Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden wollen ihre Luftverteidigungskräfte angesichts der russischen Bedrohung offenbar weitreichend bündeln. Die vier skandinavischen Länder haben daher ein nordisches Luftverteidigungsbündnis gegründet, in dem sie die Ressourcen ihrer Luftstreitkräfte zusammenfassen. Gemeinsam verfügen sie über mehr als 300 Kampf-, Trainings-, Transport- und Überwachungsflugzeuge sowie Hubschrauber.

Wie am 24. März bekanntgegeben wurde, haben die vier nordeuropäischen Luftkommandanten und Generalmajore Juha-Pekka Keränen (Finnland), Jonas Wikman (Schweden), Rolf Folland (Norwegen) und Jan Dam (Dänemark) bereits am 16. März während eines Treffens auf der Ramstein Air Base in Deutschland eine entsprechende Absichtserklärung (Joint Declaration of Intent, JDI) unterzeichnet. An der Unterzeichnungszeremonie nahm auch US-Luftwaffengeneral James Hecker als Chef der US-Luftstreitkräfte in Europa (USAFE), der US Air Forces Africa (AFAFRICA) sowie des Allied Air Command der NATO teil.

@NATO
Die Airchiefs von Finnland, Schweden, Norwegen und Dänemark bei der Unterzeichnung der Absichtserklärung.

Offizielles Wording
Zum Abkommen heißt es offiziell: „Diese Erklärung stärkt die nordische Zusammenarbeit und ebnet den Weg für eine weitere Stärkung der nordischen Luftstreitkräfte. Das ultimative Ziel ist es, nahtlos als eine Truppe zusammenarbeiten zu können, indem ein nordischen Kriegsführungskonzept für gemeinsame Luftoperationen entwickelt wird, das auf der bereits bekannten NATO-Methodik basiert.”

„Diese Erklärung stärkt die nordische Zusammenarbeit und ebnet den Weg für eine weitere Stärkung der nordischen Luftstreitkräfte.“

„Mittelfristig werden sich die Bemühungen zuerst auf die Vorbereitung, Durchführung und Bewertung der Übung ‚Nordic Response 24‘ aus der Luftperspektive konzentrieren, wobei der Schwerpunkt auf den digitalen und vorvergebenen AOC-(Air Operations Center)-Entwicklungsschritten liegt. Am Horizont sollen langfristige, dauerhafte Lösungen zur Erfüllung dieses Ziels ermittelt und etabliert werden”, heißt es im gemeinsam formulierten Dokument zu jenem Luftverteidigungsoperationskonzept (ADOC).

Um jenes Ziel zu erreichen, werden folgende Zielsetzungen verfolgt:

  • Integrierte Einsatzplanung und -ausführung,
  • integrierte Führung und Kontrolle,
  • flexibler und belastbarer Einsatz der gemeinsamen Luftstreitkräfte,
  • gemeinsame Luftraumüberwachung und gemeinsames Luftlagebild, sowie
  • gemeinsame Ausbildungen und Übungen.

„Wir haben viele Pläne in der Schublade“

Der veröffentlichte Plan gibt keine spezifischen Zeitlinien für die Erreichung der oben genannte Ziele. Wie schnell die Kooperation in die Gänge kommt und wie die Zusammenarbeit genau funktionieren wird, bleibt daher abzuwarten. Derartige Überlegungen sind jedenfalls nichts Neues und bereits seit Mitte der 1990er-Jahre Gegenstand regelmäßiger Diskussionen zwischen den nordischen Regierungen. Nun aber hat die Tatsache, dass alle vier Länder Teil der NATO sind, beziehungsweise im Falle von Finnland und Schweden kurz vor einem Beitritt stehen, dieses „Luft-Bündnis” realisierbar gemacht. Jede der vier Luftwaffen bringt dabei spezifische Fähigkeiten ein, obwohl sie grundsätzlich viel gemeinsam haben. Dazu kommt: Durch die Bündelung der Kräfte können die Luftraumüberwachung sowie Luftverteidigungsaufgaben im gesamten Raum effizienter und wirksamer umgesetzt werden, zudem können etwaige Missionspläne weitaus flexibler und für einen Gegner unberechenbarer gestaltet werden.

@RDAF
Mit ihrer Zusammenarbeit wollen die nordischen Luftstreitkräfte zahlreiche Synergieeffekte nutzbar machen.

Natürlich wegen Russland
An keiner Stelle des Dokuments wird übrigens Russland erwähnt. Aber „der Schritt zur tieferen Integration der Luftstreitkräfte” ist trotzdem als Reaktion auf Moskaus Angriffskrieg in der Ukraine zu verstehen. Damit soll ähnlichen Szenarien im Ostseeraum und im Baltikum vorgebeugt werden, wie der Kommandeur der dänischen Luftwaffe, Generalmajor Jan Dam, bestätigte. Parallel dazu geht es Oslo, Stockholm, Helsinki und Kopenhagen wohl auch um die Nutzung von Synergien. In einer Zeit immer vielschichtigerer Bedrohungen aus der Luft – von Starrflügelflugzeugen wie Kampfflugzeugen und Bombern über tieffliegende Marschflugkörper und Drohnenschwärme bis hin zu Hyperschallwaffen – ist die Bündelung der Kräfte für die Luftverteidigung weitaus sinnvoller als teure Alleingänge. Das gilt sowohl für strategische als auch wirtschaftlich/finanzielle Aspekte. Und es gilt insbesondere, wenn es sich eben um einen gemeinsamen Gegner handelt, auch wenn in manchen Fähigkeiten vielleicht nur bis zu einem gewissen Grad gemeinsame Sache gemacht werden sollte. Aus ähnlichen Überlegungen heraus planen zahlreiche europäische Staaten – darunter auch Norwegen und Finnland – aktuell auch den Aufbau des Luftverteidigungssystems Sky Shield. Auch Österreich hat Interesse Teil der Initiative zu werden.

@Georg Mader
Norwegen, Finnland und Dänemark setzen in Zukunft auf den F-35, Schweden vertraut weiter auf „seinen” Hersteller Saab und rüstet die Flotte aktuell von JAS-39C/D auf Gripen-E um.

Kombinierte Flotte aus F-35 und Gripen
„Unsere gemeinsame Flotte kann mit der eines großen europäischen Lands verglichen werden”, so der dänische Airchief Dam. „Wir möchten zudem unsere Luftraumüberwachung stärker integrieren, um Radardaten aus den Überwachungssystemen der anderen Streitkräfte gemeinsam nutzen zu können. Das machen wir heute nicht.” An aktiven Mitteln verfügt Norwegen (bald) über 52 Stück F-35 Lightning II Joint Strike Fighter, seine F-16-Flotte läuft bereits aus. Finnland operiert noch bis 2030 mit 62 F/A-18C/D Hornet und hat als Ablöse 64 F-35 bestellt. Dänemark fliegt bis 2027 noch 58 F-16 und hat 27 F-35 bestellt, von denen die ersten bereits diesen Herbst eintreffen sollen. Schwedens Flygvapnet verfügt – als einziges Land mit eigenem Hochwert-Hersteller – über rund 70 Saab JAS-39C/D Gripen-Jets und wird in den kommenden Jahren auf 60 Stück der weiterentwickelten Einsitzer Gipen-E umgerüstet, die zweisitzigen D-Modelle sollen bleiben.

„Wir möchten unsere Luftraumüberwachung stärker integrieren, um Radardaten aus den Überwachungssystemen der anderen Streitkräfte gemeinsam nutzen zu können.“

Weiterführende Gedanken
Norwegens Airchief Generalmajor Rolf Folland sieht die nun formell gefasste Idee bereits als Grundlage für die Schaffung eines gemeinsamen nordischen Zentrums für Luftoperationen, das auch die Vereinigten Staaten und Kanada unter einer einzigen Kommandostruktur beherbergen könnte: „Es besteht ein offensichtliches Interesse an einer regionalen Initiative für ein gemeinsames Luftkommando an der Nordflanke der NATO. Wir kennen die Bedingungen im hohen Norden gut und können viel voneinander lernen.”

Das letzte operative NATO-Hauptquartier in Norwegen, das Combined Air Operation Center (CAOC-3) in Reitan, östlich von Bodø, wurde 2008 geschlossen und die Verantwortung an das NATO-CAOC Finderup in Dänemark übertragen.

@Georg Mader
Der norwegische F-35-Programmoffizier Oberstleutnant Martin „Tintin” Tesli mit Militär Aktuell-Redakteur Georg Mader.

Militär Aktuell-Redakteur Georg Mader hat vor drei Jahren den norwegischen F-35-Programmoffizier interviewt, Oberstleutnant Martin „Tintin” Tesli. Hier erklärt dieser die bereits bestehende Kooperationsbasis, auf welche die vier nordischen Luftwaffen nun ihre Vertiefung aufbauen wollen.

Quelle@CRNORAF, NATO, Georg Mader, RDAF