Am 7. März kam der französische Industrielle und Politiker Olivier Dassault bei einem Hubschrauber-Absturz in der Nähe von Deauville in der Normandie zusammen mit seinem Piloten ums Leben. Die Maschine vom Typ Aerospatiale AS350 Ecureuil (nunmehr Airbus H-125) stürzte kurz nach dem Start bei sonnigem Wetter und schwachem Wind auf Privatgelände ab. Es wurden Routine-Ermittlungen zur Absturzursache und in Richtung fahrlässiger Tötung eingeleitet.

@Georg Mader
Olivier Dassault kam am 7. März bei einem Hubschrauberabsturz in der Normandie ums Leben.

Dassault absolvierte eine Ausbildung für Offiziere der Luftstreitkräfte – wo er bis zuletzt Reserve-Kommandant war sowie Ritter der franzanzösischen Ehrenlegion – und wurde Luftfahrtingenieur. Er war selbst begeisterter Pilot und hielt seit 1977, 1987 und 1996 mehrere Streckengeschwindigkeitsrekorde auf dem firmeneigenen Business-Jet Falcon-50/900. 1988 bis 1997 und wieder seit 2002 war de älteste Sohn des 2018 verstorbenen Unternehmers Serge Dassault Abgeordneter für die konservativen Republikaner im Departement Oise. Sein Großvater Marcel Dassault (eigentlich Bloch, siehe unten) gründete einst den in der Rüstungs- wie Medienindustrie (Lé Figaró) tätigen Familienkonzern. Olivier Dassault war über Frankreich hinaus auch als Komponist und Kunstfotograf bekannt und somit nicht nur politisch bestens vernetzt – die Bestürzung über seinen Tod ist groß. Präsident Emmanuel Macron twitterte: „Olivier Dassault liebte Frankeich.” Seinen Tod bezeichneten der Staatschef sowie zahlreiche andere französische Politiker als „großen Verlust”.

Der Milliardär gehörte laut Forbes 2020 zu den 400 reichsten Menschen der Welt (Platz 361) – zusammen mit seinen beiden Brüdern und seiner Schwester. Jeder von ihnen soll mehr als fünf Milliarden Euro „schwer” sein. Unklar ist im Moment, wer die bisher in Rotation praktizierte Führung des Familienkonzerns – medial öfters als holprig beschrieben – übernehmen wird. Man sagt, Olivier habe seinem Großvater Marcel sehr nahegestanden und ursprünglich soll der Firmengründer sogar darüber nachgedacht haben, Sohn Serge zu übergehen und das gesamte Familienunternehmen gleich seinem Enkel Olivier anzuvertrauen. Doch Serge übernahm den Posten, ernannte aber Olivier zum stellvertretenden Direktor der finanziell lukrativen Zivilflugzeugsparte von Dassault Aviation, sprich der Geschäftsreiseflugzeuge. Direktor der Holding wurde der vormalige CEO von Dassault Aviation Charles Edelstenne. Erst 2011 wurde Olivier Dassault Präsident des Aufsichtsrats. Als aber sein Vater in seinem Pariser Büro an einem Herzinfarkt verstarb, hatte dieser keinen Nachfolger benannt, es folgten Nachfolgestreitigkeiten mit seinen drei Geschwistern. Der Sitz im Verwaltungsrat von Olivier Dassault wurde zwar verlängert, er spielte aber zuletzt keine herausragende Rolle mehr im Familienunternehmen. Er hatte sich einige Monate vor dem Tod seines Vaters zurückgezogen und den Posten als Aufsichtsratspräsident der Groupe Industriel Marcel Dassault aufgegeben, weil er Unvereinbarkeit mit der Politik befürchtete.

@Dassault
Dynastie-Begründer Marcel Dassault (Bloch) vor einer Mystère-IV.

Im täglichen Auftritt wird die Flugzeugsparte zumeist von CEO Eric Trappier vertreten, der sich erst jüngst – erneut eher ernüchtert – über das gemeinsame Projekt des französisch-deutsch-spanischen 6.-Generation-Kampfflugzeugs FCAS (siehe auch aktuellen Bericht) zu Wort meldete.

Gründer der Dynastie
Olivier war der Enkel von Marcel Bloch, einem der ersten Luft- und Raumfahrtstudenten Frankreichs. 1928 gründete jener das Luftfahrtunternehmen Société des Avions Marcel Bloch. Kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs konstruierte Bloch eine Reihe einsitziger Kolbenmotor-Abfangjäger, von denen die MB 152 schließlich am erfolgreichsten sein sollte.

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Von der MB 152 verstärkten 1940 insgesamt 363 Stück die französischen Streitkräfte.

363 Stück des Typs kamen bis 1940 noch an die chaotische Front, mit welchen in den folgenden sechs Wochen (bewaffnet mit zwei 2 cm-Kanonen) insgesamt 146 deutsche und italienische Maschinen abgeschossen wurden. 173 Stück der dann noch vorhandenen MB 152 wurden als Schulflugzeuge der deutschen Luftwaffe aufgebraucht oder in kleiner Zahl an den deutschen Alliierten Rumänien abgegeben. Nach dem Waffenstillstand von Compiègne sollte Bloch als „wirtschaftlich wertvoller Jude” für die deutsche Luftkriegsindustrie arbeiten. Er weigerte sich, wurde von der Gestapo verhaftet und ins KZ Buchenwald deportiert. Dort konvertierte er zum katholischen Glauben und überlebte unter anderem durch den Schutz eines Mittelsmannes von Deutschlands – später hingerichteten – Abwehrchef Wilhelm Canaris. Im Jahr 1949 änderte Marcel seinen Namen von Bloch zu Dassault, dem Kampfnamen-Pseudonym (abgeleitet aus D’assaut = Angriff) seines zehn Jahre älteren Bruders General Darius Paul Bloch während dessen – 1944 mit dem Titel Großkanzler der Ehrenlegion belohnten – Aktivität in der französischen Résistance. Später war er erster Militärgouverneur des befreiten Paris. Marcel leitete in Folge das Unternehmen S.A. Avions Marcel Dassault-Breguet Aviation mit 16.000 Mitarbeitern bis zu seinem Tod 1986.

@Dassault
Moderner Jet: Ägyptische Rafále-Maschinen in Formation.

In dieser langen Zeit enstanden – neben der bis heute nachgefragten Business-Jets der Falcon-Familie – die Kampfjet-Klassiker und teils Exportschlager Ouragan, Mystère, Super Mystère, Étendard, Super Étendard, Mirage-III, -5/50 und -2000, der große Atombomber und Aufklärer Mirage-IV sowie auch bereits die Anfänge der heutigen Speerspitze Rafále. Jene hat erst spät in ihrer Karriere in Ägypten, Katar (Bericht), Indien (Bericht) und zuletzt in Griechenland (Bericht) auch auf dem Exportmarkt Fuß gefasst. Dassault war – wie sein nun verunglückter Enkel – 1951 bis 1956 Abgeordneter der französischen Nationalversammlung für das Département Alpes-Maritimes und 1957/1958 Senator für das Départements Oise, zudem Alterspräsident der Nationalversammlung.

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Quelle@CC BY-SA 3.0, Dassault, Georg Mader