Vor einem Jahr hat Russland seinen Angriff auf die Ukraine gestartet und aus militärischer Sicht bringt der Konflikt viele Erkenntnisse und Versäumnisse ans Tageslicht. Auswirkungen hat der Krieg im Osten Europas, aber auch auf die globale Rüstungs- und Sicherheitsindustrie, wie Fredrik Hassel, Senior Public Affairs Advisor bei Saab in einem Gastkommentar erklärt.

Noch ist ein Ende des Krieges in der Ukraine nicht in Sicht und Experten weltweit sind vorsichtig mit etwaigen Prognosen – auch weil Russlands Strategie bislang viele Fragen aufgeworfen hat und das bis heute tut. Was sich aber schon jetzt zeigt, ist, dass Russland künftig ein anderer Feind sein wird, auf den sich der Westen vorbereiten muss: Vor dem Kalten Krieg war Russland eine Supermacht. Nach dem Kalten Krieg war Russland immerhin regional sehr stark und es hatte zudem ein enormes Arsenal an Massenvernichtungswaffen. Nun ist Russland ein Schurkenstaat mit Massenvernichtungswaffen und Cyber-Fähigkeiten.

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Fredrik Hassel ist Senior Public Affairs Advisor bei Saab.

Ob Russland oder die Ukraine den Krieg gewinnt, hängt jedenfalls von den Parametern ab, die dafür definiert werden. Russland soll bereits Landkarten mit neuen Landesgrenzen verkaufen. Das könnte darauf hindeuten, dass es Wladimir Putin um die aktuell besetzten Gebiete geht. Die Eroberung der gesamten Ukraine halte ich für unrealistisch – die dauerhafte Besetzung eines Territoriums ist hingegen denkbar, wenn auch zu einem sehr hohen Preis, nämlich einer großen Opferzahl. Ob die Ukraine langfristig kontern kann, wird nur die Zeit zeigen – und die Bereitschaft internationaler Helfer wird weiterhin entscheidend für die Ukraine sein.

Verteidigung geht nicht ohne Waffen
Ohne die Lieferung von Waffen und Munition aus der EU, den USA sowie den NATO-Mitgliedsstaaten würde es in der Ukraine heute wohl anders aussehen. Die genannten Länder und Organisationen sind aber auch selbst gefordert, ihre Bestände aufzufüllen und ihre Verteidigungsbudgets zu erhöhen, um ihre militärischen Kapazitäten zu stärken. Nur so kann auf Bedrohungen reagiert und eine glaubwürdige Abschreckung und Verteidigungsfähigkeit gewährleistet werden. Dieses Ziel zu erreichen, könnte eine Herausforderung werden, denn immerhin lag der Fokus bisher eher auf Forschung und Entwicklung. Wir sehen daher aktuell in einigen Bereichen Engpässe und sowohl die EU als auch die NATO werden diskutieren müssen, wie die Produktionsfähigkeit in Zukunft sichergestellt werden kann – und zwar in Friedenszeiten, um für etwaige Konflikte im wahrsten Sinne des Wortes gerüstet zu sein.

Auch die Kompatibilität von Systemen muss forciert werden. Am Beispiel Ukraine wird das deutlich, denn Waffen und Munition kommen aus unterschiedlichsten Ländern, verschiedener Hersteller. Neuartige Kooperationen, die Verbindungen zwischen Ländern und Branchen schaffen, sind die Zukunft. Ich bin davon überzeugt, dass uns das stärker macht. Bei Saab sind die Vielseitigkeit von Systemen sowie die Möglichkeit ihrer andauernden Weiterentwicklung und Anpassung schon immer wichtige Grundpfeiler in der Entwicklung. Den zunehmenden Dialog und Austausch innerhalb der Industrie sehe ich nicht zuletzt wegen des tragischen Kriegs als richtige Entwicklung.

„Den zunehmenden Dialog und Austausch innerhalb der Industrie sehe ich als
richtige Entwicklung.“

Saab-Experte Fredrik Hassel

Schnelligkeit spielt in jedem Konflikt eine wichtige Rolle. Im Fall der Ukraine auch aus einem anderen Blickwinkel, denn die gelieferten Waffensysteme sind den Ukrainern teils unbekannt. Zeit für umfangreiche Schulungen und Trainings gibt es nicht. Ich habe daher großen Respekt und Anerkennung vor den Kämpfern in der Ukraine. Sie schaffen es, die teils neuartigen Waffen effizient einzusetzen und zu warten und mit kluger Logistik einen hohen Impact zu erzielen.

Drohnen & Panzerwaffen reüssieren
Gekämpft wird in der Ukraine vor allem mit konventionellen Waffen, auch Cyberangriffe gibt es immer wieder. Erstmals erfolgreich auf beiden Seiten im Einsatz sind unbemannte Fahrzeuge und Drohnen. Auch billige Minidrohnen sind trotz ihrer geringen Schlagkraft zur wichtigen Waffe geworden.

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Neues Saab-System: Im Kampf gegen die russischen Angreifer kann die ukrainische Armee wohl bald auch auf die von Saab und Boeing entwickelte GLSDB-Gleitbombe zurückgreifen.

Als besonders effektiv haben sich Panzerabwehrwaffen, insbesondere das Saab-Modell NLAW (Next Generation Light Anti-Tank Weapon) erwiesen. Das britische Militär, das der Ukraine Tausende dieser Waffen zur Verfügung gestellt hat, hat bereits eine neue Großbestellung der NLAWs in Auftrag gegeben. Zudem hat die US-Regierung angekündigt, unser seit 2014 in Entwicklung befindliches System GLSDB (Ground-Launched Small Diameter Bomb) – an dem Saab gemeinsam mit Boeing arbeitet – an die Ukraine liefern zu wollen. Das System kann bei sämtlichen Wetterlagen zum Einsatz kommen und der Sprengkopf hat kleine, faltbare Flügel, die es ihm ermöglichen, nach Abschuss aus einem Flugzeug mehr als 100 Kilometer zu fliegen (vom Boden bis zu 150 Kilometer) und Ziele mit einem Durchmesser von nur einem Meter zu treffen. Das System könnte es der Ukraine ermöglichen, wertvolle militärische Ziele zu treffen, die bisher unerreichbar waren, und die Ukraine dabei unterstützen, ihre Gegenangriffe fortzusetzen, indem sie russische Rückzugsgebiete stört.

Laut britischem Geheimdienst sind die Waffen von Saab bisher sehr effektiv im Kampf gegen Russland. Dazu befragt hat unser CEO Micael Johansson im Rahmen der 21. Berliner Sicherheitskonferenz Ende 2022 geantwortet: „Es überrascht mich nicht, das zu hören. Es ist natürlich tragisch, dass unsere Waffen überhaupt zum Einsatz kommen müssen. Wenn es aber Situationen gibt, die dies bedingen, dann müssen sie auch wirksam sein und ihren Zweck erfüllen. Nichts weniger ist unser Anspruch.”

Ukraine: Das Kriegsgeschehen im Zeitraffer

Frieden gibt es nicht umsonst
Der Krieg macht uns bewusst: Frieden ist nicht selbstverständlich und Staaten müssen sich auf einen möglichen Krieg vorbereiten, um sich selbst verteidigen zu können. Der Ukraine-Krieg zeigt, dass eine schwache militärische Verteidigung Anreiz für Aggressoren bietet. Insbesondere für kleinere und schwächere Staaten ist es wichtig, dass sie über eine ausreichende Verteidigungskapazität verfügen, um sich gegen mögliche Angriffe zu schützen. Osteuropäische Staaten entledigen sich gerade sämtlicher Sowjetbestände, die sie in den kommenden Jahren durch moderne westliche Waffen ersetzen werden müssen. Und auch Russland wird realisieren, dass es nicht mehr seine alte Stärke hat, die im Zweiten Weltkrieg zum Sieg über die Nationalsozialisten geführt hatte. Es wird seine Art der Kriegsführung ändern – auch darauf muss sich der Westen vorbereiten.

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Quelle@Saab