zeigte sich erfreut, dass „mittlerweile auch der Bundesregierung klar ist”, dass die Sicherheitsstrategie erneuert werden müsse. Er und sein Fraktionskollege Reinhold Einwallner unterstrichen die Notwendigkeit, alle Parteien miteinzubeziehen, da eine aktualisierte Strategie ohne breite parlamentarische Unterstützung „wertlos” sei. Die Landesverteidigung stelle laut Laimer eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe dar und bedürfe einer modernen Sicherheitsarchitektur, die etwa durch ein Sicherheitszentrum im Bundeskanzleramt realisiert werden könne. Zudem pochte er, wie auch Rudolf Silvan (SPÖ) auf die österreichische Neutralität, die sich historisch bewährt habe.

@Bundesheer/Wukoschitz
Bei Einsätzen im Ausland soll es für die rot-weiß-roten Soldaten in Zukunft mehr Geld geben.

Volker Reifenberger (FPÖ) erinnerte daran, dass die Initiative ursprünglich von seiner Fraktion ausgegangen sei, womit man demonstriert habe, dass auch die Opposition etwas bewirken könne. Daher sei es wichtig, diese auch frühzeitig an der Erstellung der neuen Sicherheitsstrategie teilhaben und nicht bloß am Ende „abnicken” zu lassen. Die FPÖ werde darauf achten, wie in diesem Prozess mit der Neutralität als österreichischem „Identitätsmerkmal” umgegangen werde. Denn die Bezugnahme auf den „strategischen Kompass” der EU im gemeinsamen Antrag widerspreche dieser laut Reifenberger bereits teilweise. Zudem hätte der Aufbauplan für das Bundesheer in den Verfassungsrang verankert werden müssen, damit das Projekt nicht von einer anderen Regierung „torpediert” werden könne, gab Gerhard Kaniak (FPÖ) zu bedenken. Auch im zivilen Bereich müssten Risiken für die innere Sicherheit und nationale Souveränität, die sich etwa durch einen Arzneimittelmangel ergeben könnten, ernst genommen werden.

Für David Stögmüller (Grüne) sei die wesentliche Frage, wie sich Österreich verteidigungspolitisch innerhalb der EU positioniere und was Neutralität konkret bedeute. Er betonte die Gefahren, die gegenwärtig von Russland ausgingen, das weltweit Demokratien „unterminiere” und sicherte eine breite parlamentarische Einbindung in die Erstellung einer aktuellen Sicherheitsstrategie zu. Den Grünen sei es ein Anliegen, dass auch der europäische Kontext, die Anliegen speziell von Frauen in der Friedenspolitik und der Klimaschutz auch im Sicherheitsbereich mitbedacht werden.

„Wir haben viele Pläne in der Schublade“

Dass Russland in der aktuellen Sicherheitsstrategie noch als Partner angeführt werde, betrachtete auch Douglas Hoyos-Trauttmansdorff (NEOS) als inakzeptabel. Die Bundesregierung kündige zwar einen breiten und offenen Diskurs an, lege der Opposition jedoch schon jetzt Denkverbote auf, was etwa die immerwährende Neutralität betreffe. Zudem zeigte Hoyos-Trauttmansdorff Unverständnis darüber, dass der Landesverteidigungsbericht nicht im Sinne einer breiten Diskussion öffentlich gemacht werde.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner zeigte sich erfreut darüber, dass die Parteipolitik aus diesen sicherheitsrelevanten Fragen weitgehend herausgelassen würde. Durch diese fraktionsübergreifende Zusammenarbeit sei bereits vieles gelungen, wie sie mit Blick etwa auf das Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz (LV-FinG) feststellte. Dadurch sei erstmals in der Zweiten Republik Planbarkeit in diesem Bereich hergestellt worden. Bei ihrem Amtsantritt habe Tanner enormen Investitionsbedarf in den verschiedensten Bereichen vorgefunden, der nun nach und nach gedeckt werde. Besonderen Wert lege sie auf die geistige Landesverteidigung, denn Österreich müsse sich zu einer „wehrhaften Demokratie” entwickeln.

Quelle@Bundesheer/Oberdorfer, Bundesheer/Wukoschitz