Mit der Ukraine-Krise ist der militärische Faktor der Sicherheitspolitik auch innerhalb Europas wieder deutlich sichtbar geworden. Wird dadurch der Trend der vergangenen Jahre, militärische Ausgaben in Europa zu senken, umgekehrt? Oberstleutnant Herwig Jedlaucnik, Mitarbeiter am Institut für Strategie und Sicherheitspolitik an der Landesverteidigungsakademie in Wien, hat für Militär Aktuell die europäischen Verteidigungsbudgets analysiert.

Bereits seit den 1980er-Jahren findet in Europa eine sukzessive Reduktion militärischer Ausgaben statt. Nach der Eskalation der Lage in der Ukraine, verbunden mit der Verschlechterung der Beziehungen zwischen den westlichen Staaten und Russland, haben einige nordische Länder, vor allem aber die Staaten Osteuropas, ihre Militärausgaben nun aber wieder erhöht. Im Großteil Europas hat die Ukraine-Krise jedoch kein strategisches Umdenken mit entsprechenden budgetären Konsequenzen ausgelöst; der langfristige Trend der Reduktion europäischer Militärausgaben wurde (vorerst) kaum gebremst. Gesamteuropa hat seine Militärausgaben, gemessen am BIP-Anteil, 2014 um rund 5 Prozent und 2015 um weitere 1,6 Prozent reduziert. Die Reduktion 2015 entspricht dabei in etwa dem 10-jährigen Schnitt. 2015 wird Europa somit knapp 1,5 Prozent seines BIP für Verteidigungszwecke aufwenden.

Es ist zwar davon auszugehen, dass es nach Erholung der europäischen Wirtschaft in vielen west- und zentraleuropäischen Staaten wieder zu einem leichten nominellen Anstieg der Militärausgaben kommen wird, dennoch ist in den nächsten Jahren ein Absinken der europäischen Verteidigungsbudgets sogar unter 1,5 Prozent des BIP wahrscheinlich. Alle Staaten Europas zusammengenommen werden 2015 zwar fast 300 Milliarden US-Dollar (272 Milliarden Euro) für ihre Verteidigung ausgeben, stehen damit aber nur noch für 16 Prozent der globalen Militäraktivitäten. Europas Anteil hat sich damit in den letzten 20 Jahren fast halbiert! Etwas anders stellt sich die Situation bei den direkt an Europa angrenzenden Mächten dar: Russland verstärkte 2014 und 2015 seine militärischen Anstrengungen und wird 2015 vermutlich 4,5 Prozent des BIP dafür aufbringen. Die Türkei wiederum stellt 2,3 bis 2,4 Prozent des BIP für sein Verteidigungsbudget bereit.

Mittelfristig kristallisiert sich als Trend die Trennung zwischen europäischen Front- und Etappenstaaten heraus. Die an Russland, dessen Vasallenstaat Weißrussland oder die Türkei angrenzenden Staaten werden voraussichtlich ebenso wie Frankreich und mit gewissen Fragezeichen eventuell auch Großbritannien um die 2 Prozent des BIP für Militärausgaben bereitstellen. Die beiden Letztgenannten benötigen die entsprechenden militärischen Mittel zur Absicherung ihrer außereuropäischen Gebiete und Interessen sowie zur Erhaltung ihrer atomaren Fähigkeiten.

Die NATO-Etappenstaaten werden hingegen vermutlich nur 1 bis 1,5 Prozent, die westeuropäischen Allianzfreien 0,5 bis 1 Prozent ihres BIP für Verteidigungsaufgaben aufwenden. Da in Österreich weder der Konflikt mit Russland noch andere geostrategische Entwicklungen als verteidigungspolitisch relevante Bedrohung wahrgenommen werden, wird auch hier der langfristige Trend beibehalten werden. Österreich hat seine Militärausgaben, gemessen am BIP, seit 2000 noch deutlicher als Gesamteuropa (minus 20 Prozent) sukzessive um rund 30 Prozent reduziert. Auch 2014 und 2015 senkte es sein Verteidigungsbudget, gemessen am BIP, um jeweils 6 bis 6,5 Prozent. Es wird damit 2015 weniger als 50 Prozent dessen, was Europa für seine Verteidigung aufwendet, ausgeben. Nach NATO-Standards gemessen, betragen die österreichischen Militärausgaben 2,3 Milliarden Euro (0,69 Prozent des BIP). Aufgrund der inflationsbedingt real steigenden Personal- und Betriebskosten wird es daher zu einer extremen Reduktion an Investitionen kommen.

Quelle@Bundesheer
Der Autor ist Mitarbeiter am Institut für Strategie und Sicherheitspolitik an der Landesverteidigungsakademie in Wien.