Als Nachfolger für die fast 50 Jahre alten Saab-105Ö hat Aero Vodochody dem Bundesheer die neueste Version seines L-39 Albatros angeboten – der Roll-out des Next-Generation-Modells erfolgte Mitte Oktober in der Nähe von Prag.

Wie geht es mit dem Eurofighter weiter? Wird der Jet beim Bundesheer nach notwendigen Updates weiterbetrieben? Und falls nein, auf welches Modell gedenkt Österreich umzusteigen und wie wird vor diesem Hintergrund die Nachfolgefrage für die fast 50 Jahre alten Saab-105Ö gelöst? Definitive Antworten auf diese Fragen wird es wohl erst in den kommenden Monaten und Jahren geben, trotzdem bringen sich schon jetzt potenzielle Kandidaten für die Saab-Nachfolge in Stellung. Dazu zählt auch der tschechische Hersteller Aero Vodochody, der für seinen L-39NG (das NG steht für Next Generation) Chancen in Österreich sieht und Militär Aktuell kürzlich zum Roll-out des Albatros-Nachfolgers nach Prag lud.

@Georg Mader
Aktuell fliegt nur der Testträger L-39CW 2626, eine ältere Zelle mit US-Triebwerk und Avionik des NG. Der Nachfolger wurde beim Roll-out mit Muskelkraft der Belegschaft ins Freie gerollt und soll noch 2018 fliegen.

Von Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babiš über den Vorsitzenden des Aero-Eigners Penta-Group bis hin zur 2015 von Leonardo abgewanderten Firmenspitze wurde beim Roll-out im 100. Jahr seines Bestehens auch das „Wiederaufleben” des traditionsreichen Jet-Herstellers gefeiert. Von 1953 an waren in den Hallen bei Odolena Voda – wo der Roll-out stattfand – insgesamt 3.405 MiG-15bis/UTI gefertigt worden, ab 1963 dann auch 3.665 L-29 Delfin und ab 1968 insgesamt 2.957 Stück L-39/59 Albatros. Bis auf Polen haben alle Luftwaffen der Warschauer-Pakt-Länder jahrzehntelang auf L-39 ausgebildet, allein die UdSSR betrieb 2.000 Maschinen. Mit dem Ende des Ostblocks brachen all diese Abnehmer dann allerdings weg und unter dem neuen Mehrheitseigner Boeing verschätzte sich das Unternehmen in den 1990er-Jahren außerdem mit 72 Stück des aus dem L-39 abgeleiteten leichten Kampfflugzeugs L-159 ALCA schwer. Die tschechische Luftwaffe (Vzdušné síly AČR) stellte nur 24 Maschinen in Dienst, der Rest wurde jahrelang eingelagert, ehe sie letztlich an die US-amerikanische Feinddarsteller-Firma Draken-International (21 Stück um je rund 700.000 Euro) sowie an die Luftwaffe des neuen Irak (15 Stück) doch noch verkauft wurden. Für die Iraker wurde außerdem ein L-159T1 Zweisitzer vom Band gelassen – das erste neu gebaute Flugzeug von Aero in 19 Jahren. In weiterer Folge wurden fünf L-159-Einsitzer für die tschechische Luftwaffe zu L-159T1-Zweisitzern umgebaut, drei neue L-159T2 mit italienischem Grifo-Bord­radar sollen folgen.

Seit Aero im Juli 2014 auf der Farnborough-Messe (UK) die NG-Version des L-39 angekündigt hatte, arbeiteten Techniker und Ingenieure – finanziert mit einem Darlehen der Czech Export Bank in Höhe von rund zwölf Millionen Euro – an der grundlegenden Überarbeitung des früher so erfolgreichen Basismodells. Im Juli 2017 startete dann die Fertigung des am 12. Oktober als Nummer 7001 vorgestellten NG, noch heuer soll der Erstflug erfolgen.

Laut Vizepräsident und NG-Programmdirektor Marco Venanzetti handelt es sich dabei um eine beinahe 100-prozentige Neuentwicklung, die nur optisch dem Vorgänger ähnle. Kernstück ist das amerikanische Williams FJ44-4M-Triebwerk, das gleich stark wie das alte Iwtschenko-Progress AI-25-TL ist, aber wesentlich sparsamer. Zudem verfügt der NG jetzt über einen sogenannten „nassen Flügel” mit Treibstofftanks sowie eine neue einteilige Cockpithaube. Darunter ist ein reines Bildschirmcockpit von Genesys-Aerosystems verbaut, welches die Anzeigen moderner Kampfflugzeuge ab- und nachbilden kann. An drei Punkten können außerdem Kanonenbehälter sowie ungelenkte Luft-Bodenmittel mitgeführt und optional je nach Wunsch Stör- oder Zielmarkierungsbehälter sowie ein elektro-optischer oder Infrarot-Sensor integriert werden.

@Georg Mader
Aero-Firmenchef Giuseppe Giordo (links im Bild, daneben Militär Aktuell-Autor Georg Mader) und Aero-Eigner sowie Penta-Präsident Marek Dospiva (rechts) sehen für ihr Modell jedenfalls gute Absatzchancen – auch in Österreich.

Marco Venanzettis Botschaft an die geladenen österreichischen Medienvertreter – und zwei angereiste BMLV-Beamte in Zivil: Natürlich sei das hier ein Unterschall-Jet, aber auch solche Flugzeuge könnten durchaus eine Funktion in der Luftraumüberwachung wahrnehmen. Die Schul- und Waffentrainingsflugzeuge könnten – ähnlich wie derzeit die Saab-105Ö in Österreich – das Air Policing in all jenen Höhen- und Geschwindigkeitsbändern übernehmen und unterstützen, für die nicht unbedingt überschallschnelles Fluggerät notwendig ist. Das übrigens auch mit Infrarot-Luft-Luft-Lenkwaffen an den Flügelspitzen anstelle der Außentanks beim alten Modell. Geschäftsführer und Marketingchef Massimo Ghione – wie Direktor Guiseppe Giordo und NG-Programmleiter Venanzetti bis 2015 bei Konkurrent Alenia-Aermacchi (jetzt Leonardo) – bestätigte ganz offen das Österreich übergebene Anbot für zwölf Maschinen (sechs davon als Waffentrainer) um zehn bis zwölf Millionen Euro pro Stück und rund 1.900 Euro pro reiner Flugstunde (ohne Systemkostenanteil).

Obwohl das an die Staatsfirma LOM-Praha ausgelagerte Centrum leteckého výcviku (Trainings- beziehungsweise Simulationszentrum) in Pardubice wohl auch vier bis sechs Maschinen erhalten wird, war an den präsenten Uniformen der gleichzeitig mit dem Roll-out abgehaltenen L-39 User Group mit gut zwei Dutzend L-39-Nutzerländern in Europa, Afrika und Asien gut erkennbar, an wen der Nachfolger in erster Linie gerichtet ist. Und das mit Unterstützung von höchster Stelle: Premier Babiš: „Ich und meine Minister werden die Verkaufsbemühungen persönlich überall unterstützen, um sicherzustellen, dass es ein Markterfolg wird.”

Bereits für den NG entschieden hat sich der Senegal. Das westafrikanische Land hat vier L-39NG-Jets bestellt, zwei davon werden 2020 und zwei weitere 2021 ausgeliefert – samt volldigitalisiertem Helmvisier Targo II von ELBIT. Darüber hinaus wurden auch bereits Absichtserklärungen mit Skytech aus Portugal über zehn (plus sechs Optionen) sowie mit RSW-Aviation aus Phoenix/Arizona über zwölf plus Umrüstung von sechs L-39 auf L-39CW (alte Zelle, neues Triebwerk und Avionik) bestätigt. Beide Anbieter von Feinddarsteller- und Trainingslösungen an NATO und USAF sollen bis Jahresende Verträge zeichnen. Aero-Direktor Giordo abschließend: „Wer jetzt neue Jets will, sollte rasch handeln – oder sich auf einen frühesten Liefertermin 2022/23 einstellen.”

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Quelle@Georg Mader