Krieg ist bekanntlich ein teures Geschäft – und das gilt natürlich auch für Russlands Invasion in der Ukraine. Die Truppen wollen bezahlt, Munition gekauft und neue Waffen beschafft werden. Laut einem aktuellen Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI dürfte den Russen die Finanzierung der laufenden Kämpfe aber deutlich leichter fallen, als im Westen bisher angenommen.

Russland hat seine täglichen Verteidigungsausgaben (insgesamt, also nicht nur für den Krieg in der Ukraine) im April mit rund 20 Milliarden Rubel (entspricht rund 300 Millionen Euro) täglich angegeben. Westliche und russische Experten gingen in weiterer Folge von einem Tagsatz von 500 bis sogar 900 Millionen Euro aus, dabei wurden allerdings auch die Kosten für den Ersatz von Fahrzeugen und Waffen aller Art eingerechnet. Nur: Russland ersetzt seine Fahrzeuge nicht 1:1 mit neuen Systemen, setzt vielmehr auf altes und eingelagertes Material, wie auch unsere bereits im April erschienene Analyse zur russischen Panzerwaffe zeigt, und muss doch benötigte Materialzuläufe nicht auf westlichem Preisniveau begleichen. Durch die niedrigeren Arbeits- und Produktionskosten sind russische Waffen weit billiger als westliche Systeme. Und auch die Kosten, um einen russischen Soldaten im Einsatz zu versorgen, liegen weit unter westlichen Niveaus.

SIPRI berücksichtigt diese Aspekte nun in seiner neuen Analyse. In ihrer Untersuchung gehen die schwedischen Forscher von beginnend mit den Kampfhandlungen Ende Februar bis zumindest April stetig steigende Militärausgaben aus. Damals mussten sich die schlecht vorbereiteten russischen Truppen aus der Nähe von Kiew und anderen nördlichen Regionen zurückziehen und begannen sich auf den Donbass und den Süden zu konzentrieren. Der Westen erließ zu der Zeit zahlreiche Wirtschafts-Sanktionen und auch in den russischen Finanzabteilungen wuchs in der Folge die Sorge, dass die Offensive nicht dauerhaft finanzierbar sei. Folgedessen gingen die Kriegsausgaben leicht zurück, am Schlachtfeld entstand ein Patt. Als die Ukraine bald darauf vom Westen zunehmend mit Waffen ausgestattet und ausgerüstet wurde, setzte auch Russland wieder auf höhere Investitionen in seine Streitkräfte – eine Entscheidung, die möglicherweise auch von der zunehmenden Wahrnehmung beeinflusst wurde, dass sich die Wirtschaftsleistung nicht so katastrophal wie ursprünglich erwartet verschlechterte.

Eine Schlüsselfrage ist nun, ob Russland in der Lage sein wird, sein Ressourcenengagement für den Krieg zu erhöhen, um den aktuellen Herausforderuneng zu begegnen. Sind seine Ausrüstungs- und Personalreserven ausreichend, um wirksam und rechtzeitig auf die zunehmend bedrohlichen militärischen Aktivitäten der Ukraine zu reagieren? Fest steht schon jetzt: Die Versorgung mit neuen Waffen ist möglicherweise kein so akutes Problem, wie einige Beobachter und Journalisten zu argumentieren neigen. Während sich die Kämpfe in der Ukraine verschärften, waren russische Truppen nämlich zusammen mit Einheiten ausländischer Partner, darunter China, an der Übung „Wostok-2022” im fernen Osten Russlands beteiligt und setzten dort auch einige moderne Waffen ein, darunter Iskander-M-Raketensysteme, Ka-52-Kampfhubschrauber und die neuesten T-90M-Panzer. Laut einem russischen Militärspezialisten beinhaltete die Übung eine neue Strategie mit potenzieller Anwendung in der Ukraine.

Es gab in westlichen Medien und Berichten seit Verschärfung der westlichen Technologiesanktionen Behauptungen, dass das versuchte „Abschneiden” ernsthafte Auswirkungen auf die Fähigkeit Russlands hätte, neue Waffen herzustellen. Wie es jetzt scheint, wurden diese Behauptungen wahrscheinlich übertrieben. Ein Großteil der russischen Verteidigungsindustrie arbeitet mittlerweile im Zwei- oder Dreischichtbetrieb, und Chargen neuer fortschrittlicher Hardware werden an die Streitkräfte geliefert, darunter T-90M-Panzer und die neuesten Kampfflugzeuge, insbesondere die Su-35S. Dabei handelt es sich um das jüngste Modell der seit den 1980er-Jahrenn gebauten Flanker-Serie der 4. Generation, aber nicht das neueste russische Kampfflugzeug Su-57, von dem erst eine Handvoll Serienexemplare existrieren. Der Typ kam in der Ukraine bereits mehrfach zum Einsatz und einige Maschinen wurden – wie auch einige Exemplare des Kampfpanzers T-90M – auch bereits von ukrainischen Kräften zerstört.

Die von SIPRI vorgelegte Analyse wirft für die Russen auch viele Unwägbarkeiten auf, zeichnet jedoch ein eindeutiges Bild: Russlands Wirtschafts- und Haushaltslage erlaubt zumindest aktuell oder absehbar noch weitere Steigerungen der im Krieg eingesetzten Ressourcen. Dass damit auch eine rasche Verbesserung der militärischen Fähigkeiten und Resultate Russlands am Schlachtfeld beziehungsweise im Kampf gegen einen ansteigend modern bewaffneten und – im Gegensatz zu den meisten russischen Kämpfern – äußerst motivierten Gegner verbunden ist, darf allerdings bezweifelt werden. Dazu kommt: Alles an zerstörtem Gerät kann nicht mehr durch Neubauten ersetzt werden. Anstelle bedient sich die russische Armee zusehends an viele Jahrzehnte alten, teilweise beschädigten oder durch den Verkauf von Ersatzteilen nur bedingt einsatzfähigen und zuletzt eingemotteten Fahrzeugen.

Übrigens: Die Zahlen der von durch die Ukrainer erbeuteten und größtenteils wiederverwendeten russischen Panzer und Kampffahrzeuge übersteigt aktuell sogar die Lieferungen aus dem Westen an die Ukraine.

Quelle@UKRinform