Kampfflugzeuge, Kampfpanzer, Artillerie und Drohnen dominieren das internationale Rüstungsgeschäft. Und wie ein aktueller Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI zeigt, werden immer mehr dieser Waffen von europäischen Ländern beschafft.

Dem neuesten SIPRI-Bericht zufolge nahm zwar der weltweite Transfer von Rüstungsgütern in der Periode von 2018 bis 2022 im Vergleich zu 2013 bis 2017 um 5,1 Prozent ab, allerdings gingen die Importe in Europa in den fünf Jahren nach oben und zeigt insbesondere das letzte Berichtsjahr 2022 infolge des Ukraine-Krieges einen deutlichen Anstieg.

@SIPRIUnter dem Strich importierten die europäischen Staaten im Berichtszeitraum um 47 Prozent mehr Waffen als im Vergleichszeitraum 2013 bis 2017. Betrachtet man nur die europäischen NATO-Lander, so stiegen die Rüstungsimporte sogar um 65 Prozent. Dieser Trend wird sich noch weiter fortsetzen, denn nach dem russischen Großangriff auf die Ukraine sind Europas NATO-Staaten dabei, ihre Verteidigungsanstrengungen deutlich zu verstärken.

@Georg Mader
Waffenhilfe für die Ukraine: Frankreich lieferte unter anderem Caesar-Artilleriesysteme von Hersteller Nexter …

Gleichzeitig lassen Lieferungen von Waffen und Munition an die Ukraine die Bestände in den westlichen Arsenalen schrumpfen – in Europa und sogar in den USA. Da wie dort wird nun begonnen, für den Eigenbedarf nachzuliefern und nachzubauen. Die Waffenhilfe für die Ukraine schlägt sich auch im SIPRI-Bericht nieder: Im gesamten Zeitraum 2018 bis 2022 ist das osteuropäische Land der 14.-größte Waffenimporteur, betrachtet man aber nur 2022 – das Jahr des russischen Überfalls –, liegt die Ukraine im Ranking der größten Importeure sogar auf Platz drei.

@Georg Mader
… und aus US-Beständen kommt das Raketenartillerie-System HIMARS.

Deutsche Firmen profitieren
Von den gestiegenen Investitionen in Europa profitierten vor allem amerikanische, aber auch europäische Waffenhersteller und darunter auch deutsche Konzerne. Zwischen 2018 und 2022 war Deutschland mit einem Weltmarktanteil von 4,2 Prozent der fünftgrößte Lieferant von Waffen. Dabei sind bis zum Beginn des Ukraine-Krieges die deutschen Ausfuhren im Vergleich zu den fünf Jahren zuvor allerdings um 35 Prozent zurückgegangen. Nun zeigt die Entwicklung genau in die andere Richtung: Rheinmetall beispielsweise baut in Niedersachsen eine neue Munitionsfabrik, um der gestiegenen Nachfrage Herr zu werden. Dort sollen bis Sommer rund 300.000 Schuss für den veralteten Fliegerabwehrpanzer Gepard hergestellt werden, den Deutschland an die Ukraine geliefert hat. Der Schritt wurde notwendig, weil die neutrale Schweiz sich nicht dazu durchringen konnte, Munitionsexporte ihres Konzerns Oerlikon (auch an Dritte) zu genehmigen. Und in Sachsen ist eine bis zu 800 Millionen Euro teure Pulverproduktion im Gespräch.

Rheinmetall repariert Waffen der Ukraine in Rumänien

Rheinmetall plant zudem, in der Ukraine eine Fabrik für ihren hochmodernen Kampfpanzer Panther auf die grüne Wiese zu stellen. 400 Panther sollen dort pro Jahr vom Band laufen, geschützt durch das (firmen)eigne Flugabwehrsystem Mantis. Der Börsenkurs des Düsseldorfer Waffenbauers hat sich seit Kriegsbeginn mehr als verdoppelt, Ende Februar stieg der Konzern sogar in den deutschen Börsenleitindex DAX auf. Auch beim Münchner Unternehmen Kraus-Maffei Wegmann (KMW) wird Kriegsmaterial gebaut, das in der Ukraine eingesetzt wird – wie der bezüglich Ukraine vieldiskutierte Leopard 2-Kampfpanzer oder die selbstfahrende Artillerie Panzerhaubitze 2000. Im Februar hieß es aus München, die Produktion lasse sich hochfahren, man warte aber (immer) noch auf Bestellungen.

@SIPRIÖsterreichs Nachbar Italien – als Lieferant der jüngst vom Bundesheer bestellten 36 Leonardo-Hubschrauber (und möglicherweise künftig auch von Jet-Trainern) – rangiert mit 3,8 Prozent übrigens auf Platz sechs im weltweiten Ranking und nimmt Platz vier bei den Importen im Mittleren Osten ein, insgesamt 67 Prozent der italienischen Exporte gehen in die Region und damit von 2018 bis 2022 um 45 Prozent mehr als im Zeitraum bis 2017.

Hauptlieferant USA, auch wegen F-35
Nutznießer des „neuen Kalten Krieges” sind die USA, sie profitieren einerseits am meisten vom europäischen Aufrüsten und bauten ihre Position als größter Waffenexporteur weiter aus. Washington bleibt aber nach wie vor auch der weltweit größte Waffenlieferant: 23 Prozent ihrer gesamten Rüstungsexporte gingen 2018 bis 2022 an europäische Lander, elf Prozent mehr als zuvor. Von den europäischen NATO-Staaten importierten aus den USA vor allem Großbritannien, die Niederlande und Norwegen. Es sind meist teure Hightech-Waffen, die die NATO-Verbündeten erhalten – wie etwa der von den USA in Kooperation mit anderen Partnern entwickelte Tarnkappen-Jagdbomber F-35. Den modernen Jet setzen neben den USA etwa Großbritannien, die Niederlande, Norwegen und Italien ein. Polen hat 32 Stück bestellt, Deutschland beschafft 35 dieser Jets. Die Aktien des US-Rüstungskonzerns Lockheed Martin, der (unter anderem) die F-35 herstellt, stiegen im vergangenen Jahr um 37 Prozent, die des US-Konzerns Raytheon-Technologies mit seinen diversen Raketen und Flugkörpern um fast 17 Prozent. Beide Firmen erhielten zuletzt auch Aufträge zur Produktion von Lenkwaffen für die Ukraine und die sich leerenden US-Arsenale.

@SIPRIWeltweite Trends
Die meisten Waffen lieferten die USA nach Saudi-Arabien (19 Prozent der gesamten US-Waffenexporte), Japan (8,6 Prozent), Australien (8,4 Prozent) und Südkorea (6,5 Prozent). Dagegen gingen die Lieferungen von US-Kriegsgerät an den NATO-Partner Türkei aufgrund der bilateralen Spannungen drastisch zurück. Die Türkei fiel von Platz 7 auf Platz 27 der größten Empfänger von US-Waffen, Grund ist wohl der Ausschluss vom F-35 wegen des Ankaufs russischer Luftabwehr. Insgesamt 23 Prozent der US-Waffenexporte gingen zwischen 2018 und 2022 an Staaten in Europa, in den vier Jahren zuvor waren es elf Prozent gewesen.

Und während in Europa aufgerüstet wurde, sank weltweit der Umfang der Waffentransfers im Zeitraum 2018 bis 2022 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2013 bis 2017 um 5,1 Prozent. Zurück gingen die Waffenimporte in Afrika (minus 40 Prozent), Amerika (minus 21 Prozent), Asien (minus 7,5 Prozent) und im Nahen Osten (minus 8,8 Prozent). Anstiege gab es dagegen wegen der geopolitischen Spannungen mit China und Nordkorea bei den Waffenimporten in Ostasien. Hier bekräftigten sich traditionelle Bündnisse, so stand beispielsweise China – wenig überraschend – für 77 Prozent der Importe Pakistans. Andererseits verzeichneten die US-Verbündeten Südkorea (plus 61 Porzent) und Japan (+171 Prozent) die größten Zuwächse, Hauptlieferant natürlich die USA.

@Georg Mader
Teil der chinesischen Lieferungen an Pakistan sind auch Kampfjets vom Typ Chengdu J-10C.

Deren Anteil an den weltweiten Waffenexporten stieg im Untersuchungszeitraum 2018 bis 2022 von 33 auf 40 Prozent. Die Ausfuhren des zweitgrößten Waffenexportlandes Russland sanken unterdessen von 22 auf 16 Prozent der weltweiten Exporte. Grund dafür ist, dass Russland der Versorgung der eigenen Streitkräfte Vorrang einräumt. Zudem hat angesichts der Ergebnisse in der Ukraine die Reputation russischer Militärtechnik wohl sichtlich gelitten. Auch aufgrund der Sanktionen gegen Russland und des Drucks der USA und ihrer Verbündeten dürfte die Nachfrage anderer Staaten nach russischen Waffen auch weiter gering bleiben, heißt es in dem Bericht.

@Boeing
Indien importierte zuletzt unter anderem CH-47F-Hubschrauber von Boeing.

Frankreich drittgrößtes Exportland, Indien größter Importeur
An dritter Stelle der größten Exportländer von Kriegsgerät liegt Frankreich, das – beispielsweise mit einem Auftrag über 80 Rafále-Jets für die Emirate – seinen Anteil an den weltweiten Waffenausfuhren in den Jahren 2018 bis 2022 gegenüber den fünf Jahren davor von 7,1 Prozent auf 11 Prozent erhöhte. Fast ein Drittel der um 44 Prozent gestiegenen französischen Waffenexporte ging übrigens – das sind hauptsächlich 36 Rafále-Jets – an Indien. Trotzdem bleibt Delhi weiterhin größter Empfänger russischer Waffen und mit aktuell 13 Prozent zugleich größter Waffenimporteur der Welt, auch wenn das Volumen der russischen Exporte an Dehli um 37 Prozent schrumpfte. Dagegen stiegen die russischen Waffenexporte nach China (plus 39 Prozent, beispielsweise Su-35S) und Ägypten (plus 44 Prozent, beispielsweise MiG-29M und Ka-52), die damit zu den zweit- und drittgrößten Empfängern Russlands aufstiegen. An weltweit zweiter Stelle im Ranking der größten Waffenimporteure folgen Saudi-Arabien und das kleine Emirat Katar, das seine Waffenimporte – via drei paralleler Flugzeugbeschaffungen – zuletzt um 311 Prozent (!) steigerte. An vierter und fünfter Stelle der Rüstungsimporte liegen Australien und China.

@Dassault
Zu den größten französischen Waffenexporteuren gehört Flugzeughersteller Dassault – Rafálè-Jets gingen in jüngster Zeit unter anderem an die Vereinigten Arabischen Emirate und Griechenland (Bild).

Russland bleibt Hauptlieferant für Afrika
Hauptlieferant von Waffen für Afrika ist Russland: 40 Prozent der afrikanischen Rüstungsimporte stammten 2018 bis 2022 aus Russland, weit dahinter folgen die USA (16 Prozent), China (9,8 Prozent) und Frankreich (7,6 Prozent). In Afrika südlich der Sahara konkurrieren laut dem Bericht mehrere Waffenexport-Länder um Einfluss: Russland überholte China im Zeitraum 2018 bis 2022 bei den Waffenlieferungen und wurde zum größten Lieferanten der Subsahara-Region. 21 Prozent der Waffen an die Staaten kamen aus Russland, 18 Prozent aus China und 8,3 Prozent aus Frankreich. Insgesamt gingen die Waffeneinfuhren von Staaten in Afrika südlich der Sahara um 23 Prozent zurück, wobei Angola, Nigeria und Mali die größten Empfänger waren. Seit Ende der UdSSR waren übrigens Kampfflugzeuge und -hubschrauber „traditionell” mit rund 40 Prozent der größte „Einzelposten” im russischen Rüstungsexport-Geschäft, von 1992 bis 2022 wurden davon weltweit 328 Stück (meist Flanker-Derivate) abgesetzt. Mit Ende 2022 standen aber nur mehr zusammen 84 Stück in den russischen Büchern.

Versenkung der Moskwa: So war es wirklich

100 Milliarden Euro für die Bundeswehr
Kanzler Olaf Scholz hatte nach Russlands Überfall auf die Ukraine 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr versprochen. Laut Verteidigungsministerium wurde davon im ganzen Jahr 2022 noch nichts ausgegeben, jedoch rund ein Drittel verplant: für Transporthubschrauber, Digitalisierung und die zuvor bereits erwähnten F-35-Jets. Wegen der Zinsen für das aufgenommene Sondervermögen, der gestiegenen Preise und der Mehrwertsteuer sind nach einem Jahr von den 100 Milliarden Euro aber laut Experten nur mehr 50 bis 70 Milliarden Euro für Kriegsmaterial bestimmt beziehungsweise verfügbar.

Zu jenen finanziellen Volumina ist generell anzumerken, dass Rüstungsverträge aus militärischer Geheimhaltung sowie aus Konkurrenzgründen oft „intransparent” sind. Daher ist es für die SIPRI-Forscher um Pieter und Simeon Wezeman oft schwierig, den Gesamtwert der gehandelten Waffen zu errechnen. Sie schätzen den jährlichen globalen Waffenhandel auf etwa 93,8 Milliarden Euro, laut ihnen überstiegen die gesamten Militärausgaben im Jahr 2021 die Hürde von zwei Billionen US-Dollar (knapp zwei Milliarden Euro).

Quelle@Colonel Elrashidi, Georg Mader, Dassault, Boeing, SIPRI
Der Autor ist einer der renommiertesten österreichischen Luftfahrtjournalisten, Korrespondent des britischen Jane’s Defence und schreibt seit vielen Jahren für Militär Aktuell.