Während die Welt mit dem Ukraine-Krieg beschäftigt ist, behauptete Nordkorea am 25. März, am Tag davor seine bisher größte Interkontinentalrakete erfolgreich getestet zu haben. Laut Pjöngjang sind die Atomstreitkräfte damit „voll und ganz bereit, alle gefährlichen militärischen Versuche der US-Imperialisten gründlich einzudämmen und damit weiterhin vollständig auf eine langfristige Konfrontation mit den US-Imperialisten vorbereitet”. Die Rakete sei ein „Garant für die Staatssicherheit”, diene der „Festigung der autarken Verteidigung des Landes” und unterstreiche die „unvergleichlich überlegene militärische Angriffsfähigkeiten” des Landes.

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Pjöngjang hat somit die Spannungen in Ostasien wieder deutlich erhöht, indem es – in Beendigung eines selbst auferlegten Moratoriums aus 2018, als Staatschef Kim Jong-un mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump eine intensive Gipfeldiplomatie betrieb – wieder eine große Rakete testete. Das südkoreanische Militär sagte dazu, dass „das Objekt” eine Höhe von 6.200 Kilometern erreicht habe – weiter ist bislang noch keine nordkoreanische Rakete geflogen. Zum Vergleich: Die Raumstation ISS umkreist die Erde in etwas 400 Kilometern Höhe.

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Fahrendes Ungeheuer: Die bei der Nachtparade vor zwei Jahren gezeigte Hwasong-17 wird von einem elfachsigen Fahrzeug transportiert.

Nordkoreanische Staatsmedien behaupteten (siehe Video oben), dass es sich bei dem Test um eine Hwasong-17 gehandelt habe, die Pjöngjang als „Monsterrakete” beschrieb. Es soll sich bei rund 150 Tonnen Abfluggewicht um die weltweit größte straßenmobile Flüssigtreibstoff-ICBM handeln. Veröffentlicht wurden am Freitag Bilder in Hollywood-Inszenierung von Führer Kim Jong Un, wie er den Start der Hwasong-17 überwachte, die eine geschätzte Reichweite von mehr als 15.000 Kilometern haben soll. Mit einer Pilotensonnenbrille und einer Lederjacke beobachtete Kim den Start aus einem Bus heraus und feierte mit seinen Offiziellen. Zu identifizieren waren dabei auch zwei der Schlüsselfiguren des nordkoreanischen Raketenprogramms, der Direktor der National Academy of Defense Sciences, Jang Chang-ha, und der stellvertretende Direktor der Abteilung für Maschinen, Kim Jong-sik. Mit ihnen synchronisierte Kim die Uhren, um die Rakete aus dem Hangar zu rollen. Nach dem Countdown erfolgte der Start zum Schrei von „Manse!” (ein Ausruf, der vom chinesischen kaiserlichen Hof stammt und mit „Lang Lebe!” übersetzt werden kann).

@KCNAEinige Beobachter bezweifeln jedoch die nordkoreanischen Behauptungen. Colin Zwirko, ein leitender Analyst des in Seoul ansässigen Informationsdienstes NK Pro, analysierte Satellitenbilder, die darauf hindeuteten, dass der Hwasong-17-Test letzte Woche tatsächlich erfolglos durchgeführt worden sein könnte, da „eine Rakete” 20 Kilometer über Pjöngjang explodierte. „Mehrere visuelle Beweise deuten darauf hin, dass Nordkoreas Version der Ereignisse bestenfalls irreführend ist und im schlimmsten Fall möglicherweise eine vollständige Erfindung eines erfolgreichen Tests”, schrieb Zwirko. Die südkoreanische staatliche Nachrichtenagentur Yonhap berichtete, dass hochrangige Beamte in Seoul glaubten, dass der Test tatsächlich von der kleineren Hwasong-15-Interkontinentalrakete gewesen sein könnte. Das würde bedeuten, dass Nordkorea – was schon öfters verifiziert wurde – versuchen könnte, einen möglicherweise gescheiterten Test in der letzten Woche als großen Erfolg auszugeben.

Andererseits ist auf den von Staatsmedien veröffentlichten Bildern und Videos die in einer Nachtparade 2020 erstmals gezeigte 23 Meter lange Hwasong-17 samt ihrem (dem weltweit einzigen) 11-achsigen Transport-/Startfahrzeug klar zu erkennen. KCNA-TV zeigte den Start aus verschiedenen Winkeln (einschließlich einer Luftaufnahme mit einer Drohne) und liefert Bilder, die von einer in der Rakete installierten Kamera aufgenommen wurden, sowie die scheinbar erfolgreiche Entkopplung der ersten Phase – vorausgesetzt all das Material stammt tatsächlich von jenem Tag. Hwasong-17 soll in der Lage sein, mehrere Wiedereintritts-Atomsprengköpfe (MIRV) zu tragen.

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Große Freude bei Führer Kim Jong-un und den beiden Leitern des nordkoreanischen Raketenprogramms.

Was jedenfalls auch immer dort gestartet wurde, legte vom Startplatz in der Nähe von Pjöngjangs internationalem Flughafen in etwa 71 Minuten (was für eine große erreichte Höhe spricht) „nur” 1.080 Kilometer zurück. Es landete im Japanischen Meer – in Korea genannt das „Ostmeer” – rund 150 Kilometer westlich der Küste der Präfektur Toshima in Hokkaido, innerhalb von Japans Exclusive Economic Zone (EEZ).

„Kim Jong-n zielte wahrscheinlich auf das heimische Publikum ab, um Gerüchte zu unterdrücken, die sich wahrscheinlich über das weithin sichtbare Scheitern der Hwasong-17 über Pjöngjang in der Vorwoche verbreitet haben, und um den ,nationalistischen Stolz’ vor dem 15. April zu stärken”, sagte Colin Zwirko, Analyst bei NK News, gegenüber AFP. „Er wollte vielleicht das Hwasong-17-Filmmaterial von den Startvorbereitungen und dem Start selbst – das war wohl echt – nicht verschwenden und war nicht in der Lage, schnell eine weitere zu starten. Und die Wahrheit über einen Hwasong-14 oder -15-Test zu sagen, hätte keine PR-Wirkung gehabt¬, fügte er hinzu, da die schon erstmals 2017 getestet wurden.

Quelle@KCNA