Wie steht es um die österreichische Sicherheitsindustrie? Gibt es die Branche überhaupt  noch? Und falls ja: Wie stark ist die rot-weiß-rote Rüstungsindustrie im internationalen Vergleich? Gute Fragen, die alleine aus der öffentlichen und medialen Berichterstattung nicht oder nur unzulänglich zu beantworten sind. Wir haben daher Bierpapst, Militärexperte und Branchenkenner Conrad Seidl um eine fundierte Analyse gebeten.

Österreichs Rüstungsindustrie hatte einmal einen guten Ruf – und ein bisschen etwas von diesem Ruf klingt noch nach, wenn man heute ins Heeresgeschichtliche Museum (HGM) geht und die historischen Waffen besichtigt. Aber „Kriege gehören ins Museum“, wie das Motto des HGM lautet – und die Österreicherinnen und Österreicher können sich kaum noch vorstellen, dass Rüstungsgüter aus Österreich auch heute noch einen guten Ruf haben. Genauer: Sie wollen sich das eigentlich gar nicht vorstellen.

Dazu haben die Diskussionen der 1970er- und 1980er-Jahre einen entscheidenden Beitrag geliefert: Unvergesslich, wie Teile der Gewerkschaft die Aufrechterhaltung der Panzerproduktion der Steyr-Werke forderten und andere Teile der Gewerkschaft den Export eben jener Panzer blockierten. Unvergessen auch die Feigheit der damaligen SPÖ-Alleinregierung, die Panzer als solche zu bezeichnen. „Kettenfahrzeuge“ lautete der euphemistische Terminus, mit dem argumentiert wurde, dass die Geräte doch produziert und – weil man sie dann doch nicht an die übels­ten Diktaturen der Welt verscherbeln wollte – dann teilweise dem Bundesheer aufgenötigt wurden.

Unvergessen schließlich auch, wie die Politik mit der Bull-Kanone umgegangen ist: Erst freute man sich, dass die Produktion ins steirische Liezen geholt werden konnte, dann dämmerte den Verantwort­lichen, dass man das Geschütz weder im Bundesheer (Fernwaffenverbot des Staatsvertrags) einsetzen noch an jene Staaten, die es brauchen könnten, verkaufen durfte – am Ende stand der innenpolitisch hochgespielte Noricum-Skandal, der bei der Bevölkerung endgültig den Eindruck verfestigte, dass Waffen und deren Produktion von Übel wären. Das hat jedoch nichts daran geändert, dass die heimische Wehrwirtschaft weiterhin äußerst hochwertige Produkte liefern kann – und auch tatsächlich liefert. Sie vermeidet es allerdings, dafür allzu viel Öffentlichkeit zu schaffen. Denn jahrzehntelange linke Propaganda hat dazu geführt, dass die Österreicherinnen und Österreicher allem Militärischen misstrauen. Selbst das Bundesheer wird ja vor allem als Katastrophenhelfer geschätzt, die Wehrpflicht allenfalls als Garant für den ständigen Nachschub an Zivildienern aufrechterhalten. Und die Ausrüstung des Bundesheeres? Die aus dem Amt geschiedenen Minister Hans Peter Doskozil und Mario Kunasek haben sich immerhin bemüht, einige arge Lücken zu schließen – dass dabei österreichische Lieferanten zum Zug gekommen sind, ist industrie­politisch ausgesprochen wichtig.

@PicturedeskDenn Einkäufer anderer Armeen schauen sehr genau, ob Waffen und Gerät, das ihnen angeboten wird, wohl auch vom Militär des Herstellerlandes – im Falle Österreichs also vom Bundesheer – beschafft und eingesetzt wird. So gesehen bleibt es wichtig, dass das Bundesheer etwa kürzlich Scharfschützengewehre von Steyr Mannlicher gekauft hat. Noch wichtiger ist aber, dass Österreichs Wehrwirtschaft auf europäischer Ebene präsent bleibt. Es ist ja absehbar, dass die transatlantischen Beziehungen nicht mehr allein tragfähig sein werden – und dass die EU-Staaten von US-Rüstungsgütern weniger abhängig sein wollen. Das Pesco-Abkommen, dem Österreich (bezeichnenderweise ohne großes mediales Interesse) beigetreten ist, gibt die Richtung vor: Auf einem „Rüstungs-Binnenmarkt“ sollen Wehrtechnik-Anbieter aus der EU Vorrang haben – gemeinsam soll mit dem European Defence Fund in Hochtechnologie investiert werden und ein neuer Standard gesetzt werden. Eine Chance, die Österreich nicht verpassen darf.

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