Aus militärtechnologischer Sicht kamen am Samstagmorgen beim Einsatz der alliierten Kräfte in Syrien gleich mehrere Neuheiten zum Einsatz.

So ist es in der unmittelbaren Angriffsvorbereitung besonders erwähnenswert, dass (alles sind Lokalzeiten) um 23.20 eine Aufklärungs-Großdrohne RQ-4B Global Hawk der U.S. Air Force (USAF) von Sigonella (Sizilien) gestartet ist und unter dem Rufzeichen „Forte-10” in Schleifen in – zumindest für die Syrer – unerreichbaren 17 Kilometer Höhe, weit vor der syrischen und libanesischen Küste platziert wurde. Zuerst werden ihre elektro-optischen Signalsammlungssensoren den Status jeglicher Luftabwehr im wohl alarmierten (aktiven) Status weitergeleitet haben. Dann flog Forte-10 nach Südwesten, um sich nördlich von Ägypten mit einem Sensorflugzeug/Aufklärer RC-135V (auf Basis des Klassikers B707) mit Rufzeichen „Fixx-74” zu treffen. Auch jene war zuvor vor der syrischen Küste, nun machten beide Platz für die ab 3.40 eintreffenden Waffenträger. Und lange nach dem Angriff, nach über 15 Stunden, machte die RQ-4B noch die Wirkungsaufklärung der drei Zielobjekte.

Die USA legten wieder ein starkes Gewicht auf ihre Seemittel. So stellte die auf rund zehn Versionen angewachsene Familie des schiffsgestützten Marschflugkörpers BGM-109 aus dem Inventar der U.S. Navy auch diesmal die Mehrzahl der mit 105 Stück angebebenen abgefeuerten Waffen. Sechs kamen von Angriffs-U-Boot USS John Warner im Mittelmeer, 30 vom Ticonderoga-Klasse Kreuzer USS Monterey sowie sieben vom Arleigh-Burke-Klasse Zerstörer USS Laboon, beide übrigens aus dem Roten Meer. Und 23 kamen gar vom Zerstörer USS Higgins, aus dem doch weit abseits liegenden Arabischen Golf.

Bezüglich der weiteren Wirkmittel stammten von den zwölf von den Franzosen eingesetzten Marschflugkörpern neun sogenannte SCALP-EG von den fünf eingesetzten Dassault Rafale – laut SIRPA-Videos drei davon Zweisitzer – und drei der neu eingeführten seegestützten Version MdCN von der FREMM-Fregatte FS Aquitaine. Diese via GPS und interner Trägheitsnavigation bis zu 450 km in Bodennähe zurücklegenden Cruise Missiles haben kleine Ausklappflügel und einen kleinen Turbojetantrieb. Begleitschutz gegen eventuelle Luftgegner wurde von vier Mirage-2000/5 gestellt. Dazu kamen noch zwei E-3F AWACS-Radarflugzeuge und einige C-135F-Tanker, dank ihnen konnten mit vier bis fünf Luftbetankungen die Rafale und Mirages direkt von/nach St. Dizier in Frankreich operieren. Medienberichte, sie wären von Jordanien oder den VAE gekommen, sind also unrichtig.

Zusammen mit sieben KC-135R sowie drei KC-10 Tankern der U.S. Air Force waren zur Spitzenzeit während der Nacht somit 13 solcher „Tankstellen” über dem östlichen Mittelmeer unterwegs, was auch ständige Koordinierung mit der zivilen Flugsicherung nötig machte. Und während die Kampfflugzeuge mit ausgeschaltetem Transponder unterwegs waren, konnten aus dem – übrigens unverschlüsselten – VHF-Funkverkehr der Tanker und ELINT-Flugzeuge beispielsweise mit Athinai ACC Flight-Information Region, Internetseiten wie LiveATC.net und Flightradar.24 dem eingeübten Fachmann eine eigentlich überraschend genaue Abdeckung beziehungsweise Entfaltung eröffnen.

Die britische Royal Air Force startete von Akrotiri auf Zypern aus ihre vier Tornado GR.4 Bomber, jeder brachte zwei Storm Shadow-Marschflugkörper gegen das Him Shinshar Chemiewaffendepot, 15 km westlich von Homs, zum Einsatz. Jene sind in Bau- und Einsatzart sehr ähnlich dem französischen SCALP-Modell. Vier der sechs in Akrotiri stationierten Eurofighter Typhoon stellten den Luft-Begleitschutz, ähnlich der Mirage-2000s für die Rafales. Elektronisch unterstützt wurden sie durch mindestens eine von fünf Sentinel R.1, einem RAF-Aufklärungsflugzeug auf Basis des Business-Jets Global Express. Eigentlich ab 2016 zur Ausmusterung bestimmt, scheint sein Hauptsensor gegen kleine Landziele (im Kanubehälter) offenbar weiterhin essentiell.

@ArchivDie USA setzten erwartungsgemäß mehrere Plattformen ein, so auch zwei B-1B Lancer Bomber der 34thExpeditionary Bomb Squadron von der Al Udeid Air Base in Katar kommend. Sie fügten punkto Waffentechnik eine weitere Premiere hinzu: 19 Stück der erst 2017 einsatzbereit erklärten U.S.-Abstandswaffe AGM-158B JASSM-ER oder „Joint Air-to-Surface Standoff Missile/Extended Range”. Das Kürzel „ER” bedeutet in diesem Fall, dass ein treibstoffeffizienteres Turbofantriebwerk und mehr Kerosin die Reichweite – gemessen and der Basisversion AGM-158A – von 200 auf über 500 Meilen Reichweite anhebt. Auch die US-Waffenträger hatten in jener Nacht Begleitschutz durch je vier F-16C und F-15C. Diese Maschinen wurden von KC-135 Tankern des 100. Luftbetankungs-Geschwaders aus RAF Mildenhall (UK) unterstützt, einige davon von Souda Bay auf Kreta operierend. Italienische Fotografen waren bei der Rückkehr der F-16 nach Aviano bereits zur Stelle, sie dokumentierten deren Ausrüstung – neben AIM-120C und AIM-9X Luft-Luft-Lenkwaffen – mit dem AN/ALQ-131 EloKa-Behälter sowie dem Litening Zielbeleuchtungsbehälter. Alle Piloten trugen am Helm das JHMCS-Helmvisier.

Eine weiteres, kaum medial beleuchtetes Novum war die Teilnahme einer einzelnen Kommunikations-Relaisstation auf Basis eines Bombardier-6000 Businessjets. Die in der U.S.-Nomenklatur als E-11A bezeichnete und bis auf das Kennzeichen 11-9358 unmarkiert-weisse Maschine gehört zur 430. Elektronischen Unterstützungsstaffel aus Kandahar/Afghanistan. Ihre Ausrüstung erlaubt es sämtlichen verschiedenen Teilnehmern einer auch multinationalen Operation, trotz ihrer sonst vielleicht inkompatiblen Funkausstattung miteinander zu kommunizieren und Daten auszutauschen. In großer Höhe über dem Geschehen platziert, hatte die E-11A sozusagen einen „Master”-Logenplatz und ermöglichte Verbindungen und Interaktionen zwischen Elementen weit über deren Sichtverbindung hinaus (non-line-of-sight). Am Vormittag nach dem Angriff zeigte die Tracking-Seite CivMilAir die Maschine mit dem Rufzeichen VELCR04 dann in Flugfläche 430 mit Kurs Nordwest und – interessanterweise – über der Tschechischen Republik. Vermutlich auf dem Weg nach England oder heim in die USA.

@ArchivWährend die angreifende Koalition die drei Ziele mit dem Forschungs- und Entwicklungszentrum Barzah in Nord-Damaskus (76 Tomahawks und die 19 JASSM-ERs), dem Chemiewaffenlager Him Shinshar westlich von Homs (22 Flugkörper) und dem Him Shinshar Chemiewaffenbunker (7 Flugkörper) angibt, behaupten russische Militärs dass auch der Flughafen von Damaskus sowie die Flugplätze al-Dumayr, Shayrat, Homs und Mazze getroffen worden wären. Auch feierten die Menschen in Beiträgen von Syriens TV, Al Jazeera und RT den Abschuss von angeblich zuerst 71, dann 56 und zuletzt 13 der eingesetzten Marschflugkörper. Laut Pentagon-Angaben feuerte die syrische Luftabwehr – in den letzten Jahren mit für sich durchaus modernen Systemen wie ‚Pantsir-S1‘ oder BUK-2M ausgestattet – erst nach den Einschlägen zwar 30 bis 40 Boden-Luftraketen ab, im Gegensatz zu einer Pressetour zu den drei zerstörten Gebäuden im Barzah-Zentrum wurden Medien aber bislang keine Reste westlicher Munition oder Flugkörper gezeigt.

In der Tat wären erfolgreiche Feuerleitlösungen gegen jene – in diesem Fall zudem aus unerwarteter Richtung – mit rund 800 km/h und in unter 100 Meter hoch anfliegenden Marschflugkörper für die Syrer allein eine enorme Herausforderung gewesen. Das russische S-400 System in Hmeymim beziehungsweise dessen Radar spielt zwar in einer anderen Liga, es ist aber zumindest ein Indiz für eine Art seitens der Angreifer mit Russland doch stattgefundener ‚Deconfliction‘, dass jenes – wie schon 2017 bei den 59 Tomahawks gegen die Luftwaffenbasis Shayrat – wieder inaktiv blieb.

Quelle@AP/Hassan Ammar, Archiv