Vom Westen zunehmend isoliert, geht Russland nun verstärkt mit dem Iran und der Türkei auf Tuchfühlung. Mehr als Zweckbündnisse ergeben sich aus den Annäherungsversuchen aber nicht – zu tief sind die Auffassungsunterschiede zwischen den Nahost-Mächten und dem Kreml. Eine Analyse von Christian Steppan, Experte für Russland und den postsowjetischen Raum am Institut für Friedenssicherung und Konfliktmanagement (IFK).

Angesichts der Annäherungen Moskaus an Teheran und Istanbul stellt sich die Frage, wie eng die neu geknüpften Freundschaftsbande zwischen den Machtzentren wirklich sind. Am 8. August 2016 verkündeten die Präsidenten Aserbaid­schans, Russlands und des Iran bei einem Dreiergipfel in Baku eine Ver- tiefung der sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Beziehungen. Kurz darauf starteten russische Bomber vom iranischen Stützpunkt Shahid Nojeh unweit der Stadt Hamadan in Richtung Syrien, was die internationalen Medien sogleich über eine neue Militärachse zwischen Moskau und Teheran spekulieren ließ. Russland wurde als deren Nutznießer dargestellt, da es sich dadurch überflüssige Anflugzeit und Treibstoffkosten im Syrieneinsatz ersparen würde.

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IFK-Experte Christian Steppan.

Doch Moskaus Euphorie über die neue Basis im Iran führte zu einem schnellen Ende der herbeigeschriebenen Militärachse. Bereits am 22. August verkündete die iranische Führung das Aus der russischen Nutzungsberechtigung. Sie begründete diesen Schritt damit, dass Moskau aufgrund der medialen Inszenierung seines neuen Stützpunkts mangelnde Loyalität bewiesen habe. Hinter dieser Reaktion steckte jedoch keineswegs nur der Ärger über das fehlende Fingerspitzengefühl Russlands. Sie ist vielmehr ein Resultat der außenpolitischen Selbstdefinition Teherans: Es betrachtet sich als unabhängig und bringt das etwa im Verbot der Stationierung ausländischer Truppen auf seinem Territorium zum Ausdruck. Was für den Iran also nur ein Landeplatz zum Auftanken russischer Bomber war, wurde von Russland fälschlicherweise als neuer Stützpunkt in der Nähe Syriens gesehen. Dieser Auffassungsunterschied ist bezeichnend für den tatsächlichen Zustand der bilateralen Beziehungen. Beide Seiten sehen ihre Partnerschaft in Syrien als Mittel zum Zweck. Gleichzeitig bleiben gegenseitiges Misstrauen und unterschiedliche Ambitionen bestehen, die den Übergang zu einer tiefgreifenden Allianz derzeit höchst unwahrscheinlich machen. Die vorschnell ausgerufene Machtachse muss daher eher als Zweckbündnis betrachtet werden, das eine Kooperation in konkreten Sachfragen ermöglicht.

Weit realistischer fiel die Medienberichterstattung über das Versöhnungstreffen zwischen den Präsidenten Russlands und der Türkei aus, das nur einen Tag nach dem Gipfel in Baku stattfand. Dem Besuch von Recep Tayyip Erdoğan am 9. August in St. Petersburg eilte somit ein für Russland günstiges Diskussionsklima in der Syrienfrage voraus. Zudem wurde die Anreise Erdoğans vielerorts als Anbiederung des türkischen Präsidenten interpretiert, der sich bei Putin im Vorhinein für den Abschuss eines russischen Kampfjets im November 2015 entschuldigt und damit das Treffen sowie ein Ende des vorangegangenen Informationskrieges zwischen Ankara und Moskau möglich gemacht hatte. Doch auch wenn beide Seiten in St. Petersburg die gegenseitige Freundschaft und einen Neuanfang in den politischen und wirtschaftlichen Beziehungen beschworen haben, ist das bilaterale Verhältnis derzeit weit von einer strategischen Partnerschaft entfernt. So stehen etwa unterschiedliche Positionen im Mittleren Osten einer tiefgreifenden Allianz zwischen Moskau und Ankara im Wege.

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